Die EU hängt bei den eigenen Klimazielen hinterher.
Das Inflationsbekämpfungsgesetz „Inflation Reduction Act (IRA)“ soll in den USA nicht nur die Reduktion der Treibhausgasemissionen beschleunigen. Staatliche Subventionen für Unternehmen sollen vor allem die amerikanische Technologieführerschaft in Zukunftsbereichen wie der Wasserstoffproduktion sicherstellen. Der IRA ist ein Instrument, um die geopolitischen Ambitionen der USA mit zusätzlichen öffentlichen Ausgaben zu forcieren.
Wie soll Europa darauf reagieren? Ein Wettrüsten mit grünen Subventionen kann nicht das Ziel sein. Die Antwort der EU-Mitgliedstaaten auf diese Herausforderung sollte vielmehr den langfristigen Aufbau neuer europäischer Finanzierungsinstrumente für Investitionen beinhalten, um die strategische Autonomie Europas in Zeiten großer geopolitischer Unsicherheiten zu stärken.
Mit zusätzlichen Investitionen, bezahlt über ein permanentes EU-Finanzierungsinstrument, könnte die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gestärkt werden. Dafür müsste die Dekarbonisierung vorangetrieben und die Infrastruktur ausgebaut werden.
In einer aktuellen Studie mit dem Titel „RRF 2.0“ argumentieren Andreas Lichtenberger und ich, dass ein permanenter EU-Investitionsfonds in der Höhe von jährlich mindestens einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung eingerichtet werden sollte, um Klima- und Energieziele zu erreichen und zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen zu befördern. Die in Aussicht stehende Reform der EU-Budgetregeln wird den nationalen Regierungen keine ausreichenden Spielräume geben, dies aus eigenen Etats zu stemmen.
Für die Finanzierung des neuen EU-Investitionsfonds würde die EU-Kommission Anleihen begeben – nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“. Die Mitgliedstaaten würden nicht einzeln für die EU-Anleihen haften; die Haftung bliebe bei der EU.
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Die Verwendung der Investitionsmittel durch die Mitgliedstaaten würde daran gebunden, dass sie Klima- und Energieziele verfolgen. Eine Verbesserung der Transport- und Energieinfrastruktur könnte die Zukunftsfähigkeit der Industrie stärken. Die nationalen Haushalte wären entlastet, und die Finanzstabilität Europas würde durch die Emission sicherer Anleihen erhöht, die auch von Pensionsfonds und Versicherungen gekauft werden könnten.
Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).
Ein permanenter EU-Investitionsfonds für Klima und Energie würde die Gemeinschaft der EU-Mitgliedstaaten nicht nur von innen heraus wirtschaftlich und politisch stärken, sondern auch ihre zukünftige geostrategische Handlungsfähigkeit gegenüber Russland, China und den USA fördern.
Um die geostrategischen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, sollte die europäische Souveränität durch strategische Investitionen mit einem gemeinsamen Finanzierungsinstrument gestärkt werden.
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