vor dem Verfassen dieses Weckdienstes habe ich mich längere Zeit gefragt, ob es wieder ein Corona-Ampel-Block zu Beginn sein soll. Da uns das Thema erhalten bleibt, fiel die Wahl auf einen anderen Vorgang: den wahrscheinlich bevorstehenden Sturz des Volkswagen-Cooks Herbert Diess.
Er hat sich unter steter Hervorbringung des Warnrufs „Tesla! Tesla!“ sowie Szenarien zum Abbau von 35.000 Jobs in Wolfsburg wie das Rumpelstilzchen der Autobranche durch Werkhallen und Büros bewegt. Die Fragen waren berechtigt, die Antworten dürftig, die Methoden medioker.
Nach intensiven Debatten konnten sich die High-Aufsichtsräte der Familien Porsche und Piëch und das Spitzenpersonal des Landes Niedersachsen und der Arbeitnehmerbank nicht auf einen Kompromiss über das Verbleiben des 63-Jährigen einigen, enthüllt unsere Titelgeschichte. Wie es aussieht, wird Diess erhobenen Hauptes vom Schlachtfeld reiten, ein paar Blutspritzer auf der Rüstung.
Für Dramatik sorgte die ominöse VW-Aufsichtsratssitzung vom 24. September – Stoff für ein Dramolett:
Der Aufsichtsratschef: Meine Damen und Herren, blocken Sie bitte die Sitzungstermine für 2022 und 2023. Ist noch etwas? Wir sind ja durch, Zeit für einen kleinen Lunch.
Der Vorstandschef: Ich bin tief bewegt, auch wegen der gestrigen Sitzung mit dem Präsidium. Da bin ich auf meine Pläne für den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen angesprochen worden. Alle wissen, der Umbau hier läuft nicht schnell genug. Zeit ist kostbar.
(Eisige Stille).
Aufsichtsrat Stephan Weil: Der Aufsichtsrat hat jedem sinnvollen Vorschlag des Vorstands zugestimmt. Aber das hier? Ist stillos. So kann man nicht miteinander umgehen.
Die Betriebsratschefin: Was ist das für eine Artwork, hinter dem Rücken des Aufsichtsrats solche Vorbereitungen zu treffen?
Aufsichtsrat Bernd Althusmann: Herr Diess, Sie sollten sich lieber um das Klumpenrisiko China kümmern.
Der Aufsichtsratschef: Herr Diess, bitte nehmen Sie doch draußen Platz.
(Der Aufsichtsrat redet lange weiter. Man beschließt, die Zahl 35.000 dürfe keinesfalls bekanntwerden. Das Essen fällt aus.)
Nach so viel Wirtschaftstheater nun das Neueste aus dem „Instrumentenkasten“ der Politik zur Pandemiebekämpfung: Die Impfpflicht. Zur Causa hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein Gutachten bei der Kanzlei Oppenländer beauftragt, aus dem die „Frankfurter Allgemeine“ zitiert: „Eine allgemeine Impfpflicht kann verfassungsrechtlich zulässig eingeführt werden. Der Bund hat hierfür die Gesetzgebungskompetenz. Es darf kein Impfzwang eingeführt werden und es muss Ausnahmen von der Impfpflicht geben.“ Ein Verstoß könne mit Bußgeldern bis zu 2500 Euro bestraft werden.
Im Handelsblatt-Gespräch erklärt Niedersachsen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): „Verstöße werden sicher mit Bußgeldern sanktioniert werden. Eine allgemeine Impfpflicht könnte die Impfquote wesentlich erhöhen.“ Im Übrigen zeigt sich Weil froh über das Ende des Interregnums zwischen Merkel und Scholz: „Ein Land lässt sich nicht zwischen Baum und Borke regieren.“
Womit wir additionally bei Olaf Scholz sind, dem Gestalter der Stunde, dem plötzlichen Medienstar, der Alt-Klischees über den „Scholzomat“ vergessen macht. Gestern erschien er überraschend und reside bei den ProSieben-Spaßvögeln „Joko und Klaas“. Scholz sprach einsam und eindringlich mit starrem Blick in die Kamera: „Mir ist wichtig, dass jede und jeder, der kann, sich impfen lässt. Nur das hilft.“ Die Linie der delicate oder schwer von Covid Getroffenen verlaufe nicht mehr zwischen Alten und Jungen, sondern zwischen Geimpften und Ungeimpften.
Er wisse, dass viele unter Einsamkeit leiden, dass es wieder losgehen müsse mit dem Leben, der Unbeschwertheit: „Niemandem geht es einfach nur intestine in diesen Zeiten. Mir nicht, Ihnen und Euch nicht.“ Der Mann, der bis Weihnachten bis zu 30 Millionen Dosen verimpfen lassen will, holte sich mit diesem Auftritt viel Respekt ab.
