Frankfurt Im Kampf gegen die Covid-Pandemie machen neben den Impfkampagnen neue Therapiemöglichkeiten zusätzliche Hoffnung. Gleich mehrere Medikamente sind seit Dezember auf den Markt gekommen. Vor allem auf zwei Pillen von Pfizer und Merck & Co ruhen die Erwartungen, aber auch auf neuen Antikörpertherapien von Astra-Zeneca, Glaxo-Smithkline und Eli Lilly.
Den Herstellern dürfte die wachsende Nachfrage nach Medikamenten schon in diesem Jahr zusätzliche Milliardenumsätze bringen: Insgesamt addieren sich die bisher schon fest geplanten Erlöse mit Covid-Medikamenten für 2022 auf mehr als 32 Milliarden Greenback gegenüber rund 18 Milliarden Greenback im Vorjahr.
Aktuell gehen die meisten Covid-Erkrankungen dank der hohen Impfquoten zwar mit relativ milden Verläufen einher, dennoch sehen die meisten Mediziner auch längerfristigen Bedarf für Therapien. „Nach der Omikron-Welle wird Sars-CoV-2 sicherlich nicht verschwinden. Wir werden spätestens im Winter wieder steigende Covid-19-Fallzahlen sehen“, sagt der Infektiologe und Pandemiebeauftragte am Klinikum der Technischen Universität München, Christoph Spinner.
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Vor allem für Menschen, die durch Vorerkrankungen besonders gefährdet sind, werde das Virus daher weiterhin ein hohes Risiko darstellen. „Insofern wird es auch in Zukunft einen deutlichen Bedarf an Covid-19-Therapien geben“, ist Spinner überzeugt.
Insgesamt sind in Europa und den USA acht eigens gegen Covid gerichtete Wirkstoffe zugelassen oder im Rahmen von nationalen Sondergenehmigungen verfügbar. Darunter sind fünf Antikörperprodukte, die das Sars-CoV-2-Virus in der Blutbahn abfangen können, und drei antivirale Wirkstoffe, die in den Vervielfältigungsprozess des Erregers eingreifen.
Dazu gehören das bereits seit 2020 verfügbare Medikament Veklury (Remdesivir) von Gilead und die erst vor wenigen Wochen erstmals zugelassenen Mittel Paxlovid von Pfizer und Lagevrio (mit dem Wirkstoff Molnupiravir) von Merck & Co.
Darüber hinaus sind für die Behandlung schwerstkranker Covid-Patienten entzündungshemmende Wirkstoffe wie Kortison im Einsatz. Dabei handelt es sich aber durchweg um Medikamente, die schon seit Langem auf dem Markt sind und ansonsten zum Beispiel in der Rheumatherapie eingesetzt werden.
Erstmals Tabletten gegen die Covid-19-Erkrankung
Dabei gibt es bei der Covid-Therapie und im Markt derzeit einen regelrechten Umbruch: Zum einen stehen mit Paxlovid und Molnupiravir erstmals Mittel zur Verfügung, die als Tablette eingenommen werden können. Die Behandlung wird dadurch tendenziell einfacher und für einen wesentlich breiteren Patientenkreis zugänglich. Denn die bisher verfügbaren Antikörper müssen überwiegend als Fusion verabreicht werden und sind daher für den Masseneinsatz kaum geeignet.
Vor allem Paxlovid, das in einer klinischen Studie einen hohen Wirkungsgrad von quick 90 Prozent zeigte und offenbar gegen alle Virusmutationen wirkt, gilt als klarer Favorit unter den neuen oralen Covid-Arzneien. Pfizer hat mit verschiedenen Ländern, darunter auch die Bundesrepublik, bisher Lieferverträge im Gesamtvolumen von mehr als 30 Millionen Packungen vereinbart und will seine Produktionskapazitäten für 2022 auf bis zu 120 Millionen Packungen ausbauen.
Zum anderen erzwingt die rapide Ausbreitung der Omikron-Variante aber auch einen Wandel beim Einsatz von Antikörpern. Denn ein Teil dieser Produkte, darunter insbesondere das Präparat Regen-Cov/Ronapreve von Roche/Regeneron und die Antikörper-Kombination Bamlanivab/Etesevimab von Eli Lilly, ist gegen diese Mutation nicht mehr wirksam.
In den USA hat die Arzneimittelbehörde FDA jüngst die Notfallzulassung für die beiden Wirkstoffe in allen Regionen widerrufen, in denen die Omikron-Variante dominiert. Das aber ist inzwischen sowohl in Nordamerika als auch in Europa quick flächendeckend der Fall.
Dagegen hat die US-Behörde am Wochenende eine Notfallzulassung für einen neu entwickelten Antikörper der Firmen Eli Lilly und Abcellera erteilt, der in Vergleichsstudien eine bessere Wirkung gegen Erkrankungen mit der Omikron-Variante zeigte und das Risiko von Hospitalisierungen senkte.
Günstig sieht es derzeit für die neueren Antikörperprodukte aus, die erst im Sommer und Herbst 2021 ihre ersten Zulassungen erhalten haben. Dazu gehört zum einen das Mittel Evusheld von Astra-Zeneca und der seit Dezember auch in Europa zugelassene Antikörper Xevudy (Sotrovimab) von Glaxo-Smithkline (GSK).
