Wer an den Aktienmärkten engagiert ist und nach der kurzen Zwischenrally am Mittwoch womöglich darüber nachdenkt nachzukaufen, sollte Kursverluste von weit mehr als die bisherigen intestine 20 Prozent, wie wir sie im Dax gesehen haben, aushalten können. Drei Szenarien sollen helfen, die weitere Entwicklung einzuordnen.
Im günstigsten Fall schafft es ein Vermittlerstaat wie China oder die Türkei in den kommenden Tagen, Russland zum Kriegsende zu bewegen. Die Ukraine müsste womöglich endgültig auf die Krim verzichten und weitere Zugeständnisse machen, damit Russlands Staatschef Wladimir Putin gesichtswahrend aus dem Krieg herauskommt.
Angesichts der Entschlossenheit des westlichen Bündnisses, Russland mit Sanktionen zu isolieren, und angesichts der Tatsache, dass Putin bislang anders als erwartet große militärische Schwierigkeiten in der Ukraine hat, ist dieses Friedensszenario zumindest nicht ausgeschlossen.
In dem Fall würden die Börsen wohl zu einer Erleichterungsrally ansetzen. Der Dax könnte rasch 1000 Punkte gewinnen, die Weltwirtschaft weitermachen, wo sie vor Kriegsbeginn aufgehört hatte. Neuerliche Rekordgewinne der Unternehmen angesichts vieler Nachholeffekte machen sogar neue Höchstkurse möglich. Wer darauf spekuliert, sollte jetzt einsteigen.
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Wahrscheinlicher allerdings ist das Szenario eines länger andauernden Kriegs. Angesichts von rasant steigenden Energiepreisen, Produktionsengpässen und Lieferschwierigkeiten aufgrund des Rückzugs westlicher Unternehmen aus Russland würden weite Teile der Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine sich deshalb abschwächende Weltwirtschaft bis hin zu einer Rezession träfe vor allem die vielen exportstarken deutschen Unternehmen und damit besonders den Dax. Die bisherigen Kursverluste spiegeln dieses Szenario wohl nicht ausreichend wider.
Im Extremfall weitet sich der Krieg aus, beispielsweise wenn sich Putin angesichts der Sanktionen und der drohenden Pleite seines Landes in die Enge getrieben fühlt. Dann könnte er einen Zwischenfall im Grenzgebiet zu einem Nato-Staat inszenieren, der zu einem militärischen Konflikt führt. In dem Fall hat ganz Europa ein viel größeres Drawback als fallende Aktienkurse.
Verluste von weit mehr als 50 Prozent sind wahrscheinlich. Früher ist der Dax schon bei weit geringeren Krisen stärker gefallen: zwischen 2000 und 2003 waren es 75 Prozent.
Was Anlegern Orientierung bietet
Orientierung gibt eine nüchterne Bilanzkennzahl: das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Es drückt aus, wie hoch Unternehmen gemessen an ihrem Eigenkapital bewertet sind, und es errechnet sich aus allen Vermögenswerten der Unternehmen abzüglich ihrer Verbindlichkeiten.
Die Zahl ist deshalb so bedeutend, weil sie in vergangenen großen Krisen ein gutes Einstiegssignal gab, wenn alle Dax-Unternehmen im Schnitt nur noch mit einem KBV von eins bewertet waren. Das heißt, Anleger bezahlten für die Dax-Unternehmen so wenig, wie diese an Buchwert bilanzierten.
Das warfare bei dem 2003 beginnenden Irakkrieg infolge der Terroranschläge auf die USA der Fall. Damals fiel der Dax auf 2200 Punkte. Das nächste Mal rutschte er in der Finanzkrise 2009 bis auf 3666 Zähler und das letzte Mal im Coronacrash 2020 bis auf 8200 Punkte. Stets endete der Börsenverfall, als die Unternehmen, umgerechnet in Dax-Punkten, nur noch mit ihrer einfachen Substanz an der Börse bewertet waren.
Aktuell errechnet sich dafür ein Dax von 8366 Punkten. Das ist ein weiteres Drittel unter dem aktuellen Stand. Ein perfektes Einstiegssignal gibt diese Zahl zwar nicht, erst recht nicht für das dritte Extremszenario. Schließlich resultieren Kurse immer aus Angebot und Nachfrage. Doch etwas Orientierung ist in unsicheren Zeiten wie jetzt auch schon etwas wert.
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