Austin Die digitale Welt habe sich vom Nichts zu einer gigantischen Branche entwickelt, stellte die Vizepräsidentin der EU-Kommission Margrethe Vestager fest. „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wurden dabei herausgedrängt“, warnte sie auf dem Technologiefestival South by South West (SXSW) im texanischen Austin am Samstag. „Es ist Zeit, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückkommen – vielleicht mit etwas Rache.“
Die Spitzenpolitikerin trug die Sätze mit einem Lächeln vor. Der Inhalt warfare dennoch kein Spaß. Erst am Vortag hatte die EU-Kommission ein neues Verfahren gegen die beiden US-Technologiekonzerne Google und Facebook wegen einer On-line-Werbevereinbarung eingeleitet. Es werde geprüft, ob der unter dem Namen „Jedi Blue“ bekanntgewordene Deal von 2018 gegen Wettbewerbsrecht verstoße.
Viel weitreichender werden die Folgen von zwei Digitalgesetzen sein, die die EU auf den Weg gebracht hat. Das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) soll die Marktmacht von Internetriesen wie Facebook, Amazon und Google begrenzen. Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Companies Act) befasst sich mit gesellschaftlichen Aspekten wie Hassrede und gefälschten Produkten im Netz und verpflichtet Plattformbetreiber zum Handeln.
Seit Jahren sind sich Politiker in den USA und Europa weitgehend einig, dass die Macht von großen Tech-Konzernen begrenzt werden soll. Mit Lina Khan hat US-Präsident Joe Biden zwar eine ambitionierte Chefin an die Spitze der Handelsbehörde FTC gesetzt, die sich Tech-Firmen vorknöpfen will. Ihr Einfluss ist jedoch begrenzt.
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„Uns fehlt dringend das nötige Geld und das nötige Private, um wirklich die Firmen kontrollieren zu können“, warnte Khan in einem Interview. Die geplante Erhöhung ihres Budgets wurde jedoch gestoppt. Sollten die Demokraten bei der in diesem Jahr anstehenden Zwischenwahl den Republikanern unterliegen, wäre Khan weiter geschwächt.
„Das Silicon Valley nimmt Washington nicht richtig ernst, hat aber Angst vor Brüssel“
Daher fokussieren sich die US-Tech-Konzerne stärker auf die EU. „Das Silicon Valley nimmt Washington nicht richtig ernst, hat aber Angst vor Brüssel“, sagte ein Insider aus der US-Tech-Branche. „Die CEOs von Apple, Google und Fb fürchten, dass ihre Macht einfach von der EU begrenzt werden könnte, selbst wenn Washington scheitert“, sagte der Insider.
Die Technologiekonzerne hätten etwa die Folgen der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch die EU unterschätzt. Diese hätte nicht nur das Geschäft der Firmen in Europa verändert, sondern auch in den USA. „Erst hat Kalifornien als Bundesstaat die DSGVO kopiert, jetzt folgen weitere Bundesstaaten und irgendwann folgt dann auch die Regierung in Washington“, sagte der Insider.
Die Fb-Muttergesellschaft Meta hatte in ihrem Jahresbericht geschrieben, der Konzern könnte aufgrund der strengen Regulierung in der EU einen Rückzug aus dem Handelsblock erwägen. Später ruderte der Konzern in einer Mitteilung zurück: „Meta droht auf keinen Fall mit dem Rückzug aus Europa.“
Europa sei ein Markt mit 450 Millionen Menschen, sagte Vestager. Firmen sollten sich intestine überlegen, ob sie sich wirklich der Chancen eines so großen Marktes berauben wollten. Regulierung sei nichts Schlechtes, sondern schaffe Chancengleichheit, warb Vestager.
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