Zürich Eine Reihe hochrangiger Credit-Suisse-Manager wehrt sich gegen die Streichung von Bonuszahlungen, die an die Wertentwicklung bestimmter Nachranganleihen, sogenannter AT1-Bonds, gekoppelt waren. Die Banker erwägen, sich der Beschwerde von Investoren gegen einen Entscheid der Finanzaufsicht Finma anzuschließen, die im Zuge der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS die Abschreibung dieser Nachranganleihen angeordnet hatte. Das bestätigte eine mit dem Verfahren vertraute Person dem Handelsblatt. Zuvor hatte die „Financial Times“ darüber berichtet.
Mitte März hatten Kunden der Credit Suisse im großen Stil Vermögen von der in Schieflage geratenen Bank abgezogen. Zwischenzeitlich flossen täglich zehn Milliarden Franken ab, sodass die Liquidität der Credit Suisse nicht mehr ausreichte, um die Auszahlungen zu stemmen. Die Schweizer Nationalbank (SNB) versuchte noch, mit Liquiditätshilfen die Marktpanik zu stoppen, doch es half nichts: Am 19. März musste die zweitgrößte Schweizer Bank durch eine Notfusion mit der UBS gerettet werden.
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Ein zentraler Baustein des Rettungsdeals: Die Credit Suisse schrieb die AT1-Anleihen auf Anweisung der Finma vollständig ab, um so die Eigenkapitalbasis der Bank zu stärken. Investoren der riskanten Zinspapiere erlitten einen Totalverlust.
Ähnlich erging es Mitarbeitern aus Managementebenen unterhalb des Vorstands: Sie hatten von der Bank aufgeschobene Bonuszahlungen, sogenannte „Contingent Capital Awards“ (CCAs), im Umfang von rund 400 Millionen Dollar erhalten. Die Bonusansprüche selbst konnten ebenso wie die AT1-Anleihen bei einem sogenannten „Viability Event“ verfallen, also im Fall eines Ereignisses, das den Fortbestand der Bank gefährdet. Die Ansprüche auf die Bonuszahlungen hat die Credit Suisse daher zeitweise ebenso wie die AT1-Anleihen dem Eigenkapital zugerechnet.
In einer Verfügung vom 22. März stellte die Finma klar, dass durch die Abschreibung der AT1-Anleihen auch die Bonusansprüche der Credit-Suisse-Manager aus den CCAs verfallen. Aus dem Dokument, das unter anderem die Webseite „Antigua News“ veröffentlicht hat und dessen Authentizität dem Handelsblatt bestätigt wurde, geht ferner hervor, dass sich die Credit Suisse gegen den Ausfall der Bonuszahlungen gewehrt hat.
Klagewelle wächst
Die Juristen der Bank argumentierten ähnlich wie die AT1-Investoren, die Beschwerde gegen den Finma-Entscheid eingelegt haben: Aus ihrer Sicht ist die vertragliche Voraussetzung für eine Abschreibung der Boni nicht gegeben. Diese sehen vor, dass die Bank staatliche Hilfen in Anspruch genommen hat. Eine weitere Voraussetzung ist, dass diese Hilfsmaßnahmen den Effekt haben, die Kapitalbasis der Bank zu stärken.
In diesem Punkt sehen Vertreter der klagenden Investoren ebenso wie die Credit-Suisse-Juristen einen Widerspruch: Denn die Credit Suisse hat zwar staatliche Hilfen in Anspruch genommen. Doch dabei handelte es sich um Liquiditätshilfen. Die Credit Suisse lieh sich – besichert und unbesichert – frisches Geld von der SNB, um die angeforderten Auszahlungen zu bedienen.
Doch die Vertreter der Investoren bestreiten in ihrer Beschwerde gegen den Entscheid der Finma, dass die Hilfen einen Effekt auf die Eigenkapitalquote hatten. Sie sehen sich durch die von den Credit-Suisse-Juristen geäußerten Bedenken bestätigt, die auch die Finma in ihrer Verfügung vom 22. März zur Kenntnis nimmt.
Fakt ist zudem, dass die Liquiditätshilfen der Notenbank die Struktur der Credit-Suisse-Bilanz nicht beeinflussen: Kundeneinlagen sind ebenso wie staatliche Hilfen Verbindlichkeiten. Die Credit Suisse ersetze lediglich Verbindlichkeiten gegenüber Kunden durch Verbindlichkeiten gegenüber der SNB.
Investorenvertreter sehen daher gute Chancen, dass das St. Galler Verwaltungsgericht ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass die Abschreibung durch die Anleihebedingungen nicht gedeckt ist. Die Credit-Suisse-Juristen sprechen der Finma zudem die Kompetenz ab, die Abschreibung der Boni anzuordnen, da die Ansprüche aus den Boni bereits seit Januar 2023 nicht mehr dem Eigenkapital zugerechnet wurden.
Sollten die Credit-Suisse-Manager ebenfalls gegen die Finma-Verfügung vorgehen, dürfte die Klagewelle rund um die Notrettung der Credit Suisse größer werden. So hat etwa die Kanzlei Quinn Emanuel im Auftrag von Anlegern mehrere Beschwerden vor dem Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen gegen die Finma-Entscheidung eingereicht. Die Kanzlei vertritt Profiinvestoren und Privatanleger, die zusammen über 4,5 Milliarden Franken in die Papiere investiert hatten.
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