Hersteller Apple war im vergangenen Jahr der größte Aktienrückkäufer.
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Für knapp eine Billion Dollar haben US-Konzerne im vergangenen Jahr eigene Aktien zurückgekauft und zum großen Teil eingezogen. Die Aktien profitieren, weil das Angebot knapper ist. Außerdem verteilen sich künftige Gewinne und Dividenden auf weniger Aktien. Nun fragen sich die Skeptiker, ob das nicht Marktmanipulation und möglicherweise ein Vorbote für eine Blase an den Märkten ist.
Dass rekordhohe Aktienrückkäufe die Kurse nach oben treiben, ist unzweifelhaft. Auch dass Gewinne verzerrt werden. Denn ein gleichhoher oder sogar sinkender Gewinn gegenüber dem Vorjahr, kann mithilfe solcher Programme auf wundersame Weise steigen, weil die Finanzmärkte üblicherweise nicht auf absolute Gewinne, sondern auf Gewinne je Aktie schauen.
Dennoch: Warum sollten Unternehmen keine eigenen Aktien zurückkaufen, um so ihre Anteilseigner reicher zu machen? Beim weltweit größten Rückkäufer Apple ergeben solche Ausgaben Sinn. Es gibt eben keine attraktiven Wettbewerber, die der iPhone-Hersteller kaufen könnte, um so seine Profitabilität noch weiter zu steigern.
Für viele Konzerne machen Aktienrückkäufe Sinn
Ähnliches gilt für Linde, dem mit Abstand größten Rückkäufer im Dax. Angesichts oligopolartiger Strukturen mit weltweit nur vier großen Anbietern im komplexen Industriegase-Sektor kommen Übernahmen nicht infrage. Die Kartellbehörden würden ihr Veto einlegen. Überschüssiges Geld ist aber jedes Jahr vorhanden, weil die Geschäfte gut laufen.
Auch bei Coca-Cola und vielen anderen hochprofitablen Konzernen ist das Geld besser in Dividenden und Aktienrückkäufen aufgehoben, als es für Firmenkäufe zu verwenden. Bayer hätte vermutlich gut daran getan, eigene Aktien zurückzukaufen, anstatt 60 Milliarden Dollar für den umstrittenen Saatguthersteller Monsanto auszugeben. Die Liste ließe sich verlängern.
Doch genauso lang ist die Liste von Unternehmen, die viel Geld in die Zukunft investieren (müssen). Etwa der Facebook-Konzern in sein Metaverse oder die Autobauer in den Umbau zur E-Mobilität. Hier erscheint der Sinn von Rückkaufprogrammen mehr als fraglich. Der Verdacht drängt sich auf, dass aktivistische Investoren oder Unternehmensmanager, deren Boni sich an der Kursentwicklung orientieren, Aktienrückkäufe favorisieren.
Tatsächlich wäre die Einführung einer Steuer auf Aktienrückkäufe ein probates Mittel, um Anreize für Investitionen zu schaffen. Zumal auch alljährliche Dividenden besteuert werden. Beide Anleger-Beglückungen würden so ein Stück weit gleicher gestellt.
US-Präsident Joe Biden versucht gerade, die seit Januar eingeführte Ein-Prozent-Steuer auf Rückkäufe zu vervierfachen. Der Widerstand der Republikaner im Kongress ist ihm sicher.
Höhere oder gar neue Steuern sollten niemals leichtfertig eingeführt werden und immer das letzte Mittel sein, um die Einnahmen noch weiter zu erhöhen.
Doch dasselbe gilt für die Unternehmen und ihre Aktienrückkäufe anstelle notwendiger Investitionen. Insofern wäre eine Debatte darüber, so wie sie in den USA jetzt geführt wird, in jedem Fall auch in Europa sinnvoll.
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