Frankfurt Die Deutsche Bank hofft auf ein Ende der Flaute bei Fusionen und Übernahmen und stellt in diesem Bereich neue Leute ein. „Wir haben in den vergangenen Wochen etwa 25 hochrangige Spezialisten für die Beratung bei Übernahmen und Fusionen eingestellt, für Deutschland, Europa, Nordamerika und für bestimmte strategisch wichtige Branchen wie Konsumgüter und Energie“, sagte der für die Unternehmens- und die Investmentbank zuständige Vorstand Fabrizio Campelli dem Handelsblatt.
„Wir planen auch weitere Einstellungen, das ist Teil unseres Investitionsprogramms“, ergänzte Campelli. Die Neueinstellungen stehen im Kontrast zu den Einsparungen, die die Bank bei kundenfernen Hintergrundarbeiten plant. Dort sollen etwa durch die Automatisierung von Prozessen Stellen abgebaut werden, darunter auch die Jobs von 800 höherrangigen Beschäftigten.
Bislang spielt das Emissions- und Beratungsgeschäft (Origination and Advisory) der Bank im Vergleich zum Anleihe- und Devisenhandel eine vergleichsweise geringe Rolle. Die Einnahmen aus dem Handelsgeschäft waren im Jahr 2022 neun Mal so hoch wie in der Beratungssparte. Das soll sich nun ändern.
„Wir wollen den Bereich Origination and Advisory, genauer die strategische Beratung für Unternehmenskunden, ausbauen. Der Bereich ist strategisch wichtig für uns, weil er auf unsere Strategie der globalen Hausbank einzahlt und wenig Eigenkapital benötigt“, sagte Campelli. Damit spielt er darauf an, dass die Bank für Aktivitäten im bislang dominierenden Handels- und Finanzierungsgeschäft weitaus mehr Eigenkapital als Sicherheitspuffer einsetzen muss. Je geringer der Kapitaleinsatz ist, desto höher ist die Rendite auf das eingesetzte Kapital.
Finanzvorstand James von Moltke hatte bei der Vorstellung der Quartalszahlen am vergangenen Donnerstag deutlich gemacht, dass die Bank sich künftig genau ansehen will, wie hoch der Eigenkapitalbedarf bestimmter Aktivitäten im Verhältnis zu den erzielbaren Einnahmen ist.
Deutsche Bank profitierte von Steuereffekt
Denn das Institut will seine Nachsteuerrendite auf das materielle Eigenkapital bis Ende 2025 auf zehn Prozent steigern. Im vergangenen Jahr hatte das Institut eine Rendite von acht Prozent erzielt, verdankte dies aber in großen Teilen einem einmaligen Steuereffekt.
Die stärkere Ausrichtung auf eine gute Eigenkapitalrendite macht sich in einigen Punkten schon bemerkbar. So hat die Bank bereits angekündigt, dass sie ihr Baufinanzierungsgeschäft stutzen will, unter anderem weil der Eigenkapitalbedarf für Immobilienkredite gestiegen ist. Im Investmentbanking hat die Bank wiederum ihre Finanzierungen im Bereich Leveraged Loans reduziert, weil diese Hochrisikokredite für Private-Equity-Firmen ebenfalls einen hohen Eigenkapitaleinsatz verlangen.
Die Expansion im wenig kapitalintensiven Beratungsgeschäft passt zu dieser Neuausrichtung der Bank – und der Zeitpunkt für Einstellungen ist aus Campellis Sicht günstig. „Für gute Leute muss man derzeit weniger zahlen als noch vor einem Jahr“, sagte er.
Der Vorstoß des Geldhauses im M&A-Bereich (Mergers and Acquisitions) ist dennoch keine Selbstverständlichkeit: Immerhin hat die Flaute auf diesem Markt die Einnahmen im vergangenen Jahr um mehr als 60 Prozent auf knapp eine Milliarde Euro schrumpfen lassen. Und auch im ersten Quartal 2023 hat das Institut mit 327 Millionen Euro rund ein Drittel weniger eingenommen als im ersten Quartal 2022. Das entsprach 38 Prozent der Erlöse der Investmentbanksparte.
„Unsere Einnahmen aus dem strategischen Beratungsgeschäft sind weniger stark gefallen, als das im Durchschnitt bei unseren Wettbewerbern der Fall war“, sagte Campelli. Seit dem dritten Quartal seien die Marktanteile der Bank Angaben des Datenanbieters Dealogic zufolge um 0,7 Prozentpunkte gestiegen. Die Bank will ihren Marktanteil im M&A-Bereich auf 4,5 Prozent mehr als verdoppeln, wie der Chef der Beratungssparte, Mark Fedorcik, der „Financial Times“ sagte.
Fedorciks Chef Campelli sieht mittlerweile außerdem erste Anzeichen für eine Trendwende am Markt. „Der Rückgang des Gebührenpools im Beratungsgeschäft scheint nach vier rückläufigen Quartalen gestoppt zu haben.“ Die am Markt insgesamt erzielbaren Beratungserlöse seien im ersten Quartal so hoch wie im vierten Quartal 2022 gewesen. „Wir rechnen mit einer Erholung des Geschäfts ab dem dritten Quartal dieses Jahres“, sagte Campelli.
Deutsche Bank kauft Investmentboutique Numis
Ihren Ehrgeiz hatte die Bank am Freitag auch mit der Übernahme der britischen Boutique-Investmentbank Numis gezeigt. Numis ist unter anderem als Börsenmakler aktiv, bietet aber auch Aktienanalysen und Beratungsdienste bei Firmenübernahmen an.
Für die Deutsche Bank ist die Übernahme die wichtigste Transaktion seit Jahren, gerade im Investmentbanking. Denn eigentlich hatte die Deutsche Bank das Investmentbanking gestutzt, um stabile Geschäftsfelder wie das Firmen- und Privatkundengeschäft zu stärken.
Die JP-Morgan-Analysten Kian Abouhossein und Amit Ranjan bezeichneten den Deal als „überraschend“ und „sehr erklärungsbedürftig“. Wie skeptisch viele Investoren noch immer große Investmentbanking-Einheiten bei Kreditinstituten sehen, hatten auch die Kursreaktionen bei Bankaktien während der Kursturbulenzen im März gezeigt, als zunächst die Silicon Valley Bank pleiteging und dann die Credit Suisse durch eine Notfusion gerettet werden musste. Damals hatten vor allem die Aktien der Deutschen Bank und von Barclays gelitten, da beide Institute relativ stark im Investmentbanking engagiert sind.
Die Deutsche Bank bietet Aktionären von Numis 350 Pence je Aktie und bewertet das Unternehmen damit mit 410 Millionen britischen Pfund. Der Numis-Vorstand empfiehlt seinen Anteilseignern die Annahme des Barangebots. Die Deutsche Bank geht davon aus, dass die Transaktion im vierten Quartal 2023 abgeschlossen werden dürfte, und rechnet damit, dass sie sich bereits 2024 positiv auf den Gewinn je Aktie auswirken wird.
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