Gegen einen früheren Manager der Prüffirma ist Anklage erhoben worden. Er soll für sexuelle Gefälligkeiten Interna aus dem Bundesgesundheitsministerium verraten haben.
Düsseldorf Die Staatsanwaltschaft Berlin hat Anklage gegen einen früheren Teamleiter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erhoben. Der Vorwurf lautet auf Bestechlichkeit und Verletzung von Privat- und Dienstgeheimnissen. Die Behörde nannte den Namen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht, nach Informationen des Handelsblatts handelt es sich um die Big-Four-Gesellschaft EY.
Der hochrangige Manager soll „einer 29-Jährigen vertrauliche Informationen für einen Rechtsstreit mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gegeben haben“, teilte die Staatsanwaltschaft Berlin in einer Pressemitteilung mit. Nach den Erkenntnissen der Ermittler hatte der damals 51-jährige Angeschuldigte der Frau bei einem Treffen Anfang Juli 2020 das Angebot gemacht, ihr „im Austausch für sexuelle Gefälligkeiten“ zu helfen.
Es sei dann zu mehreren Treffen mit „körperlichen Annäherungen gekommen“. Die Frau habe dem Mann „aufreizende Bilder“ geschickt. Im Anschluss soll der EY-Prüfer sie dann beispielsweise mit internen Prüfberichten versorgt haben, so die Staatsanwaltschaft.
EY stellte Mitarbeiter frei
EY betonte auf Nachfrage, die im Raum stehenden Vorwürfe gegen den ehemaligen Mitarbeiter sehr ernst genommen zu haben. Man habe umgehend Untersuchungen durch eine externe Anwaltskanzlei eingeleitet. „Im Zuge der Untersuchungen ist der betroffene Mitarbeiter damals im Herbst 2021 ausgeschieden“, sagte ein EY-Sprecher.
Die Firma verfüge über ein strenges Compliance-Management-System und achte bei der Bearbeitung sämtlicher Mandate streng auf die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben. „Verstöße gegen Verschwiegenheitsverpflichtungen werden durch EY nicht toleriert“, sagte der Sprecher. Die Anwältin des Ex-Managers reagierte auf kurzfristige Nachfrage bislang nicht.
Der EY-Manager beriet das BMG während der Coronakrise zwischen Juli 2020 und Januar 2021 beim Kauf von Atemschutzmasken. Die 29-Jährige führte zu der Zeit als geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH einen Zivilrechtsstreit gegen das BMG wegen Verträgen über die Lieferung von Atemschutzmasken.
Auch gegen sie hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Ihr werfen die Strafverfolger Anstiftung zur Bestechlichkeit sowie Bestechung jeweils in drei Fällen vor. Im Januar 2021 soll sie versucht haben, den Manager einzuspannen, „um einen erneuten Vertrag über den Kauf von Atemschutzmasken mit dem BMG zu bekommen“.
Im September 2021 hatte der Tagesspiegel über den mutmaßlichen Skandal berichtet. Die Zeitung löste damit laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft mittelbar die Ermittlungen aus. Zunächst kam es zu internen Untersuchungen beim Ministerium und EY. Beide erstatteten anschließend Strafanzeige.
Laut Tagesspiegel war die Firma der 29-Jährigen im Frühjahr 2020 dem Aufruf des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn gefolgt und hatte Atemschutzmasken an das Ministerium geliefert. Dafür soll ein niedriger sechsstelliger Euro-Betrag ausgestanden haben. Um das Geld gab es demnach Streit.
EY war seinerzeit für die Abwicklung der Verträge des BMG zwischengeschaltet, fast sämtliche Kommunikation mit den Händlern soll über die Beratungsfirma gelaufen sein.
Chats sollen Weitergabe von Informationen belegen
Dass es dann zu Treffen zwischen dem Manager und der jungen Frau kam, ist unstrittig. Einige der Treffen sollen unter anderem durch Fotos eines Privatdetektivs dokumentiert sein, den dem Tagesspiegel zufolge der offenbar misstrauisch gewordene Ehemann der Frau beauftragt haben soll. Der Zeitung gegenüber hatten Anwälte des Ex-EY-Mitarbeiters erklärt, der Kontakt zu der Frau habe auf „vollständiger Gegenseitigkeit“ beruht.
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EY gab seinerzeit gegenüber dem Tagesspiegel zunächst an, die Anschuldigungen seien „sehr unspezifisch“ gewesen „und nie in prüfbar konkretisierter Weise erhoben“ worden.
Die Staatsanwaltschaft kam im Zuge ihrer Ermittlungen offensichtlich zu anderen Erkenntnissen. Von der Frau gespeicherte Chats sollen dem Tagesspiegel zufolge belegen, wie der EY-Mitarbeiter ihr vertrauliche Informationen aus dem Gesundheitsministerium zukommen ließ.
Nach dem Wirecard-Bilanzskandal schadet die Affäre erneut der Reputation von EY, wenngleich die Dimension nicht vergleichbar ist. Im Fall Wirecard fordern zahlreiche Aktionäre Schadensersatz von EY, weil die Firma jahrelang die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters freigezeichnet hatte. Jüngst hat die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas harte Sanktionen gegen die Firma verhängt.
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