Berlin Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukrainekriegs machen sich bei deutschen Firmen bereits jetzt bemerkbar. So gaben in einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter 3700 Unternehmen 78 Prozent der Betriebe an, von der russischen Invasion und ihren Folgen geschäftlich betroffen zu sein. Neun von zehn Befragten nennen höhere Energiekosten als spürbaren Effekt in der eigenen Firma – über alle Branchen hinweg.
60 Prozent der Befragten berichteten von steigenden Preisen oder gestörten Lieferketten, 18 Prozent von direkten Folgen wie dem Verlust von Kunden und Lieferanten. Für die Umfrage wurden von Dienstag bis Donnerstag dieser Woche bundesweit rund 3700 Unternehmen befragt.
Auch eine Umfrage des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall unter knapp 1400 Mitgliedsunternehmen zeigt, wie stark sich der russische Angriff auf die Ukraine bereits auswirkt. So klagten zwei von drei Unternehmen, die Waren aus Russland, Belarus oder der Ukraine erhalten, über Lieferengpässe.
Von diesen Betrieben müssen 18 Prozent deshalb bereits die Produktion einschränken. Besonders hoch ist die Abhängigkeit bei Eisen und Stahl, Metallen sowie Erdgas und Öl. Knapp 40 Prozent der Unternehmen gaben an, bereits bestehende oder drohende Lieferengpässe überhaupt nicht oder nur schwer kompensieren zu können.
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69 Prozent der von Gesamtmetall befragten Unternehmen erwarten Kostensteigerungen im Einkauf, knapp die Hälfte rechnet mit spürbaren Einbußen bei Umsatz und Gewinn infolge des Ukrainekriegs.
Von den Unternehmen der Metallerzeugung und -verarbeitung und des Maschinenbaus haben rund 40 Prozent Lieferbeziehungen zu Russland, Belarus oder der Ukraine, im Fahrzeugbau sind es sogar 44 Prozent. Auch auf der Abnehmerseite besteht durchaus eine enge Verflechtung. So haben quick drei von vier Maschinenbauern Kunden in mindestens einem der drei Länder.
Dennoch sei für die Unternehmen klar, dass es zu den Strafmaßnahmen gegen Russland keine Various gebe, auch wenn die hiesige Wirtschaft darunter leide, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben: „Trotz dieser schmerzlichen Einbußen hören wir kaum Kritik an den verhängten Sanktionen.“ Selbst für stark betroffene Unternehmen sei Krieg „keine Foundation für Geschäfte“.
Gewerkschaft warnt vor Öl- und Gasembargo
Allerdings seien die Umfrageergebnisse zur Lage in den Betrieben nur eine Momentaufnahme, betonte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander. „Was sich im Falle einer Verschärfung des Kriegs durch weitergehende Sanktionen oder durch Zweitrundeneffekte, etwa durch hohe Inflation, an Auswirkungen ergäbe, ist überhaupt nicht abzusehen.“
Besonders gefürchtet wird in Wirtschaftskreisen ein Ende russischer Fuel- und Öllieferungen – etwa weil Deutschland seinerseits einen Importstopp verhängt oder Russlands Präsident Wladimir Putin den Hahn zudreht. Obwohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen deutschen Importstopp für russische Energielieferungen bisher abgelehnt hat, arbeitet die Bundesregierung unter Federführung der Bundesnetzagentur bereits an Plänen, welche Unternehmen im Notfall als Erstes vom Netz genommen werden sollen. Nach der Chemieindustrie, deren Verband jüngst vor einem Gasembargo warnte, ist die Ernährungsbranche der zweitgrößte industrielle Gasverbraucher in Deutschland.
Auch die Gewerkschaftsseite ist deshalb vorsichtig mit Forderungen, von heute auf morgen keine Energieträger mehr in Russland einzukaufen, wie IG-Metall-Chef Jörg Hofmann dem Handelsblatt sagte: „Ein sofortiges Embargo für Fuel, Steinkohle und Öl wäre kontraproduktiv und würde Wirtschaft und Verbrauchern in Deutschland viel mehr schaden als Russland.“ Klar sei, dass Deutschland seine Energieeinfuhren stärker diversifizieren müsse. „Aber das geht nicht von heute auf morgen.“
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Nach der Gesamtmetall-Umfrage fürchten 23 Prozent der befragten Unternehmen um die wirtschaftliche Existenz, sollte sich der Konflikt weiter intensivieren. Ein Fünftel der Befragten sieht sich bereits im globalen Wettbewerb beeinträchtigt.
Beim DIHK sieht man die auf Energie und Rohstoffe angewiesene Industrie in Krisenstimmung. Zwei Drittel der Unternehmen in dieser Branche müssten angesichts der stark gestiegenen Einkaufspreise und einer angespannten finanziellen Lage Preissteigerungen an die Kunden weitergeben. „Hier droht zusätzliches Inflationspotenzial“, warnte Geschäftsführer Wansleben. Immerhin knapp ein Drittel der befragten Firmen gab bereits an, Investitionen zu streichen oder zu verschieben.
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