Rom Bevor Mario Draghi sich der Energiekrise widmet, möchte er an die Corona-Toten erinnern: An diesem Freitag ist Italiens nationaler Gedenktag für die Pandemieopfer. Dass Corona noch immer präsent ist, zeigt auch der Blick auf den Bildschirm neben den Rednerpulten von Draghi, Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez und Portugals Premier Antonio Cósta: Ihr griechischer Kollege Kyriakos Mitsotakis ist nur per Video zugeschaltet. Corona. Dabei beschäftigt das Quartett eigentlich schon die nächste Krise.
Das Sign, das die vier Länder von ihrem Treffen aus Rom senden wollen, ist eindeutig: Europa braucht angesichts des Ukrainekriegs eine gemeinsame Verwaltung des Energiemarkts. „Das würde allen zugutekommen“, sagte Draghi. Bei Kauf und Speicherung etwa müsse vereint vorgegangen werden. „Gemeinsame Lagerbestände ermöglichen es, uns bei einzelnen Schocks gegenseitig zu schützen.“ Gemeinsame Einkäufe wiederum würden ein besseres Verhandlungsgewicht gegenüber Lieferanten ermöglichen.
Die vier Länderchefs fordern auch eine Obergrenze für den Importpreis von Gasoline und wollen zudem die Verbindung zwischen Gasoline- und Strompreis aufheben, um Unternehmen und Verbraucher zu entlasten.
„Wir müssen sofort eingreifen“, erklärte Draghi. „Wir alle haben das Gefühl, dass sofort etwas Substanzielles, Bedeutendes getan werden muss.“ Die EU habe bei der Antwort auf die russische Invasion Geschlossenheit und Entschlossenheit demonstriert. Genau diese Einigkeit brauche es jetzt auch, um die Energiekrise zu meistern.
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Portugals Premier fordert konkrete Beschlüsse
Kurz vor dem nächsten EU-Gipfel, der Donnerstag und Freitag kommender Woche stattfinden soll, bringen sich die Südländer damit in Stellung. Der nächste Europäische Rat dürfe keiner sein, bei dem nur Leitlinien formuliert oder aufgeschoben werden, ergänzte Portugals Premier Costa. Es brauche „konkrete und sofort anwendbare Beschlüsse“.
Griechenlands Regierungschef Mitsotakis betonte, dass kein Land eine solche Krise alleine bewältigen könne. „Wenn Heizpreise mit fünf oder sechs multipliziert werden, kann die Antwort nicht nur nationwide sein.“ Die europäische Politik müsse harmonisiert werden, um auch besser gegen Energiespekulationen gewappnet zu sein. Er sieht in der Energiekrise nicht nur die Gefahr, den Aufschwung nach der Pandemie zu bedrohen. Sie könne in den Ländern auch „einen Alptraum des Populismus hervorrufen“.
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Die Idee für das Süd-Treffen entstand beim jüngsten Gipfel der Staats- und Regierungschefs im französischen Versailles. Dort hatte Draghi schon eine Deckelung des Gaspreises gefordert. Deutschland fürchtet, dass eine solche Preisobergrenze Flüssiggasimporte aus Drittländern abschrecken könnte. Auf diese Importe ist die EU aber zwingend angewiesen, will sie nicht weiter abhängig von russischem Gasoline sein. Frankreich, das bislang meist mit den Südländern an einem Strang zog, hat sich bisher nicht klar zu dem Thema positioniert.
Wächst die Kluft zwischen Nord und Süd?
Es besteht die Gefahr, dass sich die Kluft zwischen nördlichen und südlichen Ländern beim Thema Energie- und Versorgungssicherheit wieder vertieft. Schon vor dem Ukrainekrieg gab es hier immer wieder Differenzen.
Auch Draghi ist das Dilemma klar: „Wir müssen beim Gipfel Länder überzeugen, die andere Notwendigkeiten und Infrastrukturen als wir haben.“ Im gleichen Atemzug betonte er, wie wichtig der Süden Europas für die grüne Transformation des ganzen Kontinents sei. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien seien die Staaten im Süden „ein Gewinn für die ganze EU“.
Draghi machte aber obendrein klar, dass er sich bei den Herausforderungen Gelder von der EU erhofft: Europa stehe vor „sehr bedeutenden Investitionen in den Verteidigungssektor, die Energiepolitik und den Umweltschutz“. Für jeden Staatshaushalt seien diese Ausgaben zu hoch, daher brauche es „mit äußerster Dringlichkeit“ europäische Antworten.
Schon länger drängt Italien darauf, Ausgaben etwa für die grüne Transformation aus den Verschuldungsregeln der EU herauszurechnen. Nur so kann das Land langfristig von seiner hohen Staatsverschuldung herunterkommen, die derzeit bei 150 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt.
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