Frankfurt Die Inflationsrate in Deutschland ist im April weiter leicht gesunken. Die Verbraucherpreise legten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 7,2 Prozent zu. Das gab das Statistische Bundesamt am Freitag auf Basis einer vorläufigen Schätzung bekannt.
Ökonomen hatten im Vorfeld einen Rückgang auf dieses Niveau erwartet. Im März lag die Rate bei 7,4 Prozent.
Der größte Preistreiber sind weiterhin Lebensmittel, die sich um 17,2 Prozent verteuerten. Die Preise für Energie stiegen um 6,8 Prozent, Dienstleistungen um 4,7 Prozent. Eine Kerninflationsrate – damit ist die um Energie und Nahrung bereinigte Preissteigerung gemeint – weisen die deutschen Statistiker nicht separat aus. Sie gilt als wichtiger Indikator für den mittelfristigen Preistrend.
Die Daten aus Deutschland sind ein wichtiger Hinweis für die Inflationsentwicklung im gesamten Euro-Raum. Die April-Rate veröffentlicht das europäische Statistikamt Eurostat am Dienstag. Vor der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am kommenden Donnerstag achten Investoren stark auf die neuen Zahlen zur Preisentwicklung.
Experten rechnen mit einer weiteren Zinserhöhung der EZB – es wäre die siebte in Folge seit dem Beginn des Anhebungszyklus im Sommer 2022. Offen ist aber, ob die Währungshüter die Zinsen um einen viertel oder einen halben Prozentpunkt anheben.
EZB: Unterschiedliche Töne aus dem Rat
Aus Sicht von Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der niederländischen Bank ING, hängt die Entscheidung von neuen Daten ab, die nächste Woche veröffentlicht werden. „Die nächsten Inflationszahlen, die Kreditvergabedaten und die jüngste Kreditumfrage unter Banken werden den Ausschlag geben,“ sagt er. Diese Daten erscheinen am kommenden Dienstag.
Aus dem EZB-Rat hatte es unterschiedliche Töne gegeben. Isabel Schnabel, die der EZB-Führung angehört, betonte jüngst in einem Interview mit dem Magazin „Politico“, dass die Höhe des Zinsschritts von den eigehenden Daten abhänge. Auch eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt sei „nicht vom Tisch“.
Chefvolkswirt Philip Lane hingegen äußerte nicht zur Höhe des nächsten Zinsschritts. Er sprach lediglich davon, dass die Daten darauf hindeuteten, dass die Zinsen weiter angehoben werden sollten. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau betonte, dass die EZB den „den größten Teil des Weges“ bei der Straffung der Geldpolitik zurückgelegt habe. „Es könnten noch ein paar Anhebungen nötig sein, aber nach meiner Meinung sollten sie zahlenmäßig und jetzt auch im Umfang begrenzt sein,“ sagte er.
Die vergangenen drei Zinsschritte wählte die EZB im Umfang von 50 Basispunkten. Die meisten Experten gehen nun eher von einem geringeren Umfang aus. „Die jüngsten Äußerungen aus dem EZB-Turm lassen darauf schließen, dass die Währungshüter das Zinserhöhungstempo drosseln könnten,“ erwartet der Ökonom der DZ-Bank, Christian Reicherter.
Aus Sicht der Experten der US-Bank Morgan Stanley spricht zwar vor allem die hartnäckige Kerninflation für weitere Zinserhöhungen. Sie war im März im Euro-Raum auf einen neuen Rekordwert von 5,7 Prozent gestiegen.
Dagegen sprechen die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor laut Morgan Stanley eher für ein graduelles Vorgehen. Unter dem Strich rechnen die Experten des Instituts eher mit einem kleinen Zinsschritt um einen Viertel-Prozentpunkt.
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