Am Düsseldorfer Medienhafen: Der US-Anbieter steht vor dem Börsengang.
(Foto: Kim Pottkämper)
Berlin Die E-Scooter-Branche sortiert sich gerade neu. Zuletzt hatte der deutsche Marktführer Tier Mobility Finanzkreisen zufolge mit dem schwedischen Rivalen Voi über eine Fusion verhandelt. Für den großen US-Konkurrenten Lime ist das aber kein Grund zur Unruhe: „Eine Konsolidierung dürfte der gesamten Industrie helfen“, sagte Firmenchef Wayne Ting im Gespräch mit dem Handelsblatt. Vielen Scooter-Anbietern gehe es aktuell nicht gut.
Die Schwäche der Konkurrenz wollen die US-Amerikaner aber nicht für Übernahmen nutzen. Lime will stattdessen den eigenen Börsengang vorbereiten – und wartet eigentlich nur noch auf den richtigen Zeitpunkt. Vieles dürfte davon abhängen, wie das Debüt des britischen Chipdesigners Arm am Aktienmarkt diese Woche verläuft.
Ursprünglich wollte Lime bereits 2022 an die Börse gehen. Doch der Umschwung an den Kapitalmärkten stoppte diese Pläne.
Lime will Investitionen bald selbst finanzieren können
Um sich für einen neuen Anlauf fit zu machen, hat Ting aufgeräumt und mächtig eingespart – dabei aber im Gegensatz zu Konkurrenten wie Tier, Superpedestrian, Bird oder Voi keine Mitarbeiter entlassen. Vorbei sind allerdings die Zeiten, in denen Lime ständig in neue Länder expandierte. Das Unternehmen konzentriert sich auf die bestehenden Märkte. Aktuell ist Lime in 30 Ländern aktiv.
Das zahlt sich aus: Seit eineinhalb Jahren schreibt Lime zumindest auf Basis des Betriebsgewinns (Ebitda) ein positives Ergebnis. Von Januar bis Juni lag das bereinigte Ebitda bei 27 Millionen Dollar, nach 15 Millionen im gesamten Jahr 2022. Fünf Jahre werden die Fahrzeuge des Unternehmens im Schnitt eingesetzt – länger als bei der Konkurrenz. Und auch der Trend zu austauschbaren Batterien macht den Betrieb günstiger.
Die Erlöse kletterten in den ersten sechs Monaten des Jahres auch dank zahlreicher gewonnener Ausschreibungen um 45 Prozent auf 250 Millionen Dollar – damit stiegen sie deutlich stärker als beim Konkurrenten Tier, der im Gesamtjahr 2023 auf rund 300 Millionen Euro kommen will. Konkrete Zahlen für Deutschland will Lime nicht veröffentlichen, das Unternehmen teilte lediglich mit, dass die Zahl der aktiven Nutzer um gut fünf Prozent gestiegen sei.
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„Wir wollen in diesem Jahr Cashflow-positiv sein“, sagt Firmenchef Ting. „Dann können wir alle unsere Investitionsausgaben selbst finanzieren.“ Das sei ein wichtiger „Schritt in Richtung einer gesunden Industrie“ und auch ein Wendepunkt. Denn bislang ist dies keinem Anbieter gelungen, der Einblick in seine Zahlen gewährt.
Der US-Konzern Bird, der sich bereits aus dem deutschen und vielen anderen Märkten zurückgezogen hat, ist bisher als einziges Unternehmen der Branche börsennotiert. Im zweiten Quartal näherte sich Bird zwar langsam der positiven Free-Cashflow-Grenze, allerdings ist der Umsatz dabei deutlich eingebrochen.
Der Lime-Chef setzt weiterhin auf Europa – trotz des Scooter-Verbots in Paris.
(Foto: Lime)
Während der Coronapandemie war die E-Scooter-Branche zum Liebling der Investoren aufgestiegen und konnte problemlos hohe Investitionssummen gewinnen. Doch diese Zeiten sind angesichts der Zinswende und der weltweiten Konsumschwäche vorbei.
Darüber hinaus muss die Branche beweisen, wie wirtschaftlich nachhaltig ihr Geschäft wirklich ist. Aktuell machen alle Anbieter netto noch Verluste. Das schreckt Investoren ab. Einstige Stars wie das Start-up Voi haben mittlerweile ihren Einhorn-Status eingebüßt, werden also nicht mehr mit einer Milliarde Dollar bewertet.
Ting: Keine Stadt will es Paris nachmachen
Neben den finanziellen wachsen auch die regulatorischen Anforderungen: Lime trifft insbesondere das E-Scooter-Verbot in Paris. Nach einer Bürgerbefragung hatte die französische Hauptstadt ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen die Lizenzen für Lime sowie Dott und Tier nicht mehr verlängert. Seit 1. September sind die ursprünglich 5000 weiß-grünen Lime-E-Scooter von den Pariser Straßen verschwunden. Stattdessen habe man die Zahl der E-Bikes auf 10.000 ausgebaut, sagt Ting.
Neben den E-Scootern sind die E-Bikes mittlerweile ein wichtiges Standbein für das Unternehmen. Im Rahmen einer Finanzierungsrunde hatte Lime vor drei Jahren die roten Jump-E-Bikes von Uber übernommen.
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Trotz der Pariser Entscheidung setzt Ting große Hoffnungen auf den europäischen Markt. Keine andere Stadt habe bislang angekündigt, dem Pariser Beispiel zu folgen. Und auch bei den Produkten, die das Unternehmen nutzt, will der Firmenchef stärker auf Europa setzen. „Mittlerweile finden einige der letzten Montierungsschritte an unseren Zweirädern in Europa statt und nicht nur in Asien. Das soll in der nächsten Zeit mehr werden.“
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