Nach gut einer Minute brach die Verbindung ab. „Es war der schrecklichste Moment meines Lebens“, so Ralph Orth. Zwei Tage später wurde Johannas Körper in der Tiefgarage gefunden, das Handy mit dem Video in der Wohnung. Ralph Ort schickte es der Staatsanwaltschaft und appellierte: „Bitte helfen Sie dabei, dass die Verantwortlichen sich erklären, warum unsere Tochter sterben musste.“
Drei Stunden später sterben 14 Menschen in Sinzig
In der Unglücksnacht vergingen nun noch weitere rund drei Stunden, bis die Welle in Sinzig ankam, wo die Ahr in den Rhein mündet. Als der Pegel hier wieder fiel, waren 62 Brücken an der Ahr zerstört.
Immer, wenn eine Brücke dem Druck des aufgestauten nicht mehr standgehalten hatte, war das wie ein Dammbruch. Es erklärt, warum das Wasser so schnell stieg. In Sinzig starben 14 Menschen, darunter zwölf Bewohner einer Einrichtung der Lebenshilfe. „Du denkst, Du bist in Deutschland, da gibt es Katastrophenschutz“, sagte Ulrich van Bebber, Vorsitzender der Lebenshilfe und Kreistagspolitiker für die FDP. „Und dann versagt der Staat, besonders hilfsbedürftige Personen zu schützen.“
Für den Katastrophenschutz ist nach der Aufgabenverteilung der Landkreis zuständig, in Ahrweiler stand Landrat Jürgen Pföhler (CDU) an der Spitze. Untersuchungsausschuss und Ermittlungen ergaben, dass er keine entsprechenden Kurse besucht hatte, obwohl die Akademie des Bundes ihren Sitz sogar in Ahrweiler hat. Er ging an dem Tag am frühen Nachmittag nach Hause, gab die Leitung an den ehrenamtlichen Brand- und Katastrophenschutzinspekteur ab und wurde in der Verwaltung noch einmal kurz gesehen: um 19.30 Uhr bei einem Fototermin mit Innenminister Rogel Lewentz (SPD) in der Einsatzzentrale im Keller des Kreishauses.
„Entscheiden nicht über charakterliches Versagen“
Der Mann, den er dann die Arbeit machen ließ, war der ehrenamtliche Kreisbrandinspektor Michael Zimmermann, auch gegen ihn wurde ermittelt. Sein Stellvertreter sagte später, wenn der ehrenamtliche Feuerwehrmann belangt werde, habe das unabsehbare Folgen für Feuerwehren. Und Zimmermann war in der Technischen Einsatzleitung alleingelassen worden: Er gab später bei einer Befragung an, dass er den Landrat bei mehreren Versuchen in der Flutnacht nicht erreicht habe. Einen Verwaltungsstab zur Unterstützung in einer solchen Lage hatte Pföhler auch nicht eingerichtet.
Ermittelt wurde danach aufwendig: Allein 6.900 Notrufe wurden ausgewertet, rechnete LKA-Chef Mario Germano vor, der selbst aus dem Kreis Ahrweiler stammt. Mehr als 300 Zeugenvernehmungen und Befragungen habe es gegeben, 20.000 Seiten Akten kamen zusammen. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft entschieden, dass Pföhler und der Einsatzleiter nicht angeklagt werden.
Es sei nicht erweislich, dass sich der Landrat und der Einsatzleiter in der Flutnacht strafbar gemacht hätten, sagte der Leitende Oberstaatsanwaltschaft Mario Mannweiler. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht, eine Verurteilung sei nicht wahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft habe kein moralisches Werturteil zu treffen und nicht darüber zu befinden, ob jemand charakterlich versagt habe.