Düsseldorf, Berlin Larry Fink hat es bereits vor eineinhalb Jahren angekündigt: „Die nächsten 1000 milliardenschweren Start-ups werden im Bereich Climate Tech entstehen“, sagte der Chef des US-Vermögensverwalters Blackrock. Für die Bewältigung des Klimawandels seien Unternehmen nötig, die grünen Wasserstoff, Landwirtschaft, Stahl oder Zement entwickeln.
Die jüngsten Zahlen geben Fink recht: Mehr als 12,3 Milliarden US-Dollar wurden im vergangenen Jahr in grüne Technologien investiert.
Das ist noch mal eine Milliarde Dollar mehr als 2021 und so viel wie noch nie. So das Ergebnis einer neuen Analyse der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Die Zahlen liegen dem Handelsblatt exklusiv vor. „Obwohl Investitionen insgesamt eher zurückgehen, sehen wir bei den Investments in Greentech-Lösungen einen neuen Rekord“, sagt Mitautor Thomas Fritz von Oliver Wyman im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Im vergangenen Jahr ist die Summe, die Start-ups insgesamt über Finanzierungsrunden einsammeln konnten, um 53 Prozent gefallen. Nur die nachhaltigen Gründer konnten das Venture-Capital steigern. Von 2019 bis 2022 hat sich das von ihnen eingenommene Risikokapital sogar versechsfacht.
Dass die Klima-Start-ups im Vergleich zu nahezu allen anderen Jungfirmen so gut bei Investoren wegkommen, hat mehrere Gründe. Eine große Rolle spielt die durch den Ukrainekrieg ausgelöste Energiekrise. Für Schwung sorgen aber auch das US-Subventionsprogramm Inflation Reduction Act (IRA) und sein europäischer Konterpart, der Net Zero Industry Act.
Überlagert wird das laut Danijel Visevic, Partner beim Klimainvestor World Fund, von einer Bedrohung: „Die Klimakrise wird sich in den kommenden 20 Jahren verschlimmern – und damit werden der Bedarf an und die Nachfrage nach Klimatechnologien weiter steigen.“
Politik treibt Investitionen in grüne Technologien
„In vielen Bereichen hat die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten in den letzten Jahren auch aufgrund der angesprochenen politischen Unterstützung massiv angezogen“, sagt Andreas Schwarzenbrunner, der beim Frühphaseninvestor Speedinvest für alle Beteiligungen an Climate-Tech-Start-ups verantwortlich ist, dem Handelsblatt. Dazu gehört auch das Analytik-Software-Unternehmen Twaice aus München, das das Verhalten und die Lebensdauer einer Batterie vorhersagt und inzwischen bei Investoren ganze 75 Millionen Dollar eingesammelt hat.
Etwa 85 Prozent der Investitionen gingen im vergangenen Jahr an Start-ups aus den USA oder Europa. Überraschend gut schnitt dabei Deutschland ab. Das liegt laut Energieexperte Fritz vor allem an der hohen Anzahl erneuerbarer Wind- und Solaranlagen und dem vorgezogenen Kohleausstiegspfad. „Der Sprung von der Grundlagenforschung an der Universität in die Praxis ist hier sehr kurz“, erklärt Fritz. Die Energiekrise habe diesen Trend noch einmal beschleunigt. Das bestätigt Visevic mit Verweis auf Erhebungen des Datendienstes Tracxn: Im vergangenen Jahr sind in Europa 363 Climate-Start-ups im Energiebereich gegründet worden und nur 243 in den USA.“
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Während in der gesamten restlichen Start-up-Branche Ernüchterung eingekehrt ist und viele Start-ups vor allem bei Folgefinanzierungen Schwierigkeiten haben, sieht es im Climate-Tech-Bereich vergleichsweise gut aus. Das hänge damit zusammen, dass die aktuelle Wirtschaftsschwäche durch die hohen Energiepreise ausgelöst wurde, sagt Arne Morteani, Gründungspartner beim auf Klimatechnologien spezialisierten Fonds „Kiko Ventures“.
