Der neue Vorstandschef hat das Jahr 2023 für Adidas bereits zu einem Übergangsjahr erklärt.
Herzogenaurach Knapp zwei Wochen vor der Hauptversammlung hat der neue Adidas-Chef Björn Gulden für Geduld bei der Restrukturierung des kriselnden Sportartikelkonzerns geworben. „Wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen“, sagte der Norweger dem Handelsblatt. Der Konzern habe alles, was man brauche. „Wir müssen es nur richtig zusammensetzen.“
Die Stimmung hat Gulden, der zum 1. Januar vom kleineren Konkurrenten Puma zu Adidas gewechselt war, bereits gedreht. Das zeigte sich auch am Samstag beim Lauf-Event „Road to Records“ in Herzogenaurach, an dem Top-Leichtathleten aus aller Welt, aber auch viele Mitarbeiter des Konzerns teilnahmen.
Gulden selbst lief die Fünf-Kilometer-Strecke in 23:46 Minuten mit – obwohl er erst kurz zuvor bei einem Skimarathon in Norwegen gestürzt war. Die Blessuren im Gesicht und eine lädierte Schulter zeugen noch davon.
Die derzeit gute Stimmung soll auch bei der wirtschaftlichen Erholung des Konzerns helfen, der im vergangenen Jahr die Umsatz- und Gewinnziele weit verfehlte. Denn, so Gulden: „Unsere Branche ist zu 50 Prozent rational, zu 50 Prozent emotional.“
Allen sei klar, dass eine schnelle Wende nicht möglich sei, heißt es in Aufsichtsratskreisen. Gulden habe aber schon einige richtige Schritte eingeleitet, zum Beispiel um das angeschlagene Verhältnis zu den Händlern zu verbessern. „Wir sind zuversichtlich, dass Björn Gulden das Ruder herumreißen kann“, sagt auch Thomas Jökel, Portfoliomanager von Union Investment. „Dafür müssen wir ihm aber noch Zeit geben.“
„Negative Schlagzeilen kann sich Adidas nicht mehr leisten“
Hauptaufgabe Guldens ist es nach Einschätzung Jökels, die Marke Adidas wieder attraktiv zu machen und bei den Händlern Vertrauen zurückzugewinnen. In jedem Fall gelte: „Negative Schlagzeilen kann sich das Unternehmen nicht mehr leisten.“
Im vergangenen Jahr waren die Adidas-Umsätze schwächer als versprochen um nur ein Prozent auf 22,5 Milliarden Euro gestiegen. Verantwortlich dafür waren insbesondere Geschäftseinbrüche in China und die Trennung vom US-Skandalrapper Kanye West, mit dessen „Yeezy”-Kollektion Adidas in guten Jahren weit mehr als eine Milliarde Euro Umsatz erzielt hatte. CEO Kasper Rorsted musste angesichts der zahlreichen Probleme vorzeitig seinen Hut nehmen.
„Es war auch viel Pech dabei“, meint ein ehemaliger Top-Manager von Adidas und verweist unter anderem auf die Folgen der Corona-Pandemie. Inzwischen seien einige Weichen gestellt, zum Beispiel durch die Entwicklung von mehr Produkten, die speziell auf den derzeit schwierigen chinesischen Markt angepasst sind. Für die bereits produzierten „Yeezy”-Produkte, die derzeit unverkäuflich in den Lagern liegen, hat Adidas allerdings noch keine Lösung präsentiert.
Viele andere Themen ist Gulden zumindest angegangen. In den vergangenen Wochen war er in Asien auf einem Zulieferergipfel und auf Roadshow in den USA, wo er sich auch ein Bild von dem derzeit für alle Anbieter schwierigen US-Markt machte. Konkurrent Puma musste gerade erst von einem Umsatzeinbruch von 19 Prozent in Nordamerika im ersten Quartal berichten.
In seinen ersten Monaten versuchte Gulden insbesondere, Vertrauen der Sportartikelhändler zurückzugewinnen. Vorgänger Rorsted hatte stark auf den Ausbau des Onlinehandels gesetzt, der durch den Direktvertrieb höhere Margen verspricht. Die Entscheidung, den Kanal auszubauen, sei grundsätzlich richtig gewesen, sagt ein Adidas-Manager. Doch habe Rorsted überzogen, die Balance habe nicht mehr gestimmt.
Der neue CEO will das Vertrauen der Händler zurückgewinnen
Gulden dagegen hatte schon bei Puma erklärt, dass er an die Zukunft des Fachhandels glaube. Sportler wollten die Auswahl zwischen mehreren Marken. Er sei auch bereit, dafür auf den letzten Punkt Marge zu verzichten.
Bei der Revitalisierung der Marke mit den drei Streifen helfe die Glaubwürdigkeit Guldens als Ex-Profifußballer. Dass ihm die Verhandlungen und die Kontaktpflege mit den Sportlern Spaß macht, zeigt der Norwegern auf seinem Social-Media-Kanal. Allein in den vergangenen Tagen präsentierte er dort Fotos von sich mit Skistar Mikaela Shiffrin, Fußball-Weltmeister Zinedine Zidane, Marathon-Olympiasiegerin Peres Jepchirchir und Wimbledon-Siegerin Garbiñe Muguruza.
Die Charme-Offensive aber muss sich irgendwann auch in Zahlen niederschlagen. 2023 hat Gulden – darum das Werben für Geduld – bereits zu einem Übergangsjahr erklärt. Der Umsatz könnte auch wegen hoher Lagerbestände im hohen einstelligen Prozentbereich sinken, beim Betriebsergebnis ist ein Verlust von bis zu 700 Millionen Euro möglich.
Mehr: Puma wächst auch nach Chefwechsel prozentual zweistellig.