Berlin Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will für einen besseren Schutz von Strom- und Gaskunden vor kurzfristigen Kündigungen und überhöhten Preisen sorgen. Die Gesetzespläne gehen dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) aber nicht weit genug.
In einer dem Handelsblatt vorliegenden Stellungnahme zu einem regierungsintern noch nicht abgestimmten Gesetzentwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes fordert der VZBV mehr Befugnisse für die Bundesnetzagentur bei der Kontrolle von Energieversorgern.
Der Gesetzesentwurf sieht bislang vor, die abrupte Einstellung der Belieferung durch Energielieferanten zu untersagen. Die Anbieter sollen demnach in Zukunft der Bundesnetzagentur die Einstellung der Belieferung drei Monate im Voraus anzeigen und die betroffenen Kunden informieren. Ein Verstoß gegen diese Regelung soll mit einem Bußgeld belegt werden. Außerdem sollen die Möglichkeiten der Bundesnetzagentur gestärkt werden, unseriöse Anbieter vom Markt auszuschließen.
Aus Sicht von Thomas Engelke, Leiter des Groups Energie und Bauen im VZBV, geht der angestrebte verstärkte Schutz von Bürgerinnen und Bürgern zwar in die richtige Richtung. „Er sollte jedoch durch eine strengere Kontrolle der Bundesnetzagentur ergänzt werden“, sagte Engelke dem Handelsblatt.
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Energieversorger sollen demnach der Netzagentur in regelmäßigen Abständen ein Wirtschaftsprüfertestat vorlegen müssen. Zudem soll die Behörde verpflichtet werden, die Leistungsfähigkeit sowie die Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung eines Energielieferanten „fortlaufend zu prüfen“ und bei Mängeln einzugreifen. Derzeit sei die Netzagentur zwar zu dieser Prüfung berechtigt, es existiere jedoch keine Prüfungspflicht, bemängelt der VZBV.
Stromio oder Immergrün in der Kritik
Das Wirtschaftsministerium reagiert mit seinen Regulierungsplänen auf die Liefereinstellung durch Energiediscounter, wodurch viele ehemalige Kunden unverschuldet in die sogenannte Ersatzversorgung durch den örtlichen Grundversorger fielen. Das sind Energieanbieter mit den meisten Kunden in einer Area.
Diese sind verpflichtet, die Kunden bei Wegfall des bisherigen Lieferanten zunächst weiter mit Strom und Fuel zu versorgen, müssen die Energie aber nach Verbandsangaben zu hohen Preisen zukaufen. Die betroffenen Verbraucher mussten dadurch zum Teil deutlich höhere Preise für ihre Energieversorgung zahlen als vorher, weil viele Grundversorger neue Tarife für Neukunden eingeführt hatten.
Oliver Krischer (Grüne), parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, sagte dem Magazin „Capital“: „Dass rund einer Million Fuel- und Stromkunden innerhalb kürzester Zeit gekündigt wird, darf sich so nicht wiederholen.“ Sogenannte Billigstromanbieter wie Stromio oder Immergrün hatten Ende 2021 die Lieferung für alle Kunden beendet – sie aber teilweise erst nach dem Stopp der Versorgung informiert. Als Grund nannten die Low cost-Anbieter die hohen Rohstoffpreise an den Energiebörsen.
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Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, die Tarifsplittung in der Grundversorgung zu untersagen. Grundversorger in der Ersatzversorgung sollen jedoch unter bestimmten Vorgaben höhere Preise als in der Grundversorgung verlangen dürfen. Das lehnen die Verbraucherschützer strikt ab. „Unterschiedliche Preise bestrafen die betroffenen Kundinnen und Kunden und nicht die unseriösen Energieversorger“, sagte VZBV-Experte Engelke.
Der Verband fürchtet zudem, dass höhere Preise in der Ersatzversorgung zu einem „geringeren Wechselwillen“ von Verbrauchern und damit weniger Wettbewerb unter den Anbietern führen könnten. „Gerade unter den aktuellen Marktbedingungen ist der Wettbewerb zwischen Anbietern jedoch besonders wichtig, um Wahlfreiheit und Preiskonkurrenz zu gewährleisten“, heißt es in der Stellungnahme des VZBV.
Denn auch bei angespannten Märkten zeige sich, dass Haushalte durch einen Wechsel zu einem günstigeren Anbieter für Strom und Fuel „signifikant“ sparen könnten. Das werde aber nur funktionieren, wenn Verbraucher nicht zu befürchten hätten, einen „Strafpreis“ zahlen zu müssen.
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