München/London Dank einer hohen Nachfrage spült der Börsengang des britischen Chip-Designers Arm seinem Eigner Softbank mehr Geld in die Kasse als erhofft. Die Anteilsscheine würden zu je 51 Dollar und damit am oberen Ende der von 47 bis 51 Dollar reichenden Angebotsspanne zugeteilt, gab Arm am Mittwoch bekannt. Damit komme der Debütant auf einen Börsenwert von 54,5 Milliarden Dollar. Das Emissionsvolumen beim bislang weltweit größten Börsengang des Jahres belaufe sich auf 4,87 Milliarden Dollar. Die Erstnotiz von Arm an der US-Technologiebörse Nasdaq ist für Donnerstag geplant.
Auf den Entwürfen des Unternehmens basieren praktisch sämtliche Smartphone-Chips. Aber auch bei Prozessoren für Rechenzentren kommen sie immer häufiger zum Einsatz. Daher haben zahlreiche Technologiekonzerne, Arm-Papiere gezeichnet. Damit wollen sie die weitere Zusammenarbeit sicherstellen.
Arm-Chef Rene Haas führt die starke Nachfrage nach seinen Aktien auf das aktuell große Interesse an Künstlicher Intelligenz zurück. „Künstlichen Intelligenz wird überall zu finden sein, und alles läuft (auf Chips) von Arm“, sagte Haas in einer Videobotschaft an potenzielle Investoren. Tatsächlich sind es bislang vor allem Smartphones und Tabletcomputer, in denen die von Arm designten Chips verbaut werden. Das Unternehmen möchte jedoch in den Markt für Server vorstoßen, die aufgrund ihrer großen Rechnerleistung am meisten vom KI-Boom profitieren werden.
Was kostet die Arm-Aktie?
Die Papiere des britischen Chipdesigners sind schwer gefragt: Der Ausgabepreis wurde auf 51 Dollar festgelegt hat. Damit wird Arm mit 54,5 Milliarden Dollar bewertet.
Warum ist Arm wichtig?
In mehr als 99 Prozent aller Smartphones steckt Technologie des Chipdesigners Arm. Das behaupten die Briten in ihrem Börsenprospekt. Das ist plausibel, denn die Chip-Architektur aus Cambridge hat sich in den vergangenen Jahren weltweit durchgesetzt, weil sie energieeffizient ist und derartige Stromspar-Prozessoren heute in Milliarden von Geräten pro Jahr eingebaut werden.
„Die letzten Jahre sind sie sehr erfolgreich gewesen“, sagt Jan-Hinnerk Mohr, Chipspezialist der Beratungsfirma BCG. So habe der Konzern sein Portfolio clever erweitert: „Arm deckt inzwischen die gesamte Bandbreite der Prozessoren ab, von ganz einfachen Produkten fürs Internet der Dinge über die Smartphones bis hin zu Servern.“
Das Geschäftsmodell war bislang einfach: Arm liefert die Baupläne für Prozessoren, also die Gehirne der Mobiltelefone und vieler anderer elektrischer Geräte. Dafür kassiert die Firma Gebühren, und zwar pro sogenanntem Rechenkern.
Seit einiger Zeit versucht Arm-Chef Haas, die Preise am Wert der Endgeräte zu orientieren. Derselbe Chip im neuesten iPhone bringt der Firma deutlich mehr ein als in einem günstigeren Gerät. Noch ist aber offen, ob die Kunden dieses Vorgehen akzeptieren.
Wie geht es Arm?
Das vergangene Geschäftsjahr war eine Enttäuschung für Arm, der Konzern bekam die Flaute auf dem Smartphone-Markt zu spüren. So ist der Umsatz leicht auf 2,68 Milliarden Dollar gesunken, der Gewinn fiel um etwa vier Prozent auf 524 Millionen Dollar. Inzwischen geht es aber wieder aufwärts. Vorstandschef Rene Haas verspricht für das laufende Geschäftsjahr, es endet im März, ein Umsatzplus von elf Prozent. Offenbar zahlen sich jüngst durchgesetzte Preiserhöhungen aus. Dem Finanzinformationsdienst Bloomberg zufolge rechnet Haas bis 2026 mit einem jährlichen Umsatzplus von bis zu 19 Prozent. Gleichzeitig soll das Unternehmen deutlich profitabler werden. Wachstumstreiber sind dem Manager zufolge momentan Chips für Rechenzentren und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz.
