Paris Der französische Arbeitgeberverband Medef wird ungeduldig. In zwölf Wochen findet im Nachbarland die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt, doch Themen, die den Unternehmen wichtig sind, spielen in der politischen Debatte bislang keine Rolle. „Die Präsidentschaftswahl sollte der Second sein, über die Wirtschaftsprogramme der Kandidaten zu sprechen“, sagte Verbandschef Geoffroy Roux de Bézieux am Montag. „Man muss erkennen, dass das quick nicht der Fall ist.“
Dabei steht die zweitgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union vor großen Herausforderungen. In der Pandemie sind die Staatsschulden auf einen Rekordwert gestiegen. Es gibt einen großen Investitionsbedarf, vor allem im Hinblick auf den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Wichtige Strukturreformen etwa des Rentensystems sind auch unter Präsident Emmanuel Macron liegen geblieben.
Schließlich hat sich die in Frankreich gehegte Hoffnung zerschlagen, dass der Anstieg der Inflation nur ein vorübergehendes Phänomen sei. Die Arbeitgeber warnen vor den Folgen für die Kaufkraft der Bevölkerung und den staatlichen Schuldendienst. „Die Zinsen werden steigen“, sagte Roux de Bézieux. „Die schmerzlose Zeit der öffentlichen Verschuldung ist vorbei.“
Eine inhaltliche Grundlage für die Debatte existiert durchaus: Die Kandidaten stehen für mehr oder weniger klar ausformulierte Positionen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Ihre Programme unterscheiden sich zum Teil deutlich. Die Themen im Wahlkampf sind aber andere: Die Franzosen diskutieren emotional über den Umgang mit Ungeimpften, den Kampf gegen Kriminalität sowie über Migration und Fragen der nationalen Identität.
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Der Cercle des Économistes, ein Zusammenschluss von einflussreichen französischen Ökonomen, vermisst weniger als drei Monate vor der Wahl eine politische Auseinandersetzung über die künftige wirtschaftliche Ausrichtung des Landes. „Diese muss ins Zentrum der Debatten rücken, die sich bislang um Fragen der Pandemie, der inneren Sicherheit und der Einwanderung drehen“, forderte Jean-Hervé Lorenzi, der den Zirkel der Wirtschaftsweisen Anfang der 1990er-Jahre gegründet hatte.
Auch Mitglied Patrice Geoffron, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Paris Dauphine, zeigte sich „erstaunt über die Abwesenheit“ von ökonomischen Fragestellungen.
Ein stärkerer Fokus auf die Wirtschaft käme Macron gelegen, der seit Monaten seine Bilanz in diesem Bereich anzupreisen versucht. Kaum eine Gelegenheit lässt der Präsident aus, um den Bürgern zu erklären, dass er das Land intestine durch die Coronakrise geführt habe. Frankreich lag 2021 mit einem Wachstum von mehr als sechs Prozent in der europäischen Spitzengruppe. Die Arbeitslosigkeit sinkt.
Auch den Anstieg bei den Investitionen ausländischer Unternehmen führt Macron auf seine Politik zurück, etwa die Flexibilisierung des Arbeitsrechts sowie Steuersenkungen für Firmen und bei Kapitaleinkünften. Anfang Januar deutete Finanzminister Bruno Le Maire bei einer Veranstaltung mit Unternehmern an, dass Macron und sein Mitte-Bündnis bei einer Wiederwahl weitere Steuervergünstigungen für die Industrie planen.
Offiziell hat der Präsident noch nicht erklärt, eine zweite Amtszeit anzustreben. Doch Zweifel daran gibt es nicht. Im Herbst hatte er eine Artwork „Agenda 2030“ für Frankreich vorgestellt und „huge Investitionen in unsere Improvements- und Industriestrategie“ versprochen. 30 Milliarden Euro sollen in den kommenden fünf Jahren vor allem in den grünen und digitalen Umbau der Wirtschaft fließen.
Die Rückkehr zu einer größeren Haushaltsdisziplin muss aus Macrons Sicht warten. In der Pandemie conflict die französische Staatsschuld auf rund 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. In absoluten Zahlen liegt die Verschuldung in Frankreich bei 2,8 Billionen Euro, quick ein Viertel des Gesamtstands in der Euro-Zone.
Macron „fackelt die Staatskasse ab“ – diesen Vorwurf erhebt die Kandidatin der bürgerlich-konservativen Republikaner, Valérie Pécresse. Sie will die Staatsverschuldung bis 2027 auf 100 Prozent des BIP senken, unter anderem mit der Streichung von zehn Prozent der Stellen in der öffentlichen Verwaltung. Zu den Kernpunkten von Pécresse gehört auch, das allgemeine Renteneintrittsalter von 62 auf 65 Jahre anzuheben. Wie Macron verspricht sie weitere Steuersenkungen für die Unternehmen, aber auch eine geringere Steuerlast für Erbschaften.
Rechtspopulistin Le Pen buhlt um sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen
Die Rechtspopulistin Marine Le Pen versucht insbesondere bei Wählern mit niedrigerem Einkommen zu punkten. Deren Kaufkraft soll sich etwa durch niedrigere Verbrauchsteuern bei Energie und Benzin verbessern. Die unter Macron abgeschaffte Vermögensteuer will Le Pen wieder einführen. Für die Rechtspopulistin conflict ihre ökonomische Glaubwürdigkeit eine der größten Schwachstellen bei ihrer Niederlage gegen Macron vor fünf Jahren. Radikale Positionen wie einen Austritt Frankreichs aus dem Euro hat sie geräumt.
Zwischen Macron, Pécresse und Le Pen dürfte sich der Kampf um den Élysée-Palast im April entscheiden. Der Amtsinhaber liegt in den Umfragen für den ersten Wahlgang mit rund 25 Prozent klar vorn. Um den zweiten Platz in der Stichwahl ringen Pécresse und Le Pen mit je 16 bis 17 Prozent. Meinungsforscher sehen Macron auch in der zweiten Runde als Favoriten, bei einem Duell mit Pécresse könnte es für den Präsidenten aber knapp werden.
Das linke Lager ist derweil zersplittert, keinem der Kandidaten wird eine ernsthafte Probability auf die Stichwahl oder gar den Élysée-Palast eingeräumt. Die Kandidatin der Sozialisten, Anne Hidalgo, versuchte mit einem 50-Milliarden-Euro-Paket in die Offensive zu kommen. Sie versprach Investitionen in den Sozialbereich und eine Anhebung des Mindestlohns um 15 Prozent. Doch die frühere Volkspartei dümpelt in Umfragen bei zwei bis drei Prozent.
Viel Verteilungsspielraum gebe es nicht, mahnt die Banque de France. Der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau rief die Kandidaten auf, mit Steuersenkungen oder Ausgabenerhöhungen vorsichtig zu sein. „Die Realität ist, dass unser Land weder für das eine noch das andere die Mittel hat“, sagte er. „Die Schuldensituation sollte uns beunruhigen.“
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