Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
eine sogenannte Grand Jury in Manhattan hat nach Angaben der Verteidigung Donald Trumps für eine strafrechtliche Anklage des früheren US-Präsidenten gestimmt. Nie zuvor in der US-Geschichte wurde ein Ex-Präsident strafrechtlich angeklagt. Das Gremium untersuchte über Monate mutmaßliche Schweigegeldzahlungen Trumps an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels und das frühere Playmate Karen McDougal. Beide hatten nach eigenen Angaben sexuelle Begegnungen mit Trump – was dieser bestreitet. Falls Sie sich jetzt fragen, was bitte daran verboten sein soll: Mit dem Schweigegeld hat Trump möglicherweise gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen.
Wie geht es jetzt weiter? Wie könnte eine Verhaftung ablaufen? Und was bedeutet die Anklage für Trumps Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl? Unsere US-Korrespondentin Annett Meiritz hat diese und weitere wichtige Fragen beantwortet.
Vom moralisch hohen Ross herab anderen Belehrungen zu erteilen, das gilt in Teilen der Welt als bevorzugtes Hobby der Deutschen. Ein nicht immer falsches Vorurteil. So versucht die deutsche Politik in Brüssel derzeit zu verhindern, dass mit Atomkraft hergestellter Wasserstoff als nachhaltig eingestuft wird, ein Herzenswunsch der atomaffinen Franzosen. Kann man so sehen oder so. Die Grenze zur Selbstgerechtigkeit ist allerdings überschritten, wenn Deutschland gleichzeitig in diesen Tagen seine letzten drei AKW abschaltet – und stattdessen in Zukunft verstärkt auf importierten französischen Atomstrom zurückgreift.
Atomkraftwerk: Am 15. April verabschiedet sich Deutschland endgültig von der Atomkraft.
Zum deutschen Atomausstieg, dem wir in dieser Woche unsere freitägliche Titelgeschichte widmen, gehört eine ganze Reihe solcher unangenehmen Wahrheiten:
- Sollten uns im kommenden Winter die französischen AKW nicht im erhofften Umfang aus der Patsche helfen, droht zwar nicht gleich der große Blackout in Deutschland. Aber sogenannte Lastabwürfe, kurzfristige Stromabschaltungen bei Großkunden, rücken dann in den Bereich des Möglichen.
- Wenn trotz AKW-Aus auch noch der Kohleausstieg bis 2030 gelingen soll, müssen in Deutschland nicht nur Wind- und Solarenergie in enormem Tempo ausgebaut werden. Parallel müssen innerhalb von sieben Jahren rund 50 neue Gaskraftwerke entstehen, die Strom liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint – und sich später auf Wasserstoffbetrieb umrüsten lassen. Klingt illusorisch? Ist es nach Einschätzung von Experten auch.
- Da erscheint es fast schon als gute Nachricht, dass sich der Atomausstieg zumindest theoretisch in den kommenden Monaten durchaus noch rückgängig machen ließe. Leonhard Birnbaum, Chef des Energiekonzerns Eon, sagt im Handelsblatt-Interview: „Anfang 2024 werden wir mit Rückbauarbeiten am Kraftwerk beginnen, die dann nicht mehr so leicht umkehrbar sind.“
Unumkehrbar erscheint hingegen der Einbruch bei den Produktionszahlen, den der Autostandort Deutschland in den vergangenen Jahren hinnehmen musste. Die Fahrzeugproduktion ist hierzulande binnen zehn Jahren um mehr als ein Drittel eingebrochen. Fertigten Autokonzerne 2012 in Deutschland noch rund 5,6 Millionen Pkw und Kleintransporter, waren es 2022 nur noch 3,6 Millionen. Das zeigen Zahlen des Informationsdienstes „Marklines“, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen.
Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Auslandsproduktion von Volkswagen, BMW, Opel und Mercedes-Benz von 8,6 auf mehr als zehn Millionen Fahrzeuge. Die deutschen Autobauer bauen reichlich Autos, nur halt immer seltener in Deutschland.
