Bundeskanzler Olaf Scholz macht seinem Ruf als Merkel 2.0 in der Ukraine-Krise alle Ehre. „Wenn es zu einer militärischen Aktion kommt, dann wird das hohe Kosten haben“, sagte er Ende vergangener Woche nach der ersten Kabinettsklausur der Ampel-Regierung. „Wir bereiten jetzt vor, dass wir dann diese Entscheidung jeweils konkret treffen können“.
Particulars oder konkrete Inhalten, nannte er wie quick immer nicht. Seine Stellvertreter sekundierten harmonisch. Auf die Frage, ob sich die Ampel-Parteien auch beim Thema Nord Stream 2 einig seien, meinte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne): „Eine Regierung ist im Prinzip immer einig.“ Der FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner schwieg beredt, was Scholz immerhin nicht als Widerspruch auslegen konnte.
Doch die Weigerung Deutschlands, der Ukraine Verteidigungswaffen zu liefern und das zögerliche Verhalten, zumindest Schutzausrüstung wie schusssichere Westen und Helme zur Verfügung zu stellen, löst nicht nur im Ausland heftige Kritik aus.
Und da ist noch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. Vor allem zwischen den Koalitionären SPD und Grüne steht die wie ein Elefant im Raum. Die Grünen lehnen das Projekt grundsätzlich ab. Im Koalitionsvertrag steht kein Wort darüber, was die Uneinigkeit verdeutlicht.
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Der Streit zwischen Kanzleramt und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu möglichen Konsequenzen einen Angriffs Russlands wurde mühsam wieder von beiden Seiten eingefangen. Die Ökopartei wettert aus ökologischen, energie- und geopolitischen Gründen seit Jahren gegen das Projekt. Auf einer Liste von konkreten Sanktionsvorhaben stünde die Pipeline ganz oben.
Der Kanzler fährt auf Sicht
Bei der SPD sieht die Lage anders aus. Bundeskanzler Scholz bezeichnet das Projekt zwar nicht mehr als „privatwirtschaftliches“ Vorhaben. Immerhin verbal drückt er sich härter aus: Es sei wichtig, geschlossen zu handeln. Dazu gehöre es, darauf zu pochen, dass Grenzen in Europa nicht verletzt werden dürften. „Wir werden das auch nicht hinnehmen (…) Das würde hohe Kosten haben“.
Was das konkret heißt, sagt Scholz aber nicht, er fährt wie seine Amtsvorgängerin auf Sicht. Anders dagegen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der jüngst die Auffassung vertrat, man dürfe potenzielle internationale Konflikte, additionally einen möglichen Angriff Russlands auf die Ukraine, nicht herbeireden, „um Projekte auf diesem Wege zu beerdigen, die einem schon immer ein Dorn im Auge waren“. Damit meinte er wohl Nord Stream 2.
Ähnliche Differenzen sind auch bei der Debatte über die Lieferungen von Verteidigungswaffen an die Ukraine aufgetreten. Es ist erst ein gutes halbes Jahr her, da hatte sich der heutige Vizekanzler Habeck kurz vor seinem Besuch an der Frontlinie an der Ostukraine für Waffenlieferung ausgesprochen: „Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung kann man meiner Ansicht nach, Defensivwaffen, der Ukraine schwer verwehren“, sagte er, um danach den Vorstoß wieder einzusammeln. Freund und Feind hatten sich dagegen gestellt.
Bundeskanzler Scholz machte zum Unmut der Nato-Companion nun klar: „Wir liefern keine letalen Waffen.“ Dass Waffenlieferungen aktuell nicht hilfreich wären, bekräftigte auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Deutschland helfe, indem es die Lieferung eines Feldlazaretts finanziere, fügte sie hinzu. Es soll im Februar übergeben werden, wird aber von Estland geliefert. Selbst die Lieferung von Haubitzen, die ursprünglich aus DDR-Beständen stammen, blockiert die Bundesregierung. Die Bundesregierung prüft seit Tagen, das Einverständnis steht weiter aus.
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Diese deutsche Zurückhaltung kommentierte Marieluise Beck, die langjährige Sprecherin der Grünen für Osteuropapolitik, mit bitterbösen Worten im Tagesspiegel: „Zweifelsohne ist ein Krieg am schnellsten vorbei, wenn die Angegriffenen sich nicht wehren können. Dann braucht man auch kein Feldlazarett mehr zu liefern. Dieses Deutschland ist irre: Eigensucht getarnt als Edelmut.“
Die wackelige Place der Liberalen
Die FDP steht zwischen SPD und Grünen und hält sich an die Doktrin des Langzeit-Außenminister Hans-Dietrich Genscher: Immer gesprächsfähig bleiben. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki brachte zwar im Jahr 2018 ein Ende der Russland-Sanktionen ins Spiel, schlug dann aber 2020 als mögliche Konsequenz im Fall des vergifteten Kremlkritikers Alexej Nawalny einen Importstopp für russisches Fuel vor. Dieser treffe die Führung in Moskau unmittelbar.
FDP-Chef Lindner warnte bereits als designierter Bundesfinanzminister Russland bei Nord Stream 2 vor aggressiven Aktionen. Er erinnert auf Twitter häufig daran, wie viele Tage Nawalny in Haft sitzt. Beim Thema Menschenrechte ticken die Liberalen ohnehin ähnlich wie die Grünen. Das gilt auch im Fall Russlands und im Fall von Nord Stream 2.