Was sind die größten Risiken für Arm?
Die Briten sehen sich drei wesentlichen Risiken ausgesetzt:
Erstens: Stark abhängig vom Smartphone-Markt
Arm verdient an jedem Smartphone mindestens ein paar Cent. Das heißt aber auch: Schrumpft das Handygeschäft so wie in den vergangenen Monaten der Fall, so belastet das die Ergebnisse. Und momentan sieht es nicht gut aus. Den Marktforschern von Counterpoint zufolge werden die Smartphone-Hersteller dieses Jahr nur 1,15 Milliarden Geräte ausliefern, so wenige wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr; dies entspricht einem Minus von sechs Prozent gegenüber 2022.
Zweitens: Kein Zugriff auf die China-Tochter
Arm erwirtschaftet rund ein Viertel vom Umsatz in der Volksrepublik, hat aber keinen Zugriff auf sein China-Geschäft: Es erfolgt über Arm China, eine Firma, die mehrheitlich lokalen Eigentümern gehört. Das ist gefährlich, denn Arm China ist der größte einzelne Kunde des Unternehmens. Vor zwei Jahren lag Arm im Clinch mit Arm China, als die Briten den Chef vor Ort feuerten; es folgte ein langer Machtkampf.
Drittens: Die Kunden suchen Alternativen
Viele Kunden fühlen sich Arm ausgeliefert – und versuchen daher, sich aus der Abhängigkeit zu befreien. Gerade hat eine Handvoll Chipkonzerne ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das in Konkurrenz zu Arm treten soll. Ziel sei es, „die Kommerzialisierung künftiger Produkte auf Basis der Open-Source-Architektur RISC-V zu beschleunigen“. Es ist der wohl bislang bedeutendste Angriff auf Arm. „Die Industrie versucht, eine Alternative aufzubauen und so für Wettbewerb zu sorgen“, sagt Ondrej Burkacky, Chipexperte der Beratungsgesellschaft McKinsey.
Zu den Initiatoren gehört Qualcomm, der wichtigste Hersteller von Handychips weltweit und Großkunde von Arm. Darüber hinaus sind aus Deutschland Infineon und Bosch dabei.
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Noch weiß niemand, ob dem alternativen Standard wirklich der Durchbruch gelingt. Aber eins scheint sicher: „Innerhalb der kommenden zwei bis fünf Jahre muss sich Arm auf deutlich mehr Konkurrenz durch RISC-V einstellen“, erklärt BCG-Experte Mohr.
Wer profitiert von dem Börsengang?
In erster Linie der japanische Besitzer Softbank. Der japanische Technologieinvestor unter Leitung von Masayoshi Son hat Arm im Jahr 2016 für 32 Milliarden Dollar gekauft. Son versuchte im vergangenen Jahr, die Beteiligung für 40 Milliarden Dollar an Nvidia zu verkaufen, ist aber an den Kartellbehörden in Europa und den USA gescheitert. Danach forcierte der Unternehmer die Börsenpläne.
Lohnt es sich, die Aktien jetzt zu kaufen?
Die Aktie sehe „sehr, sehr teuer“ aus, sagt Javier Correonero, Aktienanalyst bei Morningstar. „Alles müsste mehr als perfekt sein, damit sie diese Bewertung von 50 Milliarden Dollar rechtfertigen können“, betont der Experte. Arm betreibe ein solides Geschäft, aber es gebe auch viel Unsicherheit.
Bei einer Bewertung von rund 50 Milliarden Dollar werde Arm mit dem 20-fachen des Umsatzes bewertet. Damit sei die Firma hoch bewertet. Konkurrenten, die deutlich stärker wachsen würden als Arm, kämen lediglich auf das 12- bis 15-fache der Erlöse.
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