Hiroshima Zum Beginn des G7-Treffens in Hiroshima bekommen die Staats- und Regierungschefs erst einmal eine Schaufel in die Hand. Im Friedensmuseum, das an den US-Atombombenangriff auf die Stadt am 6. August 1945 erinnert, pflanzen die Regierungschefs Friedensbäume. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schüttet etwas Erde auf die jungen Bäume. Hiroshima sei ein „Mahnmal, dass wir eine Verantwortung haben für Frieden und Sicherheit in der Welt“, hatte Scholz nach seiner Ankunft gesagt.
Symbolträchtiger als Hiroshima könnte wohl kaum ein Ort als Treffpunkt des G7-Gipfels in diesen Zeiten sein. Denn im Mittelpunkt des dreitägigen Treffens steht wieder ein Krieg, Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Und damit auch eine neue Sorge vor dem Einsatz von Atomwaffen, auch wenn die atomaren Drohgebärden von Kremlchef Wladimir Putin zuletzt nachgelassen haben. Am Freitag wurde zudem bekannt, dass Ukraines Präsident Wolodimir Selenski persönlich am G7-Gipfel teilnehmen wird.
Die G7 will auf ihrem Gipfel weitere Zeichen Richtung Moskau setzen und bei den Strafmaßnahmen gegen Russland nachlegen. Die neuen Sanktionen zielen unter anderem auf den lukrativen Rohstoffhandel Moskaus.
Allerdings wird um die Tragweite der Sanktionen noch gerungen. Ein umfassendes Verbot aller Exporte und Dienstleistungen, wie es den USA vorschwebt, dürfte es nicht geben. Den Europäern schwebt eher vor, Schlupflöcher bei bestehenden Sanktionen zu schließen.
Vor dem Gipfel preschten die USA und Großbritannien mit der Ankündigung neuer Strafmaßnahmen aber schon mal vor. Das neue US-Sanktionspaket sieht nach Angaben von US-Beamten vor, „Kategorien von Gütern, die für das Schlachtfeld wichtig sind, umfassend einzuschränken“ und etwa 70 Einrichtungen aus Russland und Drittländern durch Aufnahme auf die schwarze Liste des US-Handelsministeriums an US-Ausfuhren zu hindern, wie ein Regierungsvertreter sagte.
USA bestrafen russische Finanziers
Mehr als 300 Personen, Unternehmen und Organisationen, Schiffe und Flugzeuge wollen die USA demnach zudem mit anderen Strafen belegen. Es gehe dabei um finanzielle und anderweitige Unterstützer Russlands. Die Sanktionen träfen Ziele in Europa, dem Nahen Osten und Asien. Außerdem sollten Sanktionsbefugnisse auf den digitalen Sektor der russischen Wirtschaft ausgeweitet werden.
Der britische Premierminister Rishi Sunak will zur Unterstützung der Ukraine ein Verbot für russische Diamanten und die Einfuhr von Metallen wie Kupfer, Aluminium und Nickel aus Russland verkünden. Außerdem hat Großbritannien weitere 86 Personen und Unternehmen aus dem militärisch-industriellen Umfeld des russischen Präsidenten Putin im Visier, die in der Energie-, Metall- und Schifffahrtsindustrie tätig sind, heißt es in einer Erklärung der Regierung.
Die G7 will auf ihrem dreitägigen Gipfel ihre neuen Sanktionen gegen Russland koordinieren. Der US-Regierungsvertreter sagte, alle G7-Staaten bereiteten neue Sanktionen und Ausfuhrkontrollen vor. Zu den Plänen der Partner wolle er sich nicht im Detail äußern.
Die 27 EU-Staaten arbeiten derzeit an einem elften Sanktionspaket gegen Russland, das allerdings noch nicht abgeschlossen ist. EU-Sanktionen gegen russische Güter gelten als besonders wirksam, weil die Union ein wesentlich größerer Handelspartner Russlands ist als etwa die USA oder Großbritannien. Es wird erwartet, dass auch Japan und Kanada neue Sanktionen verkünden werden.
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Schon vor dem Treffen in Hiroshima war bekannt geworden, dass alle G7-Staaten den Export von Rohdiamanten aus Russland einschränken wollen. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte, Maßnahmen wie diese zielten darauf, die Einnahmen des russischen Staates nach dem Überfall auf die Ukraine weiter zu reduzieren.
Auch die mögliche Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine wird laut des EU-Ratspräsidenten Thema sein.
Russland gilt als weltweit größter Produzent von Rohdiamanten, der Diamantenhandel ist für Russland eine gute Einnahmequelle. Der staatliche Förderer Alrosa machte 2021 damit rund vier Milliarden Euro an Umsatz.
USA scheitern mit Vorstoß für Exportverbot
Das Weiße Haus hatte sich im Vorfeld bei den G7-Partnern für noch weiter gehende Sanktionen eingesetzt und dafür plädiert, das Sanktionssystem komplett zu verändern, um Umgehungen zu verhindern. Als Idee stand ein vollständiges Exportverbot im Raum, das mit einer Liste an Ausnahmen ergänzt werden sollte.
Nun bleibt es aber beim umgekehrten Weg, dass Verbote für einzelne Güter und Warengruppen ausgesprochen und erweitert werden. Ein Verbot aller Exporte und Dienstleistungen sei nicht nur politisch schwierig, sondern auch rechtlich heikel, hieß es. Ein vollständiges Exportverbot könnte allenfalls als Wunsch für die Zukunft vereinbart werden, glauben Experten.
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Auf ihrem Gipfel will die G7 auch über die weitere Unterstützung für die Ukraine beraten. Dabei wird auch die mögliche Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine nach Angaben von EU-Ratspräsident Michel Thema sein. Man werde die Gelegenheit haben, das Thema mit US-Präsident Joe Biden zu erörtern. „Es ist sehr klar, dass die Ukraine mehr militärische Ausrüstung braucht“, sagte er.
Der US-Nachrichtensender CNN hatte zuvor berichtet, Biden habe den europäischen Verbündeten in den vergangenen Wochen signalisiert, dass die USA es ihnen gestatten würden, in den USA gebaute F-16-Kampfflugzeuge in die Ukraine zu liefern.
Bereits am Dienstag hatten Großbritannien und die Niederlande bestätigt, eine internationale Koalition aufzubauen, um der Ukraine bei der Beschaffung der F-16 zu helfen. Sie wird auch von Frankreich unterstützt. In einem ersten Schritt sollen dafür ukrainische Piloten ausgebildet werden.
Am ersten Gipfeltag berät die G7 zunächst über den Zustand der Weltwirtschaft. Neben dem Ukrainekrieg wird auf dem Gipfel vor allem der Umgang mit China ein großes Thema sein. Erstmals gibt es im Rahmen der G7 eine eigene Arbeitssitzung zum Thema „Wirtschaftssicherheit“. Auch ist zum ersten Mal eine Erklärung gegen „wirtschaftliche Nötigung“ geplant, die China als Akteur benennt, der Handelspartner durch Zwangsmaßnahmen unter Druck setze.
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