In Brandenburg, Sachsen und Thüringen machen die extremsten Verbände der AfD Wahlkampf. Sie alle setzen auf das harmlos klingende Format „Familienfeste“. Was soll das?
Es ist Freitagnachmittag und 30 Grad heiß, die Sonne sengt. Auf dem Marktplatz in Frankfurt an der Oder haben sich rund 200 Menschen versammelt. Sie sitzen auf Bierbänken oder drücken sich stehend in den Schatten, den blaue Pavillons spenden. Es ist eine Wahlkampfveranstaltung der AfD Brandenburg, gleich wird hier ihr Spitzenkandidat Christoph Berndt auftreten.
Aus einem Wagen direkt neben der Bühne werden Getränke und Essen verkauft. Bier kostet drei, die Gänsebratwurst vier Euro. Die rechtsextreme Junge Alternative (JA) preist auf einem Schild „Kinderschminken mit der JA Brandenburg“ an. Nur ein paar Schritte weiter steht der Ballermann-Sänger und Corona-Aktivist Björn Banane auf der Bühne und singt: „Irgendwann ist wirklich mal genug – wir stehen auf und kämpfen bis zum letzten Atemzug.“
Kinderschminken, Wurst und Widerstand – auf diese Mischung setzt die AfD in ihrem Wahlkampf in Ostdeutschland. Drei der extremsten Landesverbände der Partei sind hier gerade auf Stimmenfang, sie alle werden wegen demokratiefeindlicher Bestrebungen vom Verfassungsschutz eng beobachtet. Doch sie bewerben ihre Veranstaltungen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gleichermaßen unter einem Titel: „Familienfeste“.
Dabei sind kaum junge Besucher gekommen. Nur ein schlaksiges Mädchen pinselt am JA-Schminkstand kleine Steine bunt an. Die meisten anderen Besucher sind über 40, zum großen Teil weit darüber.
Jede Menge Widersprüche also: Rechtsextremisten, die zum so harmlos klingenden „Familienfest“ einladen. Dann aber sind gar kaum Kinder und Familien da. Was soll das?
Der Name „Familienfest“ habe im AfD-Marketing vor allem eine Funktion, sagt der Sozialwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte David Begrich im Gespräch mit t-online. In Ostdeutschland sei Skepsis gegenüber Parteien und politischen Veranstaltungen nämlich besonders weit verbreitet. „Das Label ‚Familienfest‘ soll beim Publikum die Hemmschwelle senken, zu kommen.“
Zielgruppe seien dabei nicht etwa Kinder oder Jugendliche – letztere erreiche die AfD eher mit einer sehr gezielten Strategie in den sozialen Medien. Angesprochen werden solle vielmehr die mittlere ostdeutsche Generation in kleinen und etwas größeren Städten, die oft weniger internetaffin sei – manchmal auch, weil ihnen ein stabiler Internetzugang fehle.
Dabei gelte: „Je kleiner die Stadt ist, in der die AfD ihren Wanderzirkus aufbaut, desto deutlicher ist das Momentum im Sozialraum“, so Begrich. Wenn in einer Kleinstadt 300 Leute zusammenkämen, dann sei das schließlich ein Ereignis, über das man sich auch Wochen später noch unterhalte – ganz egal, ob man für oder gegen die AfD ist. „Die AfD dominiert so den öffentlichen Meinungsraum noch lange nach der Veranstaltung.“
Der Ton in Frankfurt an der Oder ist vertraulich, immerhin dazu passt der Name „Familienfest“. Man kennt sich, man mag sich – oder kommt zumindest für ein paar Stunden miteinander aus. „Sag ruhig ‚Du‘, das machen wir hier alle“, sagt eine 59-jährige Erzieherin. Sie ist extra aus Berlin angereist und will morgen gleich die nächste Veranstaltung mit Berndt in Königs Wusterhausen besuchen.
Früh schon habe sie sich der AfD zugewandt, erzählt die Frau. Die Corona-Zeit, in der sie oft demonstrieren war, habe sie noch stärker überzeugt, dass sie die einzig richtige Partei für sie sei. Die Frau zeigt auf die Bühne, auf der gerade der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré spricht. „Kennst du seine Familie? Die ist so süß!“, sagt sie verzückt.
Kotré zählt zum rechtsextremen Flügel in der AfD, ist bekannt für harte Russland-Propaganda, Klimawandel-Leugnung und Ausländerfeindlichkeit. Auf AfD-Veranstaltungen ist er oft zusammen mit seiner Frau Lena Kotré, die gerade für die AfD für den Landtag kandidiert. Kotré schiebt dabei meist den kleinen Sohn im Kinderwagen vor sich her. Ein Bild, das offenbar verfängt.