Frankfurt, München Hohe und kontinuierliche Dividendenzahlungen machen Aktien von Versicherungsunternehmen für viele Anleger zu einem attraktiven Funding. Mit Dividendenrenditen von fünf Prozent und mehr ist der Sektor insbesondere im Niedrigzinsumfeld populär. Ein anderer, wichtiger Aspekt: Die Titel einiger europäischer Versicherungskonzerne haben sich im Jahr 2021 vergleichsweise schwach entwickelt. Analysten erkennen nunmehr Aufholpotenzial.
So stieg der Euro Stoxx 600 Insurance coverage (SXIP), ein Sub-Index des Euro Stoxx 600, zwar im vergangenen Jahr inklusive reinvestierter Dividenden um 21 Prozent. Der Gesamtertrag des Euro Shares Banks-Index lag aber doppelt so hoch.
Berenberg-Analyst Michael Huttner führt weitere Gründe an, warum er Versicherer-Aktien jetzt für attraktiv hält: Es sei eine Kombination aus reduzierten Kosten, verbesserter Kapitalallokation und höheren Cashflows, die im Anschluss zu steigenden Dividenden und Aktienrückkäufen führen.
Während in vielen Branchen Aktienkurse unter einem schnelleren Ausstieg der Notenbanken, insbesondere der Fed in den USA, aus der ultralockeren Geldpolitik leiden, bedeuten steigende Zinsen für Versicherer wieder bessere Anlagechancen, was die Kurse stützt.
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Interessant sind im neuen Jahr 2022 daher vor allem Aktien, die sowohl ein gewisses Kurspotenzial als auch eine solide Dividendenrendite aufweisen. Unter den zehn Einzelwerten mit dem größten Gewicht im SXIP, die neben den genannten Kriterien von vielen Analysten zum Kauf empfohlen werden, stechen vor allem Aviva, Axa, Legal & General und Sampo hervor.
Bei einigen Analysten auf der Kaufliste steht auch der Dax-Konzern Allianz, auch wenn die europäische Konkurrenz in Bezug auf die genannten Kennzahlen teilweise besser abschneidet. Ein Überblick in alphabetischer Reihenfolge:
Allianz-Aktie: Wann löst sich der Konflikt in den USA?
Die Allianz-Aktie hat sich im Verhältnis zu ihren Konkurrenten im vergangenen Jahr schwach entwickelt. Während etwa