Berlin Der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, wechselt überraschend doch nicht nach Österreich. Der 55-Jährige hat das Angebot, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien zu werden, abgelehnt. Das geht aus einer Mitteilung des Freiburger Eucken-Instituts, das Feld somit weiterhin leitet, von Freitagabend hervor.
Vorausgegangen battle eine monatelange Unklarheit über Felds Zukunft, in der sowohl sein bisheriger Arbeitgeber als auch die Geldgeber seines neuen Instituts involviert waren.
Im Juni 2021 hatte das IHS erklärt, Feld in die Alpenrepublik lotsen zu wollen. Bis Herbst, so hatte man es damals offiziell kommuniziert, hatten sich die Beteiligten einigen wollen. Die Stelle am IHS battle freigeworden, weil der bisherige Leiter Martin Kocher in der neuen österreichischen Bundesregierung zum Arbeitsminister berufen wurde. Doch bis heute steht die Denkfabrik, die als eines der wichtigsten Wirtschaftsinstitute Österreichs gilt, ohne Spitze da.
Grund für die monatelange Hängepartie battle nach Handelsblatt-Informationen unter anderem eine fehlende Einigung zwischen Feld und der Universität Freiburg. Dort lehrt der Wissenschaftler seit 2010 und ist Präsident des angeschlossenen Eucken-Instituts.
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Erhalten ranghohe Ökonominnen oder Ökonomen einen Ruf aus dem Ausland, ist es in Deutschland üblich, dass ihre bisherige Universität sie für den Zeitraum freistellt. Doch es ist nicht obligatorisch.
Wohl keine Einigung mit Uni Freiburg über Rückkehr-Possibility
Und so hatte sich die Uni unter Führung des Landes Baden-Württemberg dem Vernehmen nach lange geweigert, Feld freizustellen, und vielmehr verlangt, dass er dann ganz geht. Felds Vertrag am IHS wäre befristet gewesen. Wäre es danach nicht zu einer Einigung auf eine weitere Zusammenarbeit gekommen, wäre er ohne Possibility auf eine Rückkehr dagestanden.
Das IHS hatte Feld bis zum Ende der laufenden Woche Zeit gegeben, sich zu entscheiden, berichten Beteiligte. Zu einem Kompromiss zwischen Feld und der Uni ist es nun offenbar nicht gekommen. In der Mitteilung heißt es, Feld nehme das „Bleibeangebot“ aus Freiburg an, die Thematik wird in dem offiziellen Schreiben nicht weiter ausgeführt.
Ein weiterer Grund für Felds zögern liegt in der Umstrukturierung der österreichischen Ökonomie. Das beschrieb Feld in seiner Mitteilung auch ganz offen, auch wenn das IHS ihm ein „attraktives Angebot“ gemacht habe.
Für die Finanzierung des IHS ist unter anderem die Österreichische Nationalbank (OeNB) zuständig. Die OeNB will zukünftig neben den etablierten Instituten um das IHS weitere wirtschaftswissenschaftliche Forschungsstätten stützen.
Allerdings sieht es danach aus, dass der Förderbetrag gleichbleibt, obwohl er auf mehr Institute aufgeteilt werden muss. Womöglich steht das IHS dadurch in Zukunft mit weniger Geld da. Im Element geht es um die Frage, ob die Nationalbank von einer Grund- auf eine Projektfinanzierung umstellt.
„Den mündlichen Zusicherungen, das IHS habe dadurch keine Nachteile, ließ die OeNB zwar in der vorläufigen finanziellen Zusage für das Jahr 2022, aber nicht im Grundsatz Taten folgen“, heißt es in der Mitteilung des Eucken-Instituts.
Posse um Wirtschaftsweisen-Posten
Gleichwohl müsse das IHS umstrukturiert werden, „nicht zuletzt, weil das IHS vor allem im finanzwissenschaftlichen Bereich und somit im Kernbereich von Felds Forschungsinteressen deutlich gestärkt werden müsste. Dies würde erhebliche Anstrengungen erfordern, nicht ohne Querelen ablaufen und zu Belastungen führen.“
Felds klare Worte überraschen nicht, auch in fachlichen Debatten ist das seine Artwork der Kommunikation. Der gebürtige Saarbrücker ist so etwas wie die letzte Bastion des Ordoliberalismus unter den medial präsenten deutschen Wirtschaftswissenschaftlern. In der Ökonomie bekommen in der jüngeren Vergangenheit immer Forscherinnen und Forscher Gehör, die staatliche Eingriffe und eine laxe Schuldenpolitik präferieren.
Feld hält hingegen Eingriffe des Staates nur in den allerseltensten Fällen für geboten und steht für eine rigide Finanzpolitik ein. Nicht umsonst hieß seiner Freiburger Lehrstuhl „Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik“. Als Leiter des Eucken-Instituts führt er den Gedanken von Walter Eucken weiter, der die Freiburger Schule des Ordoliberalismus begründete.
Es ist nicht das erste Mal, dass Feld Mittelpunkt von Personalquerelen ist. Beim vergangenen Mal konnte er allerdings bloß zuschauen. Feld gehörte seit 2011 dem Sachverständigenrat an, dessen Mitglieder durch die Bundesregierung berufen werden. Seit 2020 battle er Vorsitzender, im Frühjahr 2021 lief sein Vertrag aus. Die Union wollte ihn gern verlängern. Dagegen legte die SPD allerdings ein Veto ein. Den Sozialdemokraten waren die Ansichten des Finanzwissenschaftlers zu liberal.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte anstelle Felds mit dem Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Jens Südekum oder DIW-Präsident Marcel Fratzscher lieber einen Ökonomen in das Gremium schicken, der der SPD nähersteht. Das lehnte aber wiederum die Union ab.
Am Ende wurde niemand neu in den Sachverständigenrat berufen, die eigentlich fünf Wirtschaftsweisen müssen daher vorläufig zu viert weitermachen. Die neue Bundesregierung ist inzwischen dabei, sich auf Felds Nachfolger oder Nachfolgerin zu verständigen. Eine Entscheidung hat die Ampel noch nicht getroffen, heißt es aus Regierungskreisen.
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