Frankfurt Während der Coronakrise waren die aktivistischen Investoren zurückhaltend. Doch damit ist es jetzt vorbei. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) rücken in diesem Jahr Dutzende von Unternehmen im deutschsprachigen Raum ins Visier der Aktivisten.
Nach der Analyse sind 64 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz „äußerst gefährdet“. Aktivistische Investoren sind in der Regel angelsächsische Hedgefonds, die zum Beispiel von einer schwachen Efficiency der Aktien oder strukturellen Schwächen der Konzerne angezogen werden.
Sie kaufen sich kleinere Anteile und versuchen dann, beispielsweise über Sitze im Aufsichtsrat die strategische Ausrichtung der Unternehmen zu beeinflussen. Für die Experten von BCG sind rund 90 Prozent der Konglomerate gefährdet, die nicht fokussiert sind auf einen Geschäftsbereich.
„Im vergangenen Jahr sind die Aktienkurse stark gestiegen, deswegen gab es relativ wenige Angriffspunkte für die Aktivisten. Aber diese Zeit ist vorbei, die Kursschwankungen an den Börsen nehmen wieder zu, es gibt Schwächephasen. Damit werden sich die aktivistischen Aktionäre vermehrt zurückmelden, auch in Deutschland“, sagt BCG-Accomplice Rüdiger Wolf.
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In Deutschland konfrontierte zuletzt der Investor Petrus Advisers die Aareal Bank mit seinen Forderungen, unter anderem zur Besetzung des Aufsichtsrats. Im deutschsprachigen Raum hatten in der Vergangenheit schon Großkonzerne wie SAP, Deutsche Bank, Commerzbank, Rocket Internet, Scout24 und Nestlé mit Hedgefonds und aktivistischen Finanzinvestoren Bekanntschaft gemacht.
Forderungen werden selten öffentlich gemacht
Als schon länger gefährdete Unternehmen galten Anfang Februar dieses Jahres in Finanzkreisen etwa RWE, Deutz und Max Automation. Ende 2021 waren aktivistische Investoren laut BCG in 128 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum investiert, ein Jahr zuvor waren es 113.
Gleichzeitig seien nur 16 Unternehmen öffentlich mit Forderungen der Aktivisten konfrontiert worden, deutlich weniger als im Vorjahr. Die meisten „Interaktionen“ spielten sich laut Insidern hinter verschlossenen Türen ab.
„Die Anzahl der neuen Attacken hat zwar in 2021 abgenommen, die Anzahl bestehender Beteiligungen aktivistischer Investoren hat hingegen weiter zugenommen. Das zeigt, viele Investoren sind gekommen, um zu bleiben“, erklärt Berater Wolf.
Außerdem haben die Hedgefonds mit den ESG-Kriterien für ökologische und soziale Maßstäbe neue Ansatzpunkte für Kampagnen. Laut dem Fachdienst Insightia nahmen die Forderungen mit einem Umweltbezug im vergangenen Jahr weltweit um 18 Prozent zu. Zu den Unternehmen, die erst seit Kurzem als gefährdet gelten für aktivistische Vorstöße, zählen in Finanzkreisen etwa Delivery Hero, Klöckner, Koenig & Bauer sowie Nordex.
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Die Foundation für die BCG-Untersuchung bilden 430 Unternehmen, die jeweils eine Marktkapitalisierung von mindestens 100 Millionen Euro aufweisen sowie einen Streubesitz von mindestens fünf Prozent. „Um beurteilen zu können, ob ein Unternehmen gefährdet ist, nehmen wir uns neun Kategorien vor. Beispielsweise wird untersucht, ob der Aktienkurs den Zielen der Analysten entspricht und wie hoch die Verschuldungsquote innerhalb der Kapitalstruktur ist“, sagt Johannes Burkhardt, Co-Autor der Studie.
Bei Unternehmen aus den Bereichen Industrie und Konsumgüter finde man oft noch den Kursabschlag wegen der Konglomeratsstruktur, bei den hiesigen Tech-Gesellschaften spiele beispielsweise der Aktienkurs im Vergleich zu der Peer-Gruppe aus den USA eine Rolle.
BCG empfiehlt den Vorständen, zur Vorbeugung gegen aktivistische Vorstöße die Regeln des Kapitalmarkts zu akzeptieren. Dazu gehöre auch die Kommunikation mit den Anteilseignern, etwa über die Dividendenpolitik. Und man müsse bei der Kommunikation die Innovationen in den Vordergrund stellen, etwa wenn es um E-Mobilitätslösungen oder digitale Anwendungen geht.
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