Vor 100 Jahren wurde in Magdeburg im Februar 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegründet. Was braucht es heute für den Schutz der parlamentarischen Demokratie?
Am 100. Jahrestag der Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold hat das Bündnis dazu aufgerufen, die deutsche Flagge stärker in der Öffentlichkeit zu nutzen. Freiheit und Demokratie bräuchten Symbole, sagte der Vorsitzende Fritz Felgentreu (SPD) in Magdeburg. Er würde sich wünschen, bei den aktuellen Demonstrationen gegen rechts öfter die Farben Schwarz, Rot und Gold zu sehen. „Denn das sind traditionell die Farben der Freiheit und der Demokratie.“
Felgentreu sagte, dass große Teile der politischen Linken ein gespaltenes Verhältnis zu nationalen Symbolen hätten und sich gerne davon emanzipierten. Dadurch sei ein Vakuum entstanden, „in das eine Partei wie die AfD hineinstößt, versucht, sich dieser Farben zu bemächtigen“. Dies sei ein „krasser Etikettenschwindel“. Schwarz-Rot-Gold stehe für die wehrhafte Demokratie, die Farben seien das Abbild der Freiheitsidee in Deutschland.
Zum Schutz der Demokratie
Am 22. Februar 1924 war das überparteiliche und sozialdemokratisch geprägte Reichsbanner zum Schutz der Demokratie in Magdeburg gegründet worden. Auch Mitglieder der liberalen Deutschen Demokratischen Partei und der katholischen Zentrumspartei waren dabei. Links- und rechtsextremistischen Putschversuchen in den Anfangsjahren der Weimarer Republik wollten Demokraten mit dem Reichsbanner etwas entgegensetzen.
Sogenannte Wehrverbände gehörten damals zur Freizeitbeschäftigung vieler Männer. Hauptgegner des Reichsbanners war in den 1920er Jahren der deutschnationale Stahlhelm, der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ebenfalls in Magdeburg gegründet worden war. Das Reichsbanner stellte sich aber nicht als bewaffnete Miliz auf und legte keine organisierten Waffendepots an.
Die Lebenswirklichkeit seiner Mitglieder habe das Reichsbanner damals stark beeinflusst, sagte der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel. Es habe sogar Reichsbanner-Zigaretten und eine Reichsbanner-Margarine gegeben. Laut dem Deutschen Historischen Museum war es mit über 1,5 Millionen Mitgliedern die größte politische Massenorganisation der Weimarer Republik und hat sowohl zivile als auch paramilitärische Ziele verfolgt.
Tödliche Auseinandersetzungen
Anfang der 1930er Jahre gerieten Reichsbannermitglieder vermehrt in mitunter tödliche Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA). Mehr als 60 Reichsbannerleute wurden laut Felgentreu noch vor Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats ermordet. Im März 1933 wurde das Reichsbanner von den Nazis verboten. „Die Zahl der Reichsbannerangehörigen, die in der NS-Zeit ums Leben gekommen sind, können wir momentan noch nicht einmal schätzen“, sagte Tuchel.
Seit der Wiedergründung des Reichsbanners im Jahr 1953 steht die politisch-historische Bildungs- und Erinnerungsarbeit im Vordergrund. Der Landtag von Sachsen-Anhalt würdigte das 100-jährige Jubiläum am Donnerstag mit einem Festakt. „Ungefährdet ist Demokratie niemals“, betonte Felgentreu. An die AfD gerichtet sagte er: „Lassen Sie Ihre Finger von den Farben der Freiheit.“ Er warte auf den Tag, „an dem das Bundesverfassungsgericht dieser Partei ein Ende macht“.
Der Historiker Benjamin Ziemann von der University of Sheffield sagte in seinem Festvortrag, angesichts einer populistischen Ablehnung der Demokratie in Europa und einer neuen Welle des Rechtsnationalismus und des Antisemitismus zeige sich, dass viele der Grundmotive, welche die Arbeit des Reichsbanners in der Weimarer Republik leiteten, auch heute aktuell seien. Dabei denke er besonders an den Verfassungspatriotismus, das überparteiliche und zivilgesellschaftliche Engagement überzeugter Demokraten sowie die aktive Widerrede gegen jeglichen Chauvinismus und Antisemitismus.
Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) sagte, es sei heute wieder an der Zeit, sich zur Demokratie zu bekennen. In Deutschland gebe es besorgniserregende Entwicklungen und Tendenzen, die man nicht mittragen dürfe, so Schellenberger.