Ab jetzt kein Streit mehr? Von wegen. In der Ampelkoalition geht es weiter hoch her. Auslöser dieses Mal: Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kindergrundsicherung.
Ricarda Lang findet, dass es so nicht weitergehen kann. Die Grünen-Chefin steht am Montag in der Berliner Grünen-Zentrale bei einer Pressekonferenz vor Journalisten. Doch eigentlich spricht sie zu ihren Kolleginnen und Kollegen der Ampelkoalition: zur SPD, zur FDP, aber auch zu ihren Grünen.
„Wenn man sich am 1. Januar hinstellt und sagt ‚Jetzt wird alles anders‘, und Ende Januar schon wieder die gleichen Streitereien, das gleiche öffentliche Gekeile entsteht – dann führt das bei vielen Menschen zu Frust“, sagt Ricarda Lang. „Weniger öffentlich zu streiten, das darf kein Neujahrsvorsatz bleiben, das muss endlich Realität werden.“
Weniger Streit, damit nicht noch mehr Vertrauen verloren geht – das hat sich die Ampel schon zigfach vorgenommen. Nur hat es bisher nie funktioniert. Auch in diesem Jahr nicht. Erst hat sich in den vergangenen Wochen ein Zoff ums Klimageld hochgeschaukelt, obwohl alle Ampelpartner es eigentlich haben wollen. Und nun streiten sich die Koalitionäre über drei weitere K-Themen: Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kindergrundsicherung.
Es geht mal wieder um Milliarden Euro. Und bei der Kindergrundsicherung auch darum, was aus einem Projekt wird, bei dem sich die Koalition schon im vergangenen Jahr verkeilt hatte und das nun im Bundestag festhängt.
Schnell wird es persönlich
Im Zentrum des aktuellen Streits steht eine simple Frage, über die sich die Ampel regelmäßig zofft: Wer soll wie viel Geld vom Staat bekommen?
Mit dem Kinderfreibetrag werden vor allem Menschen mit hohen Einkommen bei der Steuer entlastet. Wer weniger oder gar nichts verdient, erhält stattdessen Kindergeld. Die Ampelkoalition hat das Kindergeld Anfang 2023 deutlich von 219 auf 250 Euro pro Monat erhöht – ein Plus von rund 14,2 Prozent. Auch der Kinderfreibetrag steigt in diesem Jahr erneut – um etwa 9,8 Prozent je Kind von 6.024 Euro pro Jahr auf 6.612 Euro. Für Spitzenverdiener kann das zu einer monatlichen Steuerentlastung von 377 Euro führen. Also mehr als die 250 Euro Kindergeld.
Seit Langem lautet deshalb die Kritik von Verbänden und linken Parteien, dem Staat seien Kinder reicher Eltern mehr wert als Kinder armer Eltern. So geht es nicht, findet SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi und fordert deshalb am Freitag, auch das Kindergeld müsse dieses Jahr noch mal steigen. Es wird schnell grundsätzlich – und persönlich. Wohl auch, weil das Kindergeld ein Kernbestandteil der Kindergrundsicherung ist.
Am Ende sind alle sauer
„Dass die Kindergrundsicherung für Christian Lindner kein prioritäres Projekt war, dürfte mittlerweile jeder verstanden haben“, poltert Schrodi. „Die SPD wird aber ganz sicher nicht mitmachen, wenn daraus am Ende eine ‚Reiche-Eltern-Grundsicherung‘ werden soll.“ Selbst der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, meist ein Mann der leiseren Töne, wird am Montag laut: „Warum der Finanzminister wenige Tage nach der Entscheidung über den Haushalt 2024 mit einer Erhöhung des Kinderfreibetrags um die Ecke kommt, ist mir unbegreiflich“, sagt er der „Rheinischen Post“.
Und wie es so ist bei einem ordentlichen Ampelstreit, sind inzwischen alle sauer. In der SPD halten sie das Signal, der Staat tue bei knappen Kassen etwas für die Reichen und vergesse die Armen, in den aktuellen Krisen für höchstgefährlich. Über die Kommunikation des FPD-Chefs und Finanzministers Christian Lindner ärgert man sich dort schon länger. Es wirke mittlerweile so, als wolle Lindner mit Absicht provozieren, heißt es dort.
Lindner und seine FDP hingegen fühlen sich zu Unrecht öffentlich in die Rolle des Buhmanns gedrängt. Immerhin setze man mit der Erhöhung des Freibetrags nur ein Gesetz aus dem Herbst 2022 um – was durchaus stimmt. Richtig ist auch: Die Anhebung des Kindergelds auf 250 Euro im vergangenen Jahr war überproportional hoch, nach der ursprünglichen Berechnung hätte es 2024 nur 244 Euro betragen müssen.
„Ich bin sehr überrascht über die aktuelle Diskussion, und der Zeitpunkt ärgert mich“, sagt FDP-Familienpolitikerin Gyde Jensen t-online. „Manche in der Regierungskoalition scheinen bewusst Streit bei einem Thema zu suchen.“