Investieren, um Abhängigkeiten zu reduzieren
In der Folge suchen Investoren verstärkt nach Möglichkeiten, um Energieabhängigkeiten zu reduzieren. Gleichzeitig befänden sich Industrien wie die Autobranche und der Energiesektor an einem Wendepunkt, sagt Morteani. Sie hätten begriffen, dass sie selbst die Veränderung einleiten müssten, und versuchten nun so schnell wie möglich, vor die Bewegung zu kommen. In Deutschland ist „Kiko Ventures“ in den Mehrweggeschirr-Spezialisten Vytal und den Heizungs-App-Pionier Tado investiert, der erst im vergangenen Monat seine Finanzierungsrunde auf 55 Millionen Euro erweiterte.
Das ist noch nichts im Vergleich zum neuen deutschen Vorzeige-Start-up Enpal. Der Vermieter von Solaranlagen sicherte sich zum Jahresstart 215 Millionen Euro und wurde dabei erstmals mit mehr als zwei Milliarden Euro bewertet. Das war eine der wenigen Finanzierungsrunden in diesem Jahr, in denen das Unternehmen deutlich aufgewertet wurde.
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Beim Werben um Investorengelder dürfte Enpal und anderen auch geholfen haben, dass viele professionelle Anleger inzwischen in nachhaltige Trends investieren müssen. „Hier kommen der ESG-Trend und die damit verbundene Regulatorik für institutionelle Investoren zum Tragen“, sagt Schwarzenbrunner, der aktuell hauptsächlich nach Start-ups aus dem Energiebereich Ausschau hält. Vor allem „neue Geschäftsmodelle, die mit der höheren Verbreitung von erneuerbaren Energien und E-Mobilität möglich werden“, interessieren ihn.
Auch die Experten von Oliver Wyman kommen in ihren Berechnungen zu dem Schluss, dass in die Bereiche Batterietechnologien und Speicher besonders viel Geld fließt. Mit einem solchen Fokus konnte erst kürzlich das Start-up Voltfang punkten, das Energiespeicher aus recycelten Autobatterien herstellt. Es erhielt eine Geldspritze unter anderem von den Spezialinvestoren Proptech1 Ventures und Aenu.
Ähnlich wie bei den Start-ups ist inzwischen auch bei den Geldgebern eine ganze Reihe von spezialisierten Klimainvestoren entstanden. Dazu zählen neben Aenu auch der World Fund sowie Planet A.
Außerdem entstehen ganz neue Felder, in die in Zukunft laut Wyman-Experte Fritz deutlich mehr Geld fließen dürfte. So stieg nicht nur die Investitionssumme in Innovationen rund um die Abspaltung, Speicherung und Weiterverwendung von CO2 innerhalb von drei Jahren von 100 auf 600 Millionen US-Dollar. Auch Wasserstoff, Fusionsenergie und Emissionsdatentools ziehen immer mehr Aufmerksamkeit und finanzstarke Investoren auf sich.
Finanzierungsschwäche dürfte auch grüne Start-ups treffen
Allerdings dürften die Investitionen in diesem Jahr auch im Bereich grüner Start-ups zurückgehen, prognostiziert die Unternehmensberatung Oliver Wyman. „Der Gesamtmarkt ist unter Druck, die Kapitalverfügbarkeit geringer, aber das Feld nachhaltiger Technologien wird sich als Schwerpunkt halten“, glaubt Fritz. Man werde sich dem Trend nicht vollständig entziehen können. Einer aktuellen Studie des World Fund zufolge, die dieser gemeinsam mit der Cleantech Group und PwC erarbeitet hat, fehlt es vor allem an Kapital für Unternehmen, die die Gründungsphase überstanden haben und sich nun am Markt behaupten müssen. Aktuell seien nur 16 Prozent des Bedarfs an Klimafinanzierung gedeckt.
Laut Oliver Wyman müssten bis 2037 knapp 900 Milliarden Euro allein in Deutschland investiert werden, um den Wandel der Wirtschaft voranzutreiben. Allein 650 Milliarden Euro davon bräuchte es schon, um genügend Wind-, Solarparks und Speicher aufzubauen.
Zum Vergleich: Seit 2004 wurden laut Bloomberg New Energy Finance in die Energiewende insgesamt 6,7 Billionen Dollar weltweit investiert.
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