Die AfD in Baden-Württemberg ist zerrüttet, vor einem Sonderparteitag kämpfen zwei Lager gegeneinander. Es geht um Immobiliengeschäfte, Personalien – und immer auch: um AfD-Chefin Alice Weidel.
Offener Krieg – so lässt sich der Zustand beschreiben, in dem sich die AfD Baden-Württemberg derzeit befindet. Am Wochenende wählt der Landesverband einen neuen Vorstand, in den Chatgruppen der Partei kämpfen zwei Lager mit härtesten Bandagen um Deutungshoheit und Macht: Im Raum stehen Strafanzeigen, Vorwürfe von Bedrohung und schmutzigen Immobiliendeals – von „Verrat“ ist die Rede, von „destruktiven Charakteren“ und von „unhaltbaren Zuständen“.
Hintergrund ist ein seit Jahren schwelender Lagerstreit, der den Landesverband in Baden-Württemberg spaltet. Wurde er früher vor allem zwischen rechtsnationalem und rechtsextremem Lager geführt, scheiden sich die Geister inzwischen schon lange am Personal. Eine zentrale Figur dabei: AfD-Chefin Alice Weidel.
Denn Baden-Württemberg ist Weidels Heimatverband. Von 2020 bis 2022 war Weidel hier Vorsitzende. Sie wollte den Verband befrieden, scheiterte jedoch und machte sich dabei viele erbitterte Gegner. In der Bundespartei ist Weidel deswegen eine Chefin ohne echte Hausmacht – im Gegensatz zu ihrem Co-Parteichef Tino Chrupalla kann sie nie auf Geschlossenheit ihres Heimatverbands setzen, sondern muss ausgerechnet von dort die heftigsten Attacken fürchten. Dennoch will sie nach derzeitiger Planung hier als Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl 2025, vermutlich sogar als Kanzlerkandidatin der Partei ins Rennen gehen.
Selbst will Weidel am Wochenende zwar nicht noch einmal für den Vorsitz in Baden-Württemberg kandidieren. Der Vorstand dort aber ist ein guter Ausgangspunkt, um ihr zu schaden. Dort werden einige Leichen im Keller vermutet. Jeder Landesparteitag in Baden-Württemberg ist deswegen auch ein Stellvertreterkrieg mit hohem Einsatz und großem Ziel: Die Macht über den Vorstand erlangen, um die Königin zu schützen – oder sie zu stürzen.
Fehde gegen Weidel
Wenn es um Weidel und Baden-Württemberg geht, geht es irgendwie auch immer um Dirk Spaniel. Der Bundestagsabgeordnete ist Weidels größter offener Feind in der Partei, ihr ewiger Widersacher. Auch er war Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, direkt vor Weidel. Und bis heute führt er eine Privatfehde gegen sie, fordert sie bei parteiinternen Wahlen immer wieder heraus.
Spaniel verliert dabei in der Regel – aber manchmal geht es erstaunlich knapp aus. In der AfD heißt es von einigen bedauernd: Er gehe beim Stimmenfang ungeschickt vor, jedenfalls weniger geschickt als Weidel und ihre Unterstützer. Und manchmal habe er noch dazu Pech, sonst hätte er es wohl schon geschafft, einen Punkt gegen sie zu setzen.
Denn Weidel mag zwar in der Öffentlichkeit, nach außen, als das AfD-Gesicht schlechthin gelten. Innerhalb der Partei aber, unter den Funktionären, sind ihr die Mehrheiten keineswegs sicher.
Die Weidelianer und die Dirkianer – in diese zwei Lager wird der Landesverband Baden-Württemberg parteiintern geteilt. Die Fronten zwischen ihnen sind seit Jahren maximal verhärtet, immer wieder ringen sie um die Hoheit im Landesvorstand. Aktuell haben die Dirkianer, also die Anti-Weidel-Seite, noch knapp die Oberhand: 7:6. Eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme.
Die Vorstandsposten aber besetzen mit Markus Frohnmaier und Emil Sänze Weidelianer – oder: „Weidels Kofferträger“, wie sie im gegnerischen Lager auch genannt werden. Eine Verteilung, die immer wieder zu Blockaden, zu heftigen Streits, zu bitteren Zerwürfnissen in den Vorstandssitzungen führt.
Lagerkampf mit harten Bandagen
Vorläufiger Höhepunkt dieses Machtstreits wird der Sonderparteitag an diesem Wochenende sein. Nötig wurde er, weil 22 von 36 Kreisvorständen ihn einforderten. Die Meinung dieser AfD-Chefs auf Kreisebene: Der Landesvorstand sei nicht mehr arbeitsfähig, es sei zu „potenziellen Datenschutzverletzungen, Androhung von physischer Gewalt und Beleidigungen“ gekommen. So jedenfalls steht es in der Nachricht eines Kreisvorstands an seine Mitglieder, die t-online vorliegt. Frohnmaier und Sänze würden demnach bestätigen, dass „vernünftige Kommunikation nicht mehr möglich ist“. Vor den Kommunalwahlen im Juni müsse dieser Zustand geändert, der Vorstand neu gewählt werden.