Wien Weniger verwalten und schneller produzieren: Mit dieser Mischung spart Mercedes-Benz Vans gegen hohe Mehrausgaben für Elektrofahrzeuge an. Konkret plant die Kleintransporter-Einheit des Stuttgarter Autobauers bis 2025 eine Verringerung der Fixkosten um gut ein Fünftel im Vergleich zu 2019, wie sie am Dienstag im Rahmen eines „Strategy Update“ ankündigte.
„Wir stellen alle Kosten infrage, um uns auf die teilelektrische Welt auszurichten“, erklärte Mario Pucher, Finanzchef von Mercedes-Vans. So soll etwa die Fertigung über alle Werke hinweg reorganisiert werden, um die sogenannten Produktionsstunden pro Fahrzeug um ein Viertel zu verringern. Das erhöhe die Ausbringung: Es werden mehr Vans in der gleichen Zeit produziert.
Darüber hinaus soll die Anzahl der aktuell teils mehr als hundert Portfoliopositionen bei einigen Fahrzeugen mittelfristig um fast ein Drittel dezimiert werden. Das beträfe vor allem Ausstattungsvarianten, nicht die Modelle selbst. Zudem werden Funktionen in der Administration zusammengelegt, wobei auf Kündigungen verzichtet wird: „Es gibt kein Personalabbauprogramm, aber da, wo wir Funktionen bündeln und digitalisieren, machen wir keine Folgeeinstellungen“, betonte Van-Chef Mathias Geisen.
16,5 Prozent Umsatzrendite
Eine konkrete Einsparsumme nannte der Manager nicht, im Vorjahr lagen die Fixkosten aber bereits um etwa sieben Prozent unter dem Jahr 2019. Dieses Jahr soll noch einmal ein deutlicher Sprung bei der Effizienzsteigerung erreicht werden.
Die Sparpläne wirken auf den ersten Blick überraschend. Im ersten Quartal konnte Mercedes-Vans seinen Betriebsgewinn auf 762 Millionen Euro mehr als verdoppeln und erzielte eine rekordhohe Umsatzrendite von 16,5 Prozent. Auf den zweiten Blick steht die Division aber gehörig unter Druck.
Geisen will den Anteil leichter Nutzfahrzeuge mit elektrischen Antrieben am Gesamtabsatz von heute lediglich vier Prozent bis 2026 auf 20 Prozent erhöhen. Zum Ende des Jahrzehnts sollen es mehr als 50 Prozent sein. Das Problem: Die Herstellung vollelektrischer Kleintransporter ist um ein Vielfaches teurer als jene von Pkw. Intern ist von „immensen Mehrausgaben“ die Rede.
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Allein die Batterien, die in Fahrzeugen wie dem mehr als sechs Meter langen und 2,7 Meter hohen E-Sprinter zum Einsatz kommen, sind deutlich größer und schwerer als jene, die in herkömmlichen Autos genutzt werden. Die Sicherheitsanforderungen für Gewerbefahrzeuge sind zudem höher, ebenso die transportierten Lasten.
„Eine Kostenparität zwischen Verbrennern und vollelektrischen Fahrzeugen sehen wir in diesem Jahrzehnt nicht“, konstatiert Geisen. Folglich sei auch „kein Verbrenner-Stopp“ geplant. Sowohl das Geschäft mit batterieelektrischen Fahrzeugen als auch das mit Dieselaggregaten läuft weiter.
50 Prozent identische Teile
Der Manager verspricht indes, die operative Marge von Mercedes-Vans in den kommenden Jahren trotz steigender Elektroverkäufe dauerhaft im zweistelligen Prozentbereich zu halten. Möglich werden soll das nicht zuletzt über Synergieeffekte bei Einkauf, Entwicklung und Produktion mit der Pkw-Sparte, die etwa siebenmal so groß ist.
Bis zu 50 Prozent der genutzten Teile zwischen den Divisionen sind bereits identisch. Mit der Elektroplattform VAN.EA strebt Geisen weitere Einsparungen an. Die Architektur, auf der ab 2026 alle neuen großen und mittelgroßen Transporter mit elektrischen Antrieben produziert werden, sieht etwa einheitliche Vorderachsen und Batteriegehäuse sowie Elektromotoren in unterschiedlichen Ausprägungen in den Segmenten vor. Das betrifft etwa die Modelle Sprinter und Vito.
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Überhaupt will sich Geisen verstärkt auf die großen Modelle fokussieren sowie das lukrative Privatkundengeschäft. Derzeit verkauft seine Einheit acht von zehn Fahrzeugen an Gewerbekunden, etwa Paketdienste und Handwerker. Diese ordern besonders häufig den Sprinter. Der Kastenwagen steht für mehr als die Hälfte des Absatzes von jährlich mehr als 415.000 Fahrzeugen.
Im Privatkundegeschäft gelten derweil die Busse der V-Klasse als Margengarant. Insbesondere in China gebe es noch großes Potenzial bei Luxus-Vans. Spartenchef Geisen erwägt auf Basis der VAN.EA-Plattform ab 2025 sogar den Aufbau einer Fertigung vor Ort.
Anders als die Pkw-Einheit von Mercedes ist die Transporter-Division bisher kaum in Fernost präsent. Fast zwei Drittel der Vans mit Sternenlogo werden in Europa verkauft. Geisen will diese Abhängigkeit von der EU reduzieren und forciert neben China den Vertrieb in den USA. Die Verkäufe dort sollen in den kommenden Jahren „signifikant“ und „profitabel“ gesteigert werden, kündigt Geisen an.
Kleine Vans auf Abstellgleis
Insgesamt schwört der einstige Strategiechef von Mercedes und nach wie vor enge Vertraute von Konzernchef Ola Källenius auf das „Top-End-Segment“ und besonders lukrative Anwendungsfälle. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, auf welches Segment Geisen explizit nicht eingeht – die kleinen Vans.
Mit dem Citan für Gewerbekunden und der T-Klasse für Privatnutzer ist Mercedes zwar weiterhin in dem Segment vertreten. Aber viele Topmanager von Mercedes hadern seit jeher mit diesem Geschäft, basieren die kleinen Vans doch auf einer Kooperation mit Renault.
Die Franzosen waren einst ein gern gesehener Partner, auch den Kleinwagen Smart baute man zusammen. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Der Massenhersteller Renault ist mit der Luxusstrategie von Mercedes-CEO Ola Källenius schwerlich kompatibel. Es ist daher fraglich, ob Citan und T-Klasse in einigen Jahren in neuer Generation aufgelegt werden.
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