In der Wochenpublikation „Die Zeit“ kündigt er einen anderen Regierungsstil an. Er werde die Kabinettssitzungen später beginnen lassen, „um vorher Raum für ein Gespräch abseits der Tagesordnung zu haben“. Und bei gegebenem Anlass werde er sich „immer auch direkt an die Bürgerinnen und Bürger wenden“. Einfach Machen, keine Present. Diese Scholz-Strategie könnte auf Franz von Assisi zurückgehen: „Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche.“
Eine Visitenkarte gibt auch die designierte Außenministerin Annalena Baerbock ab. „Dialog ist der zentrale Baustein internationaler Politik. Aber das heißt nicht, dass man Dinge schönreden oder totschweigen muss“, sagt die Grünen-Chefin der „taz“. Für sie sei wertegeleitete Außenpolitik „ein Zusammenspiel von Dialog und Härte“.
Die Volksrepublik China darf sich additionally auf harte Töne gefasst machen, nicht mehr auf dieses „beredte Schweigen“, das Baerbock in der bisherigen China-Politik sah. Sie schlägt bei Produkten aus Regionen wie Xinjiang sogar Importbeschränkungen für den europäischen Binnenmarkt vor und bringt einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking auf.
Den parteiinternen Streit über Ministerämter will sie möglichst bald hinter sich lassen und kündigt an, Fraktionschef Anton Hofreiter werde „im Bundestag eine starke Rolle spielen“. Vielleicht battle dieser Beitrag eher etwas für die Satireseite: Wenig später wurde publik, dass sich der zur Parteilinken zählende Hofreiter aus der Fraktionsführung zurückzieht.
Die Explosion einer alten US-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg nahe des Münchener Hauptbahnhofs wird zum Fall für die Polizei. Untersucht wird, ob es vor den Bagger- und Bohrarbeiten die übliche Kampfmittelsondierung gab und ob sie intensiv genug battle. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wundert sich: „Normalerweise wird auf solchen Baustellen vorab immer intensiv sondiert, wo noch Blindgänger versteckt liegen könnten.“
Bei dem Zwischenfall – 110 Kilogramm TNT explodierten – wurden vier Personen verletzt, davon eine schwer. Die Bahn erklärt, grundsätzlich bei Bauarbeiten „höchste Sicherheitsstandards“ anzulegen.
Für viele Investmentbanker battle 2021 ein sehr gutes Jahr. Die Erträge sprudelten. Fraglich nur, ob das Jahr nach Verteilung der Boni-Gelder auch noch positiv gesehen wird. In den Geldhäusern hat der Streit um die Beute begonnen, insbesondere bei der Deutschen Financial institution. Die Prämien könnten um 10 bis 15 Prozent steigen, heißt es in der Analyse meiner Frankfurter Kollegen aus dem Finanzressort. Es sei aber die entscheidende Frage, ob das reiche, die besten Talente und Highflyer zu halten.
2020 hatte die Europäische Zentralbank wegen der Coronakrise um Mäßigung gebeten. Doch die „Deutsche“ hatte am Ende, inklusive Halteprämien, Boni in Höhe von 2,14 Milliarden Euro gewährt. Diesmal geht enormer Druck von den sehr intestine verdienenden US-Banken aus, die zuletzt sogar Einstiegsgehälter für Finanz-„Rookies“ auf mehr als 100.000 Greenback aufstockten. Eine ganz andere Sache aber ist, der Öffentlichkeit zu erklären, warum sich in Krisenzeiten Investmentbanker das Sackerl weit mehr als andere füllen.
Und dann ist da noch der Große Zapfenstreich, tönendes Lebewohl für verdiente politische Stammkräfte, den heute Bundeskanzlerin Angela Merkel vor 200 Gästen genießen darf. Dirigent und Oberstleutnant Reinhard Kiauka mäkelt ein wenig, nur neun Tage Vorlauf gehabt zu haben, das sei „sportlich“. Leicht fiel dem Stabsmusikcorps das Einspielen des Kirchenlieds „Großer Gott, wir loben Dich“, schwerer schon battle Hildegard Knefs „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Und als ganz besonders anspruchsvoll erwies sich „Du hast den Farbfilm vergessen“ – damit hatte die zunächst auf Schlagersängerin trainierte, später als Punk-Diva erfolgreiche Nina Hagen 1974 in der DDR einen Hit gelandet.
Die 66-Jährige hatte selbst nicht geglaubt, dass der Tune über Sommer, Intercourse und Strand auf Hiddensee irgendwie kanzlerinnenreif sei. Aber schließlich handelt es sich ja um den frühen Abgesang auf ein Land, das auch Merkels battle: „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael / Nun glaubt uns kein Mensch, wie schön’s hier battle haha, haha / Du hast den Farbfilm vergessen bei meiner Seel‘ / Alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr.“
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag in allen Farben.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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