Insbesondere Xevudy zeigte nach Einschätzung von Medizinern in den bisherigen Studien eine sehr gute Wirksamkeit gegen Omikron. In den klinischen Studien mit Risikopersonen, die mit dem Ursprungsvirus oder der Alpha-Variante infiziert waren, reduzierte das Mittel das Risiko für Sterbefälle oder Hospitalisierungen um mehr als 80 Prozent. Gleichzeitig zeigten Laboranalysen, dass der Antikörper auch gegen Omikron wirkt.
Der Wirkstoff von Astra-Zeneca wird von Experten als etwas schwächer eingeschätzt, seine Wirkung hält aber tendenziell länger an. Zudem hat er Chancen, auch als prophylaktisches Mittel zugelassen zu werden. In den USA hat das Mittel bereits seit September eine Zulassung, in der Europäischen Union läuft der Prozess bei der Ema seit Oktober im sogenannten rollierenden Verfahren.
Wie breit die neuen Mittel tatsächlich zum Einsatz kommen, bleibt vorerst schwer einzuschätzen. Eine zentrale Herausforderung sowohl bei den oralen Medikamenten als auch bei den Antikörpern besteht darin, dass sie möglichst frühzeitig – innerhalb einer Woche nach Krankheitsbeginn – verabreicht werden müssen, um ihre Wirkung voll zu entfalten.
Vor allem bei Personen, die nicht zu einer besonderen Risikogruppe gehören, wird dieses Zeitfenster oft verpasst. „Der normale Affected person denkt bei einer Infektion oft gar nicht daran, zum Arzt oder in die Klinik zu gehen“, beobachtet Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiologie am Universitätsklinikum Essen: „Er wird erst aufmerksam, wenn er keine Luft mehr bekommt, dann ist es zu spät, um noch antivirale Therapien einzuleiten.“
Zudem ist auch der Schnittpunkt zwischen ambulanter und stationärer Versorgung aus seiner Sicht bisher nicht optimum strukturiert. Die Bedeutung einer frühen Behandlung sei bei vielen Ärzten noch nicht genug durchgedrungen.
Bei Geimpften sollen Medikamente nicht vorschnell eingesetzt werden
Andererseits sind sich Mediziner darin einig, dass es auch völlig überzogen wäre, jedwede Covid-Infektion grundsätzlich mit antiviralen Mitteln zu bekämpfen, da die Impfstoffe für die meisten Menschen einen sehr hohen Schutz vor schweren Erkrankungen bieten. Es gilt daher als eher unsinnig, diese Medikamente bei geimpften Personen ohne Risikofaktoren einzusetzen.
Mediziner Spinner verweist zudem darauf, dass die Medikamente in den klinischen Studien ganz überwiegend an ungeimpften Menschen getestet wurden und es daher auch keine harte Evidenz gibt, welchen Vorteil sie für geimpfte Personen noch bieten könnten. „Wir wissen nicht sicher, inwieweit diese Personen von einer Behandlung profitieren.“
Ähnliches gilt für die Frage, wie sich künftig die Einsatzfelder für die verschiedenen Wirkstoffklassen abgrenzen. Vergleichende Studien zwischen den verschiedenen Medikamenten wurden bisher nicht durchgeführt und sind vorerst auch nicht in Sicht.
Spinner sieht ungeachtet der neuen oralen Mittel auch für die Antikörper weiterhin eine sehr wichtige Rolle. Er verweist darauf, dass die klinische Evidenz für diese Produktgruppe insgesamt robuster ist. Tendenziell werde es wohl darauf hinauslaufen, dass man Menschen mit schweren Immundefekten weiterhin eher mit neutralisierenden Antikörpern behandelt.
„Für ungeimpfte Personen mit gängigen Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht kommen eher die oralen Medikamente in Betracht“, sagt Spinner: „Bei der Auswahl spielen die Randbedingungen aber eine entscheidende Rolle.“
Paxlovid zum Beispiel interagiert mit verschiedenen anderen Medikamenten, so etwa auch mit den häufig verordneten Gerinnungshemmern. Für einen Teil der typischen Risikopatienten kommt das Mittel daher womöglich nicht in Betracht.
Daher dürfte auch das Konkurrenzprodukt Lagevrio von Merck & Co weiter eine Rolle spielen, obwohl es in klinischen Studien eine geringere Effektivität von nur 50 Prozent zeigte und mit der Gefahr von Mutationen im menschlichen Erbgut in Verbindung gebracht wurde.
Der US-Konzern stellt für sein Mittel Umsätze von sechs Milliarden Greenback in Aussicht. Die Summe der bisher fest geplanten Erlöse mit Covid-Medikamenten in Höhe von 32 Milliarden Greenback könnte aber sogar noch deutlich steigen.
Insbesondere Pfizer signalisierte bereits, dass seine Prognose im Jahresverlauf noch deutlich nach oben korrigiert werden könnte. Der Konzern führt nach eigenen Angaben mit mehr als 100 Regierungen Gespräche über zusätzliche Lieferverträge.