Die Krankheitswelle rollt: Insbesondere die Zahl der Grippefälle steigt extrem. Der Chef des Hausärzteverbandes blickt sorgenvoll auf die kommenden Monate.
Grippe, Erkältungen und Corona-Infektionen: Seit Wochen fordert die hohe Zahl an Atemwegserkrankungen die Arztpraxen in Deutschland stark heraus. Die Folgen sind laut Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärzteverbandes, für alle spürbar: „Termine werden immer knapper, die Wartezeiten nehmen kontinuierlich zu. Für die Versorgung des Einzelnen bleibt immer weniger Zeit“, sagt er t-online. Und das, obwohl die Grippewelle gerade erst an Fahrt aufnimmt.
Grippe-Fallzahlen haben sich fast verdoppelt
Wie aus dem aktuellen Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht, ist die Zahl der im Labor bestätigten Grippefälle in der Woche bis 28. Januar nochmals deutlich gestiegen. Demnach wurden fast 25.000 Grippeerkrankungen registriert – nahezu doppelt so viele wie in der Vorwoche. Die Dunkelziffer liegt wohl um einiges höher.
Unabhängig von einem Arztbesuch wird laut RKI geschätzt, dass vorige Woche etwa 6,1 Millionen akute Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung auftraten. In der Vorwoche waren es 5,5 Millionen.
Dennoch: Anfang Dezember waren die Zahlen bereits deutlich höher. „In der Zeit um den Jahreswechsel kam es zu einem – für diesen Zeitraum typischen – leichten Rückgang der Fälle von Atemwegsinfekten, der mit der Kontaktreduktion über die Schulferien und Feiertage einhergeht“, erklärt Verbandschef Beier t-online. Nun aber meldeten die Praxen, dass seit einigen Wochen die Zahl der Grippefälle spürbar ansteige. Und erfahrungsgemäß sei damit zu rechnen, dass die Grippewelle noch andauere.
Dr. Markus Beier
ist Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes und Facharzt für Allgemeinmedizin.
Niedrige Impfquote verschärft das Problem
Hinzu kommt laut Beier wie jedes Jahr eine weitere Herausforderung: Die Impfquote sei insgesamt deutlich zu niedrig. „In der Regel ist die Empfehlung, sich die Grippeimpfung bis Mitte Dezember abzuholen. In wenigen Einzelfällen kann aber auch jetzt eine Grippeimpfung noch Sinn ergeben, vor allem bei bestimmten Hochrisikopatienten.“ Das sollte jeweils mit der Hausärztin oder dem Hausarzt besprochen werden.
Auch das Masketragen zum Schutz vor Krankheitserregern kann wieder sinnvoll sein. „Insbesondere vulnerablen Gruppen empfehlen wir, sich in Situationen, in denen viele Menschen in Innenräumen eng beisammen sind, sich mit einer FFP2-Maske zu schützen“, sagt Beier t-online.
Vielen Praxen könnte schon bald das Aus drohen
Dass die Hausarztpraxen unter absolutem Hochdruck arbeiten, sei schon länger der Fall, beklagt der Facharzt für Allgemeinmedizin. Daran sei nicht nur die aktuelle Infektionswelle schuld. Die hohe Belastung der Ärzte sei auch Folge struktureller Probleme im Gesundheitswesen. „Die Nachfrage nach hausärztlicher Versorgung steigt von Jahr zu Jahr, während gleichzeitig immer weniger Hausärztinnen und Hausärzte zur Verfügung stehen“, sagt Beier.
Abhilfe sieht er ganz klar bei der Politik: „Umso wichtiger ist es, dass die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigten Reformen zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung jetzt endlich auch umgesetzt werden“, fordert er. „Noch einen solchen Winter unter diesen Rahmenbedingungen werden viele Hausarztpraxen nicht mehr stemmen können.“
Trotz dieses düsteren Ausblicks hebt der Verbandschef eine Sache positiv hervor: Die telefonische Krankschreibung, die seit Dezember 2023 wieder gilt, habe sich bewährt und sei im Praxisalltag eine spürbare Erleichterung. „Am Ende des Tages reicht das aber natürlich nicht aus, um den enormen Versorgungsdruck wirklich in den Griff zu bekommen. Sie kann nur eine Maßnahme von vielen sein“, so Beier.