Berlin Zwischen SPD und Union ist eine heftige Auseinandersetzung darüber entbrannt, wer den Förderstopp für Gebäude mit geringerem Energieverbrauch zu verantworten hat. Der Chefhaushälter der CSU im Bundestag, Sebastian Brehm, ging Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf Twitter scharf an, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (SPD) sieht dagegen in Habecks Vorgänger Peter Altmaier (CDU) den eigentlichen Urheber der Maßnahme.
Brehm machte auf Twitter Habeck verantwortlich. Dieser nenne sich gern Klimaminister. Und jetzt werde von ihm, noch nicht einmal 100 Tage im Amt, das erste KfW-Klimaschutzprogramm gestoppt. Das sei „wirklich skandalös“, schrieb Brehm.
Der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt, warf Habeck vor, einen „krassen Vertrauensbruch“ begangen zu haben. Die Ampelkoalition wolle vorschreiben statt fördern. „Das verteuert das Bauen erheblich und wird zu weniger Bautätigkeit führen“, warnte Dobrindt. Die KfW-Förderregeln müssten wieder in Kraft gesetzt werden“, forderte er. Kühnert konterte die Kritik auf Twitter und sprach von „wirklich grobem Unsinn“.
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„Dass die KfW55-Neubauförderung entfallen sollte, wurde uns Ende Oktober, einen Tag vor Begin der Koalitionsverhandlungen der AG Bauen mitgeteilt.“ Überbringer der Botschaft sei ein Abteilungsleiter des Wirtschaftsministers gewesen. Sein Minister: Peter Altmaier.
Die bereitgestellten Haushaltsmittel reichen nicht
Unterstützung kommt von Bundesbauministerin Klara Geywitz, die das Versprechen der Regierung einlösen muss, für jährlich 400.000 neue Wohnungen zu sorgen. „Es conflict allen Beteiligten klar, dass die KfW-55-Förderung Ende Januar auslaufen sollte“, sagte die SPD-Politikerin dem Handelsblatt. „Das hatte noch das Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier festgelegt.“
Auch der Grünen-Umweltpolitiker Stefan Wenzel verwies auf die Vorgängerregierung. „Jede Förderung braucht eine haushaltsrechtliche Grundlage. Die hatte Herr Altmaier nicht geschaffen“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. „Deshalb werden die Förderprogramme jetzt auf einen aktuellen Stand gebracht und rechtskonform gestaltet.“ Die SPD-Energiepolitikerin Nina Scheer ergänzte: „Wie mit dem Umstand der ausgeschöpften Mittel umgegangen wird, ist noch in Klärung.“
Tatsächlich hatte die alte Bundesregierung noch im November beschlossen, den Förderstandard für ein Effizienzhaus (EH) der Stufe 55 Ende Januar 2022 auslaufen zu lassen. Künftig sollten nur noch Häuser mit der höheren Energiestufe 40 von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau gefördert werden.
Diese Förderung allerdings wurde am Montag ebenfalls gestoppt, weil die derzeit bereitgestellten Haushaltsmittel weder für die eingegangenen, aber noch nicht beschiedenen EH55-Anträge reichten noch für die EH40-Anträge, hieß es im Wirtschaftsministerium.
„Es scheint, dass die Niedrigzinsphase, verbunden mit der Gefahr von Negativzinsen und dem angekündigten Auslauf der KfW-55-Förderung eine starke Überzeichnung ausgelöst hat“, sagte Geywitz weiter. „Das ist prinzipiell ein gutes Zeichen, weil es zeigt, dass die 400.000 Wohnungen zu schaffen sind.“
Die Einstellung der Förderung jetzt sei indes keine gute State of affairs. „Viele Investoren, die auf eine KfW-Förderung gesetzt haben, sind jetzt erst einmal verunsichert“, so die Ministerin. Es sei nun schnell zu klären, was mit den bereits gestellten Anträgen passiere. Es müsse zudem zügig eine Regelung gefunden werden, dass Anträge wieder gestellt werden könnten. Geywitz forderte auch schnelle Klarheit darüber, „ob es wieder eine KfW-40-Förderung geben wird“.
Der Lebenszyklus eines Gebäudes soll einbezogen werden
Mit Blick auf eine neue Fördersystematik fügte die Sozialdemokratin und Vertraute von Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) hinzu: „Mein Wunsch ist, dass wir sowohl den Lebenszyklus eines Gebäudes als auch das Baumaterial in die Betrachtungen einbeziehen.“
In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, Förderungen künftig an den eingesparten Treibhausgas-Emissionen professional Quadratmeter Wohnfläche ausrichten zu wollen. Weitere Einzelheiten stehen bislang nicht fest. Doch der Ruf nach einer Übergangs- und Anschlussregelung wird lauter. Das BMWK versprach zunächst, über die Zukunft des KfW-Förderstandards werde „zügig“ entschieden.
„Klar ist, das KfW-Programm zur energetischen Sanierung soll so bald wie möglich wieder aufgenommen werden“, schrieb Habecks Staatssekretär Patrick Graichen auf Twitter. Dies solle aber nicht für Effizienzhäuser 55 gelten, die stattdessen zum Neubaustandard erklärt würden und keine Förderung mehr erhielten.
Wohnungs- und Hausbauer, deren Förderanträge noch nicht bewilligt wurden, ließ das Ministerium bislang im Ungewissen. „Wie wir genau mit den vorliegenden, noch nicht beschiedenen Anträgen umgehen und wie es beim EH40-Neubauprogramm weitergehen soll, ist zu entscheiden“, erklärte Graichen.
Er verwies darauf, dass die Finanzmittel begrenzt seien und auch in anderen Bereichen Fördermittel benötigt würden: „Denn der Energie- und Klimafonds ist nun mal endlich, und es gibt auch hohe Mittelbedarfe für Klimaschutz in Verkehr und Industrie.“
Die Wirtschaft übte auch am Dienstag scharfe Kritik. Die sofortige Einstellung der KfW-Klimaschutzförderungen sei „den Klimaschutzzielen abträglich und geradezu widersinnig“, sagte der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke. „Unverständlich und nicht akzeptabel ist, dass in einer derartigen Nacht-und-Nebel-Aktion Finanzierungsplanungen über den Haufen geworfen werden für Projekte, die vielfach sogar bereits beschieden sind.“ Damit würden langfristige Investitionen gerade im energieeffizienten Gebäudeenergiebereich blockiert, der für das Erreichen der CO2-Minderungs- und Klimaschutzziele so wichtig sei.
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