Frankfurt Bei der Berenberg Bank begrüßt man in diesem Jahr einen alten Bekannten: „Goodbye Tina … welcome back Harry Markowitz“. Denn nach Ansicht des Geldhauses ist die Portfoliotheorie des Nobelpreisträgers Markowitz heute wieder aktueller denn je. Demnach kann man nicht mehr nur auf die Aktienwerte setzen, die lange vom Slogan „Tina – There is no alternative“ profitierten.
Bei der Vermögensstrategie kommt es laut Klaus Naeve, Co-Chef für das Wealth und Asset Management bei der Berenberg Bank, vor allem auf zwei Faktoren an: Diversifikation und Duration. Markowitz erhielt bereits 1990 den Nobelpreis für seine Portfoliotheorie, wonach die optimale Streuung von Risiken dazu führt, dass wesentlich höhere Renditen bei einem geringeren Gesamtrisiko erzielt werden können.
Als Anhänger von Markowitz‘ Theorie rät Naeve also allen Anlegern, sich wieder mit den grundlegenden Weichenstellungen in der Vermögensverwaltung zu befassen, auch strategische Asset-Allocation (SAA) genannt. Schließlich befinde man sich in einer Phase der „brutalen Neubewertung vieler Anlagethemen“ – unter anderem ausgelöst durch die Zinssteigerungen der Notenbanken weltweit.
Maximilian Kunkel, der die wohlhabenden Kundinnen und Kunden sowie Family-Offices von UBS Global Wealth Management als Kapitalanlagestratege berät, stimmt Naeve mit Blick auf die Vielfalt zu: „Die Diversifizierung der Vermögen steht im Fokus, das Thema kommt ganz klar zurück.“ Bei der UBS stehen im Musterdepot 47 Prozent Aktien, 33 Prozent Rentenpapiere und 15 Prozent Alternatives, der Rest ist Cash.
Das Musterportfolio mit mittlerem Risiko der Berenberg Bank enthält einen Aktienanteil von 30 Prozent, Anleihen liegen bei 40 Prozent und illiquide Investments – darunter Beteiligungskapital für Unternehmen (Private Equity), private Kreditfonds (Private Debt) und Immobilien – bei 20 Prozent. Hinzu kommen liquide „Alternatives“ wie Rohstoffe und spezielle Absicherungsstrategien mit zehn Prozent.
Unter dem Strich kann ein Anleger laut Naeve mit einem solchen Mix eine Rendite von rund sechs Prozent nach Kosten pro Jahr erwarten. Um einen Kapitalverlust zu vermeiden, müssen die Anleger einen langfristigen Anlagehorizont einplanen, beispielsweise 30 Jahre. Schon bei einem Anlagehorizont von sieben Jahren seien die Kursschwankungen und damit die möglichen Verluste relativ gering.
Die Auswahl von Einzeltiteln bei Aktien wird wichtiger
In den vergangenen 30 Jahren haben sich US-Aktien mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von 9,5 Prozent am besten geschlagen, allerdings mussten Anleger heftige Kursschwankungen aushalten. Sie reichten von plus 38 Prozent in einem Kalenderjahr bis minus 37,1 Prozent.
An zweiter Stelle lagen europäische Aktienschwergewichte (Large Caps) mit 7,5 Prozent Rendite im Mittel. Für Naeve können Investments in Indexfonds – sogenannte ETFs – zukünftig schwieriger werden, weil nicht mehr alle Geschäftsmodelle von niedrigen Zinsen zehren können. In den Indexfonds dominieren oft die großen Tech-Konzerne, die lange Zeit von niedrigen Zinsen profitierten.
Nach den Zinserhöhungen der Notenbanken kommt es dem Experten zufolge jetzt auf die Auswahl der Einzeltitel an – hier sollten Anleger den Fokus auf den Verschuldungsgrad und die Preissetzungsmacht des Unternehmens schauen. Bei den illiquiden Anlagen gefallen Naeve vor allem private Kreditfonds (Private Debt). Sie profitieren von der zurückhaltenden Vergabe von Darlehen durch die Kreditinstitute. Bei Beteiligungskapital für Unternehmen (Private Equity) könnten die Bewertungskorrekturen dagegen noch nicht vollständig abgeschlossen sein. Das kann auf lange Sicht zu niedrigeren Renditen der Beteiligungsfonds führen.
Benoit Anne, Anlageexperte bei MFS Investment Management, ist bei privaten Kreditfonds dagegen zurückhaltender. „Wir glauben, dass klassische, börsennotierte Anleihen wieder eine interessante Alternative sind.“ Meist sei das Kreditrisiko von Private Debt höher, da die Kreditnehmer kleine und mittlere Unternehmen sind.
Hinzu kommt laut Anne: Kleine und mittlere Unternehmen seien oft stärker verschuldet, und deren Finanzierungsstrukturen seien komplexer, sodass Risiken schwer abschätzbar seien. „All das könnte Private Debt vor Herausforderungen stellen, vor allem bei einer drohenden Rezession“, meint der Anlagestratege.
Der falsche Moment für langfristige Anleihen
Auch Kunkel meint: „Qualitativ hochwertige Anleihen erleben ein Comeback. Dazu zählen in erster Linie Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit hoher Bonität.“ High-Yield-Bonds, also Hochzinsanleihen mit schwächerer bis schwacher Bonität, würden dagegen weniger nachgefragt.
Bei der Frage nach der Duration stehen laut Kunkel Kurzläufer mit zwei bis drei Jahren und der mittlere Bereich mit fünf bis acht Jahren im Mittelpunkt. Auf Euro-Basis sei hier eine Rendite von rund vier Prozent erreichbar, im Dollar-Segment seien es über fünf Prozent.
Für extreme Langläufer von beispielsweise 30 Jahren sei die Zeit dagegen noch nicht gekommen. Anleihen seien heute ganz klar die neue Konkurrenz für Immobilien, Letztere würden nicht mehr – wie noch in der Niedrigzinsphase – als Allheilmittel in der Vermögensallokation gesehen.
Mit Blick auf Aktien sagt Kunkel: „Bei Aktien sind wir wegen der Wachstumsrisiken bei den US-Titeln untergewichtet. In Asien gibt es abseits des chinesischen Marktes gute strukturelle Chancen in Märkten wie Indonesien oder Indien. In Japan sei er bei Aktien noch zurückhaltend.