In Australien sind zwei Säuglinge bei einer „Wildgeburt“ gestorben. Das Paar hatte sich während der Schwangerschaft bewusst gegen medizinische Hilfe entschieden.
Experten haben den Tod von zwei Neugeborenen im australischen Küstenort Byron Bay als „völlig vermeidbar“ eingeschätzt. Die Zwillinge starben bei einer „wilden Geburt“. Demnach war zum Zeitpunkt der Geburt weder ein Arzt noch eine Hebamme anwesend. Davon berichtet unter anderem der australische „Daily Telegraph“.
Die Zwillinge wurden offenbar zu früh geboren. Die Mutter sei in der 23. Schwangerschaftswoche gewesen, hieß es. Der erste Säugling war den Berichten zufolge schon bei der Geburt tot. Der zweite sei lebend zur Welt gekommen, später aber dann in einer nahegelegenen Klinik gestorben. Die Polizei hat eine Untersuchung eingeleitet. Bislang wurde keine Anklage erhoben.
Die Eltern des Kindes hatten sich dafür entschieden, während der Schwangerschaft und Geburt keine medizinische Hilfe einzuholen. Es habe weder Ultraschalluntersuchungen noch Herzschlagkontrollen gegeben. Den Berichten zufolge wusste das Paar wahrscheinlich nicht, dass die Frau mit Zwillingen schwanger war.
Eine medizinische Quelle sagte gegenüber dem „Daily Telegraph“, dass der Tod der Babys unnötig gewesen sei. Vor allem das zweite Kind hätte demnach im Krankenhaus eine Überlebenschance gehabt.
Risikanter Trend
„Wildgeburten“, die auch als Freigeburten oder Do-it-yourself-Geburten (zu Deutsch etwa: Mach es selbst-Geburten) bezeichnet werden, sind Berichten zufolge mindestens seit der Covid-Pandemie ein wachsender Trend. Einige Befürworter dieser Methode glauben, dass medizinische Hilfe während der gesamten Schwangerschaft, einschließlich Ultraschall, dem Baby schaden kann.
Auch während der Entbindung ist kein medizinisches Fachpersonal anwesend. Viele der Paare stellen eine sogenannte Doula ein, eine alternative Geburtshelferin, die emotionale Unterstützung und Beratung bietet, aber nicht medizinisch ausgebildet ist.
Eine australische Facebook-Gruppe für Eltern, die eine „wilde Geburt“ anstreben, beschreibt sich selbst als „Raum für Frauen, die sich für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ohne fremde Hilfe einsetzen“. Dort heißt es: „Beratungsgespräche sind sehr gering und Sie werden dabei unterstützt, die Geburt nach Ihren Vorstellungen zu gestalten“.
Hohe Risiken
Experten warnen immer wieder vor den Risiken von Geburten ohne medizinische Unterstützung. Nach Angaben des American College of Obstetricians, einer gynäkologisch-geburtshilflichen Fachgesellschaft, treten bei etwa 20 Prozent aller zuvor als normal eingestuften Schwangerschaften Komplikationen im Verlauf der Wehen auf, die zu Risikosituationen mit schweren oder gar tödlichen Folgen für Mutter und Kind führen können.
Es gibt keine gesicherten Statistiken dazu, wie viele Frauen sich für eine solche Art der Geburt entscheiden, da sie außerhalb des Gesundheitssystems stattfinden. Laut Forschungsergebnissen verschiedener Studien aus mehreren Ländern ist die Popularität von Hausgeburten und der Doula-Unterstützung in den vergangenen Jahren gestiegen, da Frauen nach Optionen suchten, die ihnen mehr Kontrolle und ein persönlicheres Geburtserlebnis bieten.
Das reguläre Gesundheitssystem erfülle Bedürfnisse nach kontinuierlicher Betreuung und nicht-medizinischen Geburten nicht. Viele dieser Frauen gaben auch an, dass ein früheres traumatisches Geburtserlebnis in einer Klinik ihre Entscheidung beeinflusst habe.
Wie sicher sind Hausgeburten?
Auch einige Einheimische in Byron Bay, im Norden des Bundesstaats New South Wales, praktizieren offenbar solche alternativen Methoden. Schon immer gab es in der Region eine hohe Rate an Hausgeburten, die im Unterschied zu den Freigeburten zumindest von einer ausgebildeten Hebamme begleitet werden. In Australien sowie auch in Deutschland haben Frauen das Recht auf eine freie Wahl des Geburtsortes. Hebammen dürfen laut Hebammengesetz Schwangerschaften begleiten und Geburten ohne ärztliche Hilfe betreuen und entbinden.
Wie sicher Hausgeburten tatsächlich sind, ist umstritten. Eine Übersichtsstudie aus dem Jahr 2010 kam zu dem Ergebnis, dass Haus- und Krankenhausgeburten ähnliche Sterblichkeitsraten, Hausgeburten jedoch eine signifikant höhere Sterblichkeitsrate für Neugeborene haben.
Laut einer aktuellen Studie aus den USA ist das Sterberisiko für Neugeborene nach einer Hausgeburt mehr als dreimal so hoch wie nach einer Geburt im Krankenhaus. Es kommt jedoch auf die Art der Schwangerschaft an: Bei Frauen mit niedrigem Risiko ist die Wahrscheinlichkeit des Todes eines Neugeborenen bei einer Hausgeburt laut einer kanadischen Studie ähnlich niedrig wie im Krankenhaus.