Berlin Grün, blau, gelb: Mit jeder neuen Krise werden die Plakate der Fridays-for-Future-Aktivisten bunter, die Forderungen diverser. „Tempolimit sofort“, „Kein Öl und Fuel von Putin“, „Cease Conflict” – das sind einige der Schriftzüge, die am Freitag bei der zehnten globalen Klimademonstration auf Pappkarton in die Höhe gehalten werden.
Die Bewegung, ursprünglich überwiegend aus Schülern und Studierenden, hat sich diversifiziert – es geht längst nicht mehr nur um das Klima. Inzwischen sind mehrere Generationen aktiv und spätestens seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine muss sich Fridays for Future (FFF) auch thematisch breiter aufstellen.
In 300 deutschen Städten, dazu in Tunesien, Mexiko, Portugal, Bangladesch und Australien, riefen die Aktivisten zu Protesten auf.
„Klimagerechtigkeit und Frieden sind untrennbar miteinander verbunden“, erklärte die Klima-Aktivistin Elisa Bas bei einer Pressekonferenz im Vorfeld. „Diese Erkenntnis wird uns heute mit diesem Krieg bitter vor Augen geführt.“
Auch Fridays-for-Future-Sprecherin Pauline Brünger aus Köln betont, wie Klima und Sicherheit zusammenhängen.. „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir Krisen nacheinander abarbeiten können“, plädiert sie. Dafür bleibe schlicht keine Zeit.
Etwa zehntausend Demonstranten versammelten sich laut der Polizei am Invalidenpark in Berlin. Buhrufe in Richtung Wirtschaftsministerium gab es für den grünen Minister Robert Habeck, der derzeit weltweit nach neuen Energielieferanten für Deutschland sucht – unter anderem auch in Katar, wo Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.
Laut Brünger hat das Vorgehen bei vielen Aktivisten für Irritation gesorgt. Es würden nicht nur Fehler wiederholt, sondern „neue fossile Abhängigkeit von einer menschenrechtsfeindlichen Autokratie“ forciert.
Fridays for Future: Klimaziele nicht aus dem Blick verlieren
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag kritisiert, dass beim Vorgehen der deutschen Regierung zu häufig die Wirtschaft im Vordergrund stehe. Denn die EU zahlt trotz umfassender Sanktionen noch immer jeden Tag hunderte Millionen Euro für Energielieferungen aus Russland.
Fridays for Future fordert die Regierung nicht nur auf, Fuel- und Öllieferungen aus Russland zu stoppen, sondern angesichts der Energiekrise die Klimaziele nicht aus dem Blick zu verlieren. „Wir dürfen auf die eine Krise keine Antwort finden, die die nächste Krise zusätzlich verschärft“, warnt Brünger.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte versichert, wegen des Kriegs und seiner Folgen keine Abstriche beim Klimaschutz zu machen. „Die längst überfälligen Investitionen in Verteidigung und Sicherheit gehen nicht zulasten der dringend nötigen Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft“, betonte er am Mittwoch bei der Generaldebatte im Bundestag.
Damit die Regierung dieses Versprechen einhalten kann, fordert Fridays for Future im Gespräch mit dem Handelsblatt einen Fünf-Punkte-Plan zum doppelten Krisenmanagement:
1. Importstopp für russische Energie
Die Aktivisten fordern die Bundesregierung auf, Öl- und Fuel-Importe aus Russland zu stoppen. „Deutschland und die EU finanzieren diesen Krieg jeden Tag, in dem sie Öl und Fuel aus Russland importieren. Und es sind auch diese fossilen Energien, die die Klimakrise befeuern“, begründet Brünger.
Trotz des zunehmenden öffentlichen Drucks lehnt die Regierung ein solches Energie-Embargo derzeit ab. Von heute auf morgen könne Deutschland nicht auf die Energielieferungen verzichten, betonte Kanzler Scholz am Mittwoch im Bundestag. Man wolle die Abhängigkeit von russischer Energie allerdings „so schnell wie möglich zu beenden“.
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Langfristig gebe es jedoch nur eine nachhaltige Antwort auf Energieabhängigkeit und hohe Energiepreise: erneuerbare Energien und Energieeffizienz.
2. Ausstieg aus fossilen Energien bis 2035
„Wir müssen uns jetzt energiepolitisch unabhängig machen. Nicht nur von Russland, sondern von allen Autokratien dieser Welt“, fordert Brünger. Um zu verhindern, dass neue lange Öl- und Fuel-Partnerschaften entstünden, brauche es ein konkretes Ausstiegsdatum. Fridays for Future will spätestens 2035 aus allen fossilen Energien aussteigen.
Erneuerbare Energien seien im Gegensatz zu Öl, Fuel und Kohle dezentral, frei verfügbar und oftmals in Bürgerhand organisiert. Damit böten sie die wesentlich besseren Voraussetzungen für den Frieden.
3. Massiver Ausbau der erneuerbaren Energien und schnellere Wärmewende
Um die Energieversorgung zu garantieren, fordert Fridays for Futures large Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien. Zusätzlich müssen laut Bünger gesetzliche Hürden wie etwa die Abstandsregelung für Windräder zurückgenommen werden.
Besonders abhängig von Russland sei Deutschland im Bereich der Wärmeversorgung, da ein großer Teil der Wohnimmobilien mit Fuel beheizt wird. Die Aktivisten fordern deshalb einen Einbaustopp von Gasheizungen und eine Offensive beim Einsatz von Wärmepumpen.
4. Tempolimit einführen und Energie sparen
Eine Analyse der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat ergeben, dass sich mit einem Tempolimit jeder dritte Liter Öl, der derzeit von Deutschland aus Russland importiert wird, einsparen lässt. Die Klima-Aktivisten fordern deshalb ein Tempolimit. „Es gibt keine bürokratischen Hürden oder Kosten“, sagt Brünger.
Von „Frieren für die Freiheit“ hält sie dagegen wenig. Genau diese Belastung der Bürger wolle man schließlich vermeiden. Es Sei aber sinnvoll, wenn Privathaushalte nicht häufiger als nötig die Heizung hochdrehten. „Es bräuchte ein Aufklärungsprogramme von Seiten der Bundesregierung, das zeigt, wie man sinnvoll unnötige Energie einsparen kann.“
5. Keine Subvention fossiler Energien
Wegen der hohen Energiepreise hat sich die Ampel am Mittwochabend auf ein Entlastungspaket geeinigt. Der von der FDP geforderte und von Ökonomen kritisierte Tankrabatt kommt nicht, stattdessen eine temporäre Steuersenkung auf Kraftstoffe. Die FFF-Sprecherin sieht das kritisch. „Subventionierte Kraftstoffe sind ein Tankgutschein durch die Hintertür“, sagt sie. Diese Maßnahmen und auch die Erhöhung Pendlerpauschale würden das vermeintliche Ziel des sozialen Ausgleichs verfehlen. „Wir müssen insgesamt Weg vom Auto, statt Anreize zu schaffen, dieses mehr zu nutzen“.
Ein subventioniertes Nahverkehrsticket, wie ebenfalls von der Bundesregierung angekündigt, sei deshalb grundsätzlich genau das Richtige. Zusätzlich brauche es aber Investitionen in den Ausbau des ÖPNV. „Ein günstiges Ticket allein nützt Menschen nicht, die an Orten wohnen, wo der Bus nur drei mal täglich kommt“, sagt Brünger.
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