Auch ein Krisentreffen mit dem Kanzleramt hilft nichts: Die Ampelregierung streitet weiter über CO₂-Grenzwerte für Lkw und Busse. Und blockiert damit eine Entscheidung in der EU.
Es war eine prominente Runde, die sich da am Donnerstagvormittag zusammenschaltete. Das Kanzleramt hatte zu einer Art Krisentreffen geladen, obwohl es offiziell natürlich nicht so heißen durfte.
Gastgeber und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, SPD, hatte den wichtigsten Wirtschaftsberater im Haus mitgebracht, Jörg Kukies. Das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium und das Verkehrsministerium hatten ihre Staatssekretäre geschickt. Und die zwei entscheidenden Minister waren sogar höchstpersönlich anwesend: Volker Wissing, FDP, zuständig für Verkehr, und Steffi Lemke, Grüne, zuständig für die Umwelt.
Lemke verhandelt in der EU federführend für die Bundesregierung über die Frage, die jetzt in der Bundesregierung dringend geklärt werden muss. Und von der Lemke dachte, dass sie längst geklärt sei: Trägt Deutschland den EU-Kompromiss mit, Lkw und Busse klimaneutral zu machen?
Verkehrsminister Wissing und seine FDP hatten sich in den vergangenen Tagen überraschend quergestellt. Dem Vernehmen nach hat auch die Runde am Donnerstagvormittag nicht dazu beigetragen, dass sie ihren Widerstand aufgeben. Und so bleibt neben dem Zwist ums Lieferkettengesetz auch der zweite Ampelstreit, der in diesen Wochen die EU blockiert, ungelöst.
Eigentlich schien alles klar
Dabei schien eigentlich alles klar zu sein: Die EU will die klimaschädlichen CO₂-Emissionen von Bussen und Lkw bis 2040 – im Vergleich zu den Werten von 2019 – um 90 Prozent senken. Ähnlich wie in diesen Tagen beim EU-Lieferkettengesetz oder dem Verbrenner-Aus für Pkw im vergangenen Jahr stand der Kompromiss unter den 27 EU-Staaten lange fest.
Doch kurz vor den finalen Abstimmungen, die in der EU traditionell nur noch formellen Charakter haben, meldete Verkehrsminister Wissing jetzt Bedenken an. Überraschend nicht nur für Steffi Lemke, sondern auch für viele in der EU. „Wir setzen uns dafür ein, dass die EU beim Thema Technologieoffenheit umsteuert“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr.
Eine Technologieoffenheit, die aus Sicht des Umweltministeriums längst gegeben ist. Denn: Anders als bei den Pkw geht es der EU bei Lkw und Bussen nicht darum, Fahrzeuge mit Verbrennermotor, also einer einzelnen Technologie, zu verbieten. Stattdessen sollen die sogenannten Flottengrenzwerte für den Kohlendioxidausstoß schrittweise sinken. Bedeutet grob gesagt: Für jedes verkaufte Fahrzeug, das 2040 noch CO₂ ausstößt, müssen die Hersteller neun Fahrzeuge verkaufen, aus deren Auspuff kein CO₂ mehr kommt.
Motoren, die Lkw und Busse mit grünem Wasserstoff antreiben und somit kein CO₂ ausstoßen, sind damit genauso eine Option wie elektrische Antriebe. Und anders als bei Pkw halten einige wasserstoffbasierte Motoren für eine ernstzunehmende Alternative, gerade für längere Strecken. Hersteller forschen allerdings noch an der effizientesten Lösung.
Zurück in den Herbst
Es gibt allerdings Länder wie Italien, denen diese Technologieoffenheit genau wie der FDP nicht ausreicht. Die italienische Regierung hatte deshalb schon im Herbst eine Ergänzung vorgeschlagen, den sogenannten „Carbon Correction Factor“. Mit ihm sollte der EU-weite Anteil von Biokraftstoffen oder E-Fuels auf die Flottengrenzwerte angerechnet werden können.
Je größer der Anteil dieser Kraftstoffe am Kraftstoffmix in der EU, desto geringer wären die Grenzwerte ausgefallen. Nach Berechnungen des Thinktanks ICCT hätte das bei derzeitiger Verbreitung dazu geführt, dass die Flottenziele um acht Prozent niedriger liegen würden. Sprich: 2040 hätten nur 82 statt 90 Prozent klimaneutrale Lkw und Busse verkauft werden müssen.
Kritiker sagen deshalb, der Vorschlag ziele nur darauf ab, länger an klimaschädlichen Antrieben festhalten zu können – und weniger Klimaschutz zu betreiben. Der FDP scheint nun allerdings etwas Ähnliches vorzuschweben. Fraktionschef Dürr sagte, es sei zwingend notwendig, dass synthetische Kraftstoffe auf das Flottenziel angerechnet würden.