München Die deutsche Autoindustrie hat 2021 wegen fehlender Halbleiter so wenige Autos gebaut wie seit 46 Jahren nicht mehr. Dennoch erwarten Mercedes-Benz, die BMW-Group und der Volkswagen-Konzern mit den Töchtern Porsche und Audi Rekordergebnisse.
Der Grund: Die Konzerne nehmen kleinere Modelle aus dem Programm und bauen mit den wenigen verfügbaren Chips größere und teurere Autos – und finden dafür auch Kunden. „Größere Modelle sind beliebt. Die Menschen wollen sich aufgrund der Covidpandemie etwas gönnen“, sagt Audi-Chef Markus Duesmann im Interview mit dem Handelsblatt.
Audi will nach dem Kleinwagen A1 auch das Kompakt-SUV Q2 einstellen, dafür aber zusätzliche Luxusmodelle entwickeln. „Wir werden unsere Modellpalette nach unten begrenzen und nach oben erweitern“, sagt Duesmann. Im VW-Konzern werden Audi und Porsche bei der Versorgung mit Halbleitern ohnehin bevorzugt – weil sie mit ihren Modellen mehr Geld verdienen.
Eine ähnliche Strategie verfolgt auch Mercedes. Die Stuttgarter streichen die kompakte B-Klasse und setzen verstärkt auf S-Klasse, den Luxus-Ableger Maybach und die Sporttochter AMG. Auch BMW hat den Absatz seiner Topmodelle wie X7 und die 8er-Reihe in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt und gibt – wie die Konkurrenten – praktisch keine Rabatte mehr. Sogar Massenhersteller wie Renault und Stellantis wollen künftig mehr hochpreisige Autos bauen.
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Durch den Luxuskurs der Industrie werden Autos immer teurer. Noch 2010 kostete ein durchschnittlicher Neuwagen in Deutschland rund 25.000 Euro, 2021 stieg der durchschnittliche Preis nach Berechnungen des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer auf 37.400 Euro, Tendenz: weiter steigend. Denn die Autos werden nicht nur größer, sie haben kräftigere Motoren und sind besser ausgestattet. Hinzu kommt der Development zu Hybrid- und Elektroantrieben, die deutlich teurer sind als Verbrenner.
Rabatte sind weitgehend Geschichte
Schon seit vier Jahren bauen die Hersteller weltweit weniger Autos, als Kunden nachfragen – die Halbleiterknappheit verschärft den Development noch: Die Läger sind leer, und vor allem der VW-Konzern muss immer wieder Kurzarbeit anmelden, weil elektronische Bauteile zur Steuerung von Motoren, Schiebedächern oder Sitzverstellungen fehlen. Gleichzeitig vertrösten die Autohersteller ihre Kunden mit langen Lieferzeiten. Aber sie schlagen auch Kapital aus der Scenario.
„Im Second sehen wir sehr hohe Preise, und die Hersteller haben auch kein Downside, diese durchzusetzen“, sagt Daniel Schwarz, Analyst bei der Investmentbank Stifel.
Die Konzerne und ihre Händler haben die sonst in der Industrie üblichen Rabattschlachten massiv zurückgefahren. Intestine sichtbar ist das etwa in den USA. Laut Berechnungen der Analysefirma J.D. Energy wurden hier zuletzt nur noch Preisnachlässe von durchschnittlich 1300 Greenback professional Fahrzeug gewährt. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es noch 3500 Greenback, vor zwei Jahren sogar 4100 Greenback. Auch in den USA sind Autos mittlerweile so teuer wie nie – im Schnitt kostet ein Neuwagen rund 45.000 Greenback.
Ein Development, der sich fortsetzen wird. Das jedenfalls erwarten die Hersteller und setzen auf die Hochpreisstrategie. Aus Sicht der Konzerne ist das notwendig, denn die Kosten für Metalle und Kunststoffe, aber auch für Energie und Private steigen kräftig. Mit schwach ausgestatteten Kompaktwagen und Angeboten für die Mittelklasse lassen sich diese Kosten deshalb kaum noch einspielen. „Wir priorisieren andere Segmente“, begründet Audi-Chef Duesmann das bevorstehende Aus des erst 2016 eingeführten kleinen SUV Q2.
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Angebaut wird lieber ganz oben. Audis für 2025 angekündigte Elektrolimousine mit dem Projektnamen „Landjet“ bekommt mit der „Landjacht“ ein Schwestermodell. Auch Bentley und Porsche wollen aus diesem Projekt neue Luxuslimousinen ableiten.
Jachtbau als Vorbild
Ähnlich läuft es bei BMW. Die Münchener haben nach dem Erfolg des Riesen-SUV X7 einen X8 angekündigt, Ende des Jahres soll die neue 7er-Reihe den Absatz im Luxussegment weiter anfachen. In diesem Phase ähnelt das Geschäft dem Jachtbau, sagte jüngst ein Konzernmanager. Die Ausstattung wird immer individueller und aufwendiger, aber für BMW auch profitabler.
Mercedes hatte bereits im Frühsommer 2020 das Credo ausgerufen: Klasse statt Masse. Seither fokussiert sich die Marke mit dem Stern darauf, in jedem Phase möglichst nur noch Luxusfahrzeuge anzubieten. Unrentable Kompaktwagen wie die B-Klasse werden aussortiert. Und der Good als einst kleinstes Fabrikat im Portfolio der Schwaben wird in ein SUV überführt.
Der Grund: Mercedes-Chef Ola Källenius will künftig keinesfalls im Preiswettbewerb mit Volumenherstellern zerrieben werden, sondern lieber mit Nobelkarossen zweistellige Umsatzrenditen generieren.
Die Chipkrise hat diese Ausrichtung zuletzt beschleunigt. Schließlich hat der Dax-Konzern wie der Relaxation der Branche alle verfügbaren Halbleiter priorisiert in jene Baureihen gelenkt, die besonders hohe Deckungsbeiträge versprechen. Und dort ist die Nachfrage immens.
Für seine G-Klasse musste Mercedes zuletzt sogar einen Bestellstopp verhängen. Allein um die bestehenden Aufträge für den Geländewagen abzuarbeiten, ist die Produktion in Graz auf Jahre hinaus ausgelastet. Auch die Sportwagen von AMG sind beliebt wie nie zuvor. Rund 146.000 Autos verkaufte die Efficiency-Tochter von Mercedes im vergangenen Jahr – ein Zuwachs von 17 Prozent. Neue Rekordwerte meldet zudem Maybach. Die nobelste aller Submarken von Mercedes verzeichnete 2021 mit 16.000 ausgelieferten Fahrzeugen ein Absatzplus von 51 Prozent.
Das führt zu einer kuriosen Scenario. Obwohl die Auslieferungen von Mercedes insgesamt im Vorjahr um fünf Prozent schrumpften, verdient der Konzern mehr Geld denn je.
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