Der Konzern hat seine Chefs bisher vorwiegend aus den eigenen Reihen besetzt.
(Foto: AP)
Der 8. Februar 2023 wird als revolutionärer Tag in die Bayer-Geschichte eingehen. Künftig sind die beiden wichtigsten Positionen des Pharma- und Agrarchemiekonzerns erstmals nicht von „Eigengewächsen“ aus dem Management besetzt. Die Ernennung von Bill Anderson zum neuen CEO durch Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann ist ein klarer Kulturbruch.
Dieser Bruch ist gewollt – und durch diesen Schritt hat die Bayer AG tatsächlich wieder Chancen, sich endlich wieder weiterzuentwickeln. Denn jetzt sitzen zwei Topmanager an den Schaltstellen – mit frischem und unvoreingenommenem Blick. Veränderungsbedarf und Herausforderungen gibt es in Leverkusen genug.
Bisher war es stets Anspruch von Bayer, die beiden Toppositionen aus den eigenen Reihen besetzen zu können. Das war bei den CEOs und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Schneider und Werner Wenning so, ebenso beim bald ausscheidenden Vorstandschef Werner Baumann. Alle hatten jahrzehntelangen Bayer-Stallgeruch. Nur mit dem Niederländer Marijn Dekkers gab es von 2010 bis 2016 einen externen CEO. Der aber wurde von Wenning kontrolliert.
Der Kulturbruch in Leverkusen geht aber noch weiter: Es rückt auch nicht wie üblich ein deutscher Finanzfachmann an die Spitze des Vorstands. Mit dem Amerikaner Anderson bekommt Bayer nun statt eines weiteren Analytikers einen Wissenschaftler als Chef, der sich als Biotech-Experte in den Grundlagen beider großer Konzerndivisionen gut auskennt.
Nun ist es nicht per se schlecht, wenn ein neuer CEO aus den eigenen Reihen kommt. Es hat sogar große Vorteile, wenn man Geschäft, Kultur und Befindlichkeiten bestens kennt. Doch manchmal kennt der „Interne“ all dies auch zu gut, um der Richtige für erwünschte Veränderungen zu sein.
Bayer braucht den Bruch mit der Vergangenheit
Bayer braucht aber jetzt einen Bruch mit der Vergangenheit. Die Lasten der Übernahme von Monsanto und auch die damit verbundenen Imageprobleme ist Bayer bis heute nicht los. Der Konzern leidet darunter, dass es in seiner öffentlichen Wahrnehmung sowie an der Börse meist nur um Monsanto, Glyphosat, Klagen, Prozesse und Gift geht – und weniger um lebensrettende Medizin-Erfolge und bahnbrechende neue Landwirtschaftstechnologien.
Dies kann ein externer CEO glaubhafter verändern als einer, der mit den Strukturen und der Vergangenheit verwachsen ist. Es geht zugleich auch um die Zukunft: Bayers Geschäfte werden von der Biotech-Revolution in der Medizin, von Künstlicher Intelligenz in der Forschung erfasst. Dafür ist ein CEO nötig, der sich im Epizentrum dieser bahnbrechenden Technologien auskennt: den USA.
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Mit dem Engagement des Amerikaners Anderson hat der Aufsichtsrat aber nicht nur deswegen einen klugen Zug gemacht. Die Wahl eines internen neuen Chefs hätte die aufsässigen Investoren nur noch mehr aufbracht – es hätte unschöne Debatten über Bayer in der Öffentlichkeit gegeben. So aber hat die Ernennung eines externen, ausländischen und zweifelsfrei kompetenten Managers den Kritikern erst mal den Wind aus den Segeln genommen.
Damit ist nicht gesagt, dass Bayer in drei bis fünf Jahren noch genauso aufgestellt sein wird wie jetzt. Der gewollte Kulturbruch in Leverkusen beinhaltet auch, dass alle Strukturen auf Sinnhaftigkeit und Zukunftsfähigkeit überprüft werden.
Mit dem Wissenschaftler Anderson hat Bayer aber die Chance, wieder mehr für das wahrgenommen zu werden, was im Konzernmotto verankert ist: „Science for a better life“. Der neue CEO sollte dieses Momentum nutzen.
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