Die Ampel-Koalition treibt die Freigabe von Cannabis für Erwachsene voran. Die parlamentarischen Beratungen werden weiter von scharfer Kritik begleitet.
Die umstrittene teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland hat die nächste Hürde genommen. Der federführende Gesundheitsausschuss billigte die Gesetzespläne der Ampel-Koalition mit mehreren Änderungen, wie es aus Kreisen des Gremiums hieß.
An diesem Freitag soll dann der Bundestag die kontrollierte Freigabe mit zahlreichen Regeln beschließen. Besitz und Eigenanbau bestimmter Mengen sollen damit für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht-kommerziellen Anbau möglich werden. Auch aus der mitregierenden SPD wurden weiter Einwände laut.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sprach von einem „überfälligen Paradigmenwechsel“ in der Drogenpolitik. „Ein einfaches Weiter so kann es nicht geben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Als Arzt, Vater und Politiker besorge es ihn sehr, dass sich durch die Verbotspolitik der Vergangenheit gesundheitliche Risiken massiv erhöht hätten. Ziel sei, Konsum und Zugang für informierte Erwachsene sicherer zu machen, indem die Weitergabe verunreinigter Substanzen unterbunden und der Schwarzmarkt eingedämmt würden. Das erreiche man durch Schaffung legaler Alternativen. Aufklärung, Prävention, Kinder- und Jugendschutz seien „der rote Faden in dem Gesetz“, sagte Dahmen.
Künftig erlaubt werden soll für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen legal werden und einer Änderung zufolge bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Der öffentliche Konsum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden – konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es eine erste Bewertung unter anderem dazu vorliegen, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.
Nein-Stimmen aus der SPD erwartet
Scharfe Kritik kam von der oppositionellen Union. Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU) sagte der dpa nach der Ausschusssitzung: „Gesundheits-, familien- und innenpolitisch ist das Gesetz ein historischer Fehler. Die Ampel bringt Cannabis in die Nähe von Kindern und Jugendlichen und agiert wie ein staatlicher Drogendealer.“ Das sei verantwortungslos. Er appelliere an unentschlossene Abgeordnete der Koalition, gegen das Gesetz zu stimmen. Im Ausschuss votierten laut Bundestags-Pressedienst neben SPD, Grünen und FDP auch die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht dafür, Union und AfD lehnten den Entwurf ab.
Für die namentliche Abstimmung im Bundestag am Freitag wird mit einzelnen Nein-Stimmen vor allem aus Reihen der SPD gerechnet. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Lars Castellucci (SPD), sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, er lehne den Vorschlag ab. „Mein Problem sind fehlender Jugendschutz, mangelnde Möglichkeit der Kontrolle und damit sogar eine Erleichterung kriminellen Handelns. Es ist ein risikoreiches Experiment.“ Auch von Medizinverbänden, aus der Justiz und den Ländern gibt es Warnungen. Das Gesetz muss abschließend noch in den Bundesrat, zustimmungsbedürftig ist es dort aber nicht.
Experten fürchten „Mischkonsum“ beim Autofahren
Mit einer Legalisierung sind aus Expertensicht auch Probleme mit „Mischkonsum“ beim Autofahren zu befürchten. „Wird zu Cannabis etwa noch Alkohol konsumiert, erhöht das die Unfallgefahr“, sagte die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer, Kirstin Zeidler, der dpa. „Sobald Alkohol im Spiel ist, muss es im Sinne der Verkehrssicherheit daher eine Null-Toleranz-Grenze für Cannabis am Steuer geben. Alkohol und Cannabis zusammen sind unberechenbar.“ Schon vor der Freigabe spiele Mischkonsum eine Rolle. Rund 40 Prozent der Autofahrer, die unter Drogen Unfälle mit Personenschaden verursachten, hätten auch Alkohol im Blut gehabt. „Bereits niedrige Alkoholdosen verstärken die Wirkungseffekte.“