In den Vorjahren lag der starke Rückgang der Inlandsproduktion vor allem an Pandemie und Lieferengpässen. Jetzt treten immer stärker die Nachteile bei den Kosten in den Vordergrund. So kostet eine Arbeitsstunde in der Autoindustrie inklusive Lohnnebenkosten hierzulande etwa 59 Euro, rechnen die Experten des CAR-Center Automotive Research in Duisburg vor. In den USA sind es umgerechnet etwa 43 Euro, in Spanien 28 Euro.
Gerade Kleinwagen lassen sich in der Bundesrepublik offenkundig kaum noch zu vertretbaren Kosten produzieren. So wird VW den ID.2all, den ersten Stromer des Konzerns für weniger als 25.000 Euro, anders als geplant nicht in Emden bauen, sondern in Spanien.
Fazit: Wenn es sich in einem Hochlohnstandort wie Deutschland nicht mehr lohnt, Kleinwagen zusammenzuschrauben, ist das noch kein Grund für Untergangsszenarien. Wir sollten uns aber selbstkritisch die Frage stellen: Wo entstehen in der Bundesrepublik eigentlich die neuen Jobs, die ein ähnlich hohes Lohnniveau bieten wie die Autobranche?
Jedenfalls nicht in der Luftfahrt. Denn da greift Lufthansa-Chef Carsten Spohr alle paar Jahre in die gleiche Trickkiste und zaubert eine neue Tochtergesellschaft hervor, mit der sich die hohen Lohnkosten der Kernmarke unterlaufen lassen. Mit „City Airlines“ könnte es demnächst wieder so weit sein, auf dem Spiel stehen die letzten Inlandsflüge der Lufthansa. Bislang ist die neue Gesellschaft nur eine Drohung Spohrs, um die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit zu Zugeständnissen zu zwingen. Aber eine sehr realistische – die neue Airline hat sogar schon eine Website.
Manche Politikerinnen und Politiker strahlen im Ausland heller als daheim. Während der späten Kanzlerschaft von Angela Merkel war es fast schon ermüdend, sich auf Auslandsreisen anzuhören, man habe in Deutschland ja „such a cool Prime Minister“. Zumal man ja nicht immer gleich mit einem belehrenden Kurzreferat über Licht und Schatten der Ära Merkel reagieren will.
Ähnlich ergeht es Finnland offenbar mit seiner Ministerpräsidentin Sanna Marin. Im Ausland als Role Model bewundert, muss die Sozialdemokratin in ihrer Heimat bei den Parlamentswahlen am Sonntag um ihre Mehrheit bangen. Das liegt laut unserem Skandinavien-Korrespondenten Helmut Steuer an der Schwäche ihrer Partei und der wachsenden Staatsverschuldung – aber auch an den vielen Social-Media-Aktivitäten der Premierministerin, an denen sich vor allem ältere Wählerinnen und Wähler stören.
Ob es Marins Wahlchancen hilft, dass die Türkei als letztes Nato-Mitglied gestern Abend der Aufnahme Finnlands in das Verteidigungsbündnis zugestimmt hat? Eine breite Mehrheit im türkischen Parlament votierte dafür. Eher nicht, denn Marins Außenpolitik der klaren Kante gegenüber Moskau ist in Finnland ohnehin kaum umstritten.
Und was treibt unser neuer Lieblingskönig heute so? Charles III. fährt mit dem ICE nach Hamburg und legt dort unter anderem in der Ruine der Kirche St. Nikolai einen Kranz nieder. Klingt nach Gedenkroutine, ist aber durchaus bedeutungsvoll: St. Nikolai wurde bei den britischen und amerikanischen Bombenangriffen von 1943 zerstört. Königin Elizabeth II. hatte es zeitlebens vermieden, allzu ausdrücklich den deutschen Opfern des britischen Bombenkriegs zu gedenken. Verständlich, schließlich hatte sie selbst noch miterleben müssen, wie die Nazi-Luftwaffe 1940 und 1941 englische Städte bombardierte.
Ich wünsche Ihnen einen Wochenausklang mit ausschließlich guten Erinnerungen.
Herzliche Grüße
Ihr Christian Rickens
Textchef Handelsblatt