Einen Tag bevor Vorstandschef Christian Sewing seine neue Strategie vorstellt, versucht das Geldhaus nun, die Investoren zu beruhigen. „Unsere direkten Risikopositionen sind derzeit sehr begrenzt und werden strikt gesteuert“, betont Risikovorstand Stuart Lewis in einer Mitteilung am Mittwochabend. „Die Zweit- und Drittrundeneffekte, die sich aus der aktuellen State of affairs einschließlich Sanktionen und Cyberrisiken ergeben, überwachen und evaluieren wir aufmerksam.“
Der Mitteilung zufolge lag das Nettokreditengagement der Financial institution mit Russlandbezug Ende des vergangenen Jahres bei 0,6 Milliarden Euro nach Berücksichtigung von Garantien und Sicherheiten. Das Bruttokreditengagement betrug demnach 1,4 Milliarden Euro, was rund 0,3 Prozent des gesamten Kreditbuchs des Instituts entspricht. Das Nettokreditengagement mit Bezug auf die Ukraine beziffert die Financial institution auf 42 Millionen Euro.
Außerdem betont das Geldhaus, dass der größte Teil seiner Derivatepositionen mit Russlandbezug mittlerweile abgewickelt sei. Kredite an Kunden der Vermögensverwaltung aus der Krisenregion seien ausreichend abgesichert, und die Sicherheiten stünden in keinem Bezug zu Russland.
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Die Deutsche Bank habe ihre Präsenz und ihr Engagement in Russland bereits seit der Annexion der Krim 2014 deutlich verringert und in den vergangenen beiden Wochen nochmals reduziert, heißt es in der Mitteilung. Allerdings treibt die Investoren längst nicht mehr nur die Sorge vor einem direkten Russlandengagement um. Die Aktionäre fürchten, dass die durch den Krieg entstandenen gesamtwirtschaftlichen Risiken Sewings Sanierungserfolge infrage stellen könnten.
Operative Risiken in Russland
Der rasante Anstieg der Energiepreise schürt die Angst vor einer weltweiten Rezession, die zu höheren Kreditausfällen bei den Banken führen könnte. Außerdem könnte sich durch die schlechteren Konjunkturaussichten die von den Banken seit Langem erhoffte Zinswende verschieben. Zu Beginn des Jahres hatte vor allem die Hoffnung auf eine Normalisierung der Geldpolitik die Banken zur besten Branche im Börsenindex Stoxx Europe 600 gemacht. Mittlerweile schneidet keine Branche schlechter ab.
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Zu den wirtschaftlichen Gefahren kommen bei der Deutschen Bank operative Risiken. Das Geldhaus beschäftigt rund 1500 IT-Mitarbeiter in Moskau und St. Petersburg. „Es handelt sich nur um eines von mehreren Technologiezentren weltweit; ein Ausfall stellt deshalb kein wesentliches Risiko für den globalen Geschäftsbetrieb dar“, betont die Financial institution. Andere Technologiezentren zum Beispiel in Asien könnten die Entwicklungskapazitäten des russischen Standorts übernehmen.
Noch härter als die Frankfurter traf die Krise nur Banken mit großen Russlandtöchtern wie die französische Société Générale und die italienische Unicredit, deren Aktienkurse um mehr als 40 Prozent einbrachen. Die österreichische Raiffeisenbank Worldwide (RBI) gilt als das Institut mit dem größten Russlandrisiko, weil rund 40 Prozent der Gewinne aus Russland und der Ukraine kommen. Die Kursverluste der RBI summierten sich in den vergangenen vier Wochen auf 57 Prozent.
Alle drei Institute haben mittlerweile durchgerechnet, wie sich ein Totalverlust ihres Russlandengagements durch eine mögliche Enteignung durch das Putin-Regime auswirken würde. Sowohl die Société Générale als auch Unicredit versicherten, dass der Kapitalverlust weder ihre Dividendenzahlungen noch ihre Aktienrückkaufpläne beeinflussen werde. Die RBI hat angekündigt, die Dividende für 2021 erst einmal einzubehalten.
Neue Ziele nach der Sanierung
Konkrete Planungen zur Dividende und zu Aktienrückkäufen erwarten die Investoren am Donnerstag auch von der Deutschen Bank, die dann ihre neuen Ziele für die kommenden Jahre vorstellen wird. Vorstandschef Stitching hatte dem Geldhaus Mitte 2019 einen harten Sanierungsplan verordnet, der bis zu 18.000 Jobs kosten wird. Bis Ende 2022 hatte Stitching eine Rendite auf das materielle Eigenkapital von acht Prozent versprochen. Außerdem will er das Verhältnis von Kosten zu Einnahmen auf 70 Prozent drücken.
Beim jetzt anstehenden Investorentag muss der Vorstandschef nicht nur die Frage beantworten, ob der Ukrainekrieg die Vorgaben infrage stellt, sondern auch, welche Ziele sich die Financial institution für die kommenden Jahre setzt. Diese strategische Planung dürfte die dramatische Zuspitzung der geopolitischen Lage ebenfalls kräftig durcheinandergebracht haben.
Klar dürfte sein, dass das neue Renditeziel über der Marke von acht Prozent liegen wird. Unwahrscheinlich ist dagegen, dass die Financial institution so weit geht, wie es sich der prominente Analyst Stuart Graham gewünscht hätte, der zwölf Prozent als Renditevorgabe ins Spiel gebracht hatte.
Vor der Ukrainekrise hatten viele europäische Banken ihre Ziele für Gewinne und Ausschüttungen deutlich angehoben, allen voran Unicredit und die französische BNP. Das hat auch den Druck auf die Deutsche Financial institution erhöht, deren Aktie nach wie vor weit unter dem Buchwert handelt.
Bislang hat Stitching noch nicht Stellung dazu genommen, in welcher Kind – und wie zügig – er das 2019 gegebene Versprechen einlösen will, insgesamt fünf Milliarden Euro an die Aktionäre zurückzugeben. Die Financial institution hat bisher nur angekündigt, dass sie für das vergangene Geschäftsjahr 20 Cent Dividende je Aktie zahlen und im ersten Halbjahr Aktien im Wert von 300 Millionen Euro zurückkaufen will.
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