Die Absetzbewegungen von der Plattform X gehen weiter. Jetzt gibt das ZDF Konten auf, die auf Twitter Kultstatus hatten.
Der Jüngste macht das Licht aus: Mainzelmännchen Conni zieht an einer Kordel an der Nachttischlampe, es wird dunkel und er dreht sich auf die Seite zum Schlafen. Zu sehen ist das seit ein paar Tagen im Account @ZDF auf der Plattform X. Das Konto wird dauerhaft schlafen geschickt, das ZDF zieht sich weitgehend von dem Netzwerk zurück. Das trifft auch andere Accounts wie den des „Aktuellen Sportstudios“ oder des Satiremagazins „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann.
Damit endet eine Geschichte, die dem ZDF sehr viele Sympathien und Anerkennung eingebracht hatten. Als noch kaum jemand in Deutschland von Twitter redete, hatten sich zwei Kumpels (damals 25 und 26 Jahre) den Account @ZDFonline gesichert und ungefragt von Juni 2009 an im Namen des ZDF getwittert – und das sehr erfolgreich. Das ZDF bekam viel Lob für seinen Guerilla-Account, der den Sender nahbar und auch witzig wirken ließ, für die beiden ZDF-Fans wurde es zu einem beruflichen Sprungbrett: Den einen, Marco Bereth, heuerte das ZDF fest an, der andere, Michael Umlandt, wurde einer der ersten Mitarbeiter des damaligen Twitter in Deutschland.
Umlandt ist heute Geschäftsführer der von ihm gegründeten Medienproduktionsfirma Haylandt – und findet es richtig, dass das ZDF den Account mit 1,4 Millionen Followern aufgibt, den er mit viel Herz und Liebe aufgebaut hat. t-online sagt er: Mit den Änderungen durch Elon Musk habe das Netzwerk sich so geändert, dass eine wichtige Funktion neben der Verbreitung von Informationen verloren gegangen sei: „Die Kanäle des ZDF dienten auch dem Austausch mit Followern und Followerinnen. Dies funktioniert seit der Übernahme nicht mehr.“
Ex-Twitter-Mitarbeiter: „Twitter Abwasserkanal des Internets“
Er erklärt das mit dem Abo-Modell: „Entgegen Musks Versprechen von ‚Free Speech‘, also freier Meinungsäußerung, baut er Twitter so um, dass extremistische Minderheiten mit Premium-Produkten, mit denen Reichweite gekauft wird, die Diskussionen bestimmen.“ Unter Tweets werden prominent die Antworten der Abonnenten gezeigt, die für Twitter Blue zahlen. Und das sind zum Großteil nicht die Normalnutzer, die nicht bereit sind, Geld fürs Plaudern zu zahlen: „Für das ZDF wäre deshalb eine weitere Nutzung schlicht eine Einbahnstraße“, sagt Umlandt. „Eine Plattform, die zum Teil schon immer kritisch betrachtet wurde, entwickelt sich seit der Übernahme durch Elon Musk zum Abwasserkanal des Internets.“
Das ZDF wird in einer Antwort auf eine t-online-Anfrage nicht so deutlich. Das kontinuierliche Controlling der Social-Media-Aktivitäten erfolge auch mit Blick auf die Entwicklung der jeweiligen Plattform. Eine Sprecherin erklärte, man werde auch weiterhin mit einem Nachrichtenangebot und mit Unternehmensnews auf X vertreten sein. Das bedeutet offenbar: @ZDFPresse hat eine Bestandsgarantie, und @ZDFHeute sowie @heutejournal wird es auch weiter geben – viele andere Accounts nicht mehr.
Fest steht: @ZDFMagazin, das Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ begleitet, twittert nicht mehr an die mehr als 800.000 Follower, das Spiel ist abgepfiffen fürs Aktuelle @Sportstudio (620.000), und von @MaybritIllner (70.000 Follower) gibt es auf X keine Ausschnitte aus der Sendung mehr. Von Oliver Welkes @heuteshow (1,7 Millionen Follower) gibt es bisher noch kein Signal, und das ZDF hüllt sich in Schweigen, aber auch hier steht offenbar das Aus an.
ARD kündigte schon 2023 Schließung vieler Accounts an
Die Mainzer Sendeanstalt geht damit noch weiter als die ARD. Nach einer Konferenz der Intendanten hatte der SWR-Intendant und ARD-Vorsitzende Kai Gniffke vor fast einem Jahr geschrieben: „Man muss sich auch fragen, wie lange man noch für eine leider sterbende Plattform wie Twitter Ressourcen aufwenden möchte.“ Die ARD beschloss das Aus für ein Viertel der 900 Accounts auf den verschiedenen Plattformen, X war besonders betroffen, bekannte Marken behielten aber weitgehend ihre Auftritte.
Das Sterben der ZDF-Accounts wird vor allem in der „Querdenker“-Szene als ein Triumph und ein Einknicken gegenüber fanatischen Maßnahmenkritikern gesehen, die auch lange nach dem gefühlten Ende der Pandemie noch fiebrig schreiben. Vermeintliche Enthüllungen zur Pandemie und Politik würden dazu führen, dass jetzt verschämt alte Texte gelöscht und die Accounts aufgegeben werden.
Nur: Löschen müssen die Sender Beiträge nach zwei Jahren, weil die von Rundfunkabgaben finanzierten Medien zum Schutz kommerzieller Medienangebote Texte nur für einen befristeten Zeitraum veröffentlichen dürfen. Und der Rückzug der Accounts und vermeintliche Corona-Enthüllungen? „Diese Verbindung gibt es nicht“, heißt es dazu vom ZDF nur knapp.