Die Geburtenzahl in Südkorea ist an einem Rekord-Tiefpunkt angekommen. Das Land möchte das mit Milliardenprogrammen ändern – ohne Erfolg.
Was mit einer Gesellschaft passiert, die Kinderfeindlichkeit offen auslebt, erfährt gerade Südkorea: Südkoreanische Frauen bekommen 0,72 Kinder im Leben – 2022 waren es noch 0,78 Kinder. Wer sich unter Dreiviertelkindern nichts vorstellen kann: Die Bevölkerungszahl sinkt seit vier Jahren in Folge – damit sie sich stabilisiert, müssten Frauen 2,1 Kinder bekommen. Die Geburtenrate ging 2023 um 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück: 230.000 Babys wurden in Südkorea geboren, 19.200 weniger als im Jahr zuvor. Wenn es so weitergeht, ist die Bevölkerung Südkoreas bis 2100 halbiert.
Bald ist das Verhältnis Arbeiter – Rentner bei eins zu eins
Das heißt: Es gibt weniger Arbeitskräfte und Rekruten, Kitas und Schulen müssen schließen, das Wirtschaftswachstum stockt und das Rentensystem ist in Gefahr. Momentan kommen auf einen Rentner vier Arbeiter, 2060 ist das Verhältnis eins zu eins. In 50 Jahren ist die Hälfte der Bevölkerung älter als 65 Jahre.
Wie es dazu kommen konnte? Kinder gelten vielen in Südkorea als laut, störend, unangenehm. Über 80 „Kinderverbotszonen“ gibt es alleine auf der beliebten Ferieninsel Jeju. An Restaurants und Cafés steht: „Kinder unerwünscht“. Immer wieder wird der Nachwuchs ausgeschlossen.
Kindererziehung ist teuer
Außerdem sind die Kosten für Bildung und Wohnen immens. Sie machen jungen Paaren Angst, Kinder zu bekommen. Nur wer seine Kinder auf Privatschulen schickt, ermöglicht es ihnen, später an den besten Universitäten zu lernen. Dazu kommen zur „Kinderoptimierung“ teure Kurse, von Musik und Sport bis zu Mathematik und Englisch. 20 Milliarden US-Dollar ließen sich die Familien die Ausbildung 2022 kosten – und da sind Kosten für Bücher oder Arbeitsmaterialien noch gar nicht dabei.
Um das Geld dafür zu verdienen, arbeiten Menschen in Südkorea im Durchschnitt 52 Stunden pro Woche, also mindestens 10 Stunden am Tag. Das heißt: Die Eltern haben auch gar keine Zeit, sich um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern. Es gibt zwar eine Elternzeit-Regelung, aber nur 7 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen nehmen sie in Anspruch. Dazu kommt das sehr traditionelle Familienbild: Frauen sollen den Haushalt führen und sich um die Kinder kümmern – auch wenn sie dabei arbeiten und Geld verdienen. Viele junge Frauen entscheiden sich da lieber gleich für eine Karriere.
Geld löst das Problem bisher nicht
Die Politik setzt alles daran, dem Problem der rückläufigen Geburtenrate in Südkorea entgegenzuwirken. Dabei werden auch finanzielle Anreize gesetzt: Paare mit Kindern erhalten subventionierten Wohnraum, Kinderbetreuungsgutscheine sowie Unterstützung bei Krankenhauskosten und Babysitter-Diensten. Zudem werden Unfruchtbarkeits-Behandlungen bezuschusst. Doch trotz dieser Maßnahmen bleibt der erhoffte Erfolg bislang aus. Staatliche Behörden versuchen ihr Glück nun mit Dating-Veranstaltungen, die bisher aber auch nicht zu mehr Hochzeiten oder mehr Geburten führten.
Auch Unternehmen versuchen jetzt, die Lust auf Babys zu wecken: Das Bauunternehmen Booyoung Group in Seoul zahlt seinen Mitarbeitern für jedes Baby umgerechnet 70.100 Euro, auch nachträglich. Angestellte mit drei Babys können sich aussuchen, ob sie das Geld oder eine Wohnung nehmen.
Experten sind aber der Meinung, dass sich alle staatliche Maßnahmen zu sehr auf die Geburtenrate konzentrieren, sich aber nicht um das Leben der jungen Menschen kümmern, wenn diese geboren sind. Erst das würde eine Veränderung bringen, meinen sie.