Bangkok Der Genting-Konzern des malaysischen Milliardärs Lim Kok Thay steht im Zentrum des Insolvenzdebakels um die deutschen MV Werften. Dass er der Schuldige an der Misere sein soll, will der 70-Jährige jedoch nicht auf sich sitzen lassen. „Die Gegenparteien sind ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen“, schrieb der Chef des Reise- und Glücksspielkonglomerats am Dienstag in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse.
Er meint damit unter anderem einen 78 Millionen Euro schweren Hilfskredit, der ihm seiner Meinung nach zusteht. Das Land Mecklenburg-Vorpommern, von dem das Geld kommen soll, sieht das anders. Das Resultat ist jedenfalls klar: Es sei zu einer „unmittelbaren und erheblichen Liquiditätslücke“ gekommen, räumt Lim gegenüber seinen Investoren ein.
Der Unternehmer aus Südostasien, dessen Vermögen das Magazin „Forbes“ auf 2,6 Milliarden Greenback schätzt, versucht, Zweifel an der Darstellung der Bundesregierung zu säen, die ihn als alleinigen Verantwortlichen der Firmenpleite präsentierte: „Als Bundesregierung haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Insolvenz der MV Werften zu vermeiden“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Allerdings haben die Eigentümer unser Hilfsangebot ausgeschlagen.“
60 Millionen Euro an Eigenmitteln sollte Genting demnach für weitere Gelder in Höhe von 600 Millionen Euro aus dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereitstellen. Das Unternehmen beteuert jedoch, den Betrag nicht auftreiben zu können.
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Die gescheiterten Verhandlungen haben nun gravierende Konsequenzen für das Imperium des Familienunternehmers Lim, der vor knapp 20 Jahren die Leitung des Konzerns von seinem Vater übernommen hatte. Die Insolvenz der MV Werften, die Lim 2016 kaufte, führe durch Vereinbarungen mit Gläubigern dazu, dass Forderungen von bis zu 2,8 Milliarden Greenback fällig gestellt werden könnten, hieß es in seiner Mitteilung.
Viel zu holen ist bei dem Unternehmen aber offenbar nicht: Man habe „weiterhin keinen Zugang zu wesentlichen neuen Liquiditätsquellen“, hieß es. Der betroffene Teil seines Firmenreichs, Genting Hong Kong, sei nun in Gesprächen mit Banken, Geschäftspartnern und Beratern, um die Optionen abzuwägen.
Rekordverlust von 1,7 Milliarden Greenback
In Genting Hong Kong – der Eigentümerin der MV Werften und der nun ebenfalls insolventen Lloyd-Werft in Bremerhaven – hat Lim sein Kreuzfahrtgeschäft gebündelt. Der Konzern startete es vor drei Jahrzehnten mit dem auf den asiatischen Markt fokussierten Anbieter Star Cruises, um seine bis dahin auf Lodges und Casinos konzentrierten Einnahmequellen auszuweiten.
Inzwischen gehört auch die US-Kreuzfahrtgesellschaft Crystal Cruises zu dem Unternehmen sowie die Marke Dream Cruises. Diese sollte ursprünglich bereits 2021 das riesige Schiff „World Dream“ in Betrieb nehmen, das derzeit in den MV Werften gebaut wird. Doch im Zuge der Coronapandemie kam es zu Verzögerungen.
Die Probleme des Unternehmens gingen aber bereits ein halbes Jahr nach Pandemiebeginn weit über Mecklenburg-Vorpommern hinaus: Infektionswellen brachten das Kreuzfahrtgeschäft rund um den Globus zum Erliegen, in Gentings asiatischem Kernmarkt fielen die Reisebeschränkungen besonders streng aus.
Im August 2020 teilte das von Lim geführte Unternehmen mit, Schulden mit einem Volumen von 3,4 Milliarden Greenback nicht mehr zu bedienen, um Liquidität zu bewahren. Der Jahresverlust perception sich auf einen Rekordwert von 1,7 Milliarden Greenback.
Auch im vergangenen Jahr verlor das Unternehmen weiter an Geld: Für das erste Halbjahr 2021 meldete Genting Hong Kong einen Verlust von 283 Millionen Greenback. Wie es mit Lims Kreuzfahrten nun weitergeht, ist völlig offen. Die Aktien des Unternehmens sind seit Freitag vom Handel an der Börse ausgesetzt.
Für Lim, dessen Konglomerat von den USA über Großbritannien bis nach Singapur aktiv ist, geht es auch darum, das Vermächtnis seines Vaters zu bewahren: Der in China geborene Lim Goh Tong wanderte 1937 im Alter von 19 Jahren nach Malaysia aus, wo er mit Maschinen handelte und später ins Baugewerbe einstieg. In den 1960er-Jahren kam ihm die Idee, ins Tourismusgeschäft zu expandieren, nachdem er die malaysische Bergregion Cameron Highlands für einen Erholungsausflug besucht hatte.
Sein Kalkül: Mit steigendem Wohlstand würde in dem tropischen Land die Nachfrage nach angenehm kühler Bergluft steigen. Weil ihm die Cameron Highlands zu entlegen waren, suchte Lim Senior stattdessen nach hochgelegenem Bauland nahe der Hauptstadt – und wurde auf einem 1865 Meter hohen Gipfel 60 Kilometer nordöstlich von Kuala Lumpur fündig. „Wir kämpften uns durch dichten Dschungel und überquerten zahlreiche Bäche und Flüsse, bevor wir den Gipfel erreichten“, schrieb er in seiner Autobiografie.
Milliardenwette auf Las Vegas
Sechs Jahre dauerten die Arbeiten an der Anlage, die unter dem Namen Genting Highlands bekannt wurde und von Beginn an mit einer Casinolizenz ausgestattet struggle. Das Resort bildete den Grundstein für den globalen Konzern, den Lim Goh Tong bis zu vier Jahre vor seinem Tod 2007 im Alter von 89 Jahren führte.
Er setzte bereits früh auf Diversifizierung: In den 1980er-Jahren stieg er in das Geschäft mit Palmölplantagen ein, das Genting bis heute betreibt. Zu dem Unternehmen gehören inzwischen auch Kraftwerke, Förderanlagen für Öl und Gasoline sowie eine Biotechnologiesparte.
Kern der Genting-Gruppe blieb jedoch das Reise- und Glücksspielgeschäft mit Casinos in Singapur, Manila und London. Auch das Kreuzfahrtschiff „World Dream“ sollte zu einer schwimmenden Spielhalle für wohlhabende Chinesen werden.
Lim wagte zuletzt eine Milliardenwette, dass dieses Phase seinem Konzern über die tiefe Krise hinweghelfen werde: Für 4,3 Milliarden Greenback baute er in der US-Glücksspielmetropole Las Vegas ein neues Großcasino mit 3500 Hotelzimmern, das er im vergangenen Sommer eröffnete. Zu dem Zeitpunkt gab er sich „extrem zuversichtlich“, dass das Projekt Erfolg haben werde: „Es gibt eine große Nachfrage, da die Menschen so lange zu Hause geblieben sind und jetzt das Vertrauen haben, wieder Geld auszugeben.“
Die Summen, um die es Lim derzeit in Deutschland geht, wirken vergleichsweise mickrig: Der Streit um die 78-Millionen-Euro-Zahlung, die Genting vom Land Mecklenburg-Vorpommern erwirken will, kam am Dienstag in Schwerin vor Gericht. Eine Entscheidung in dem Verfahren soll am kommenden Montag verkündet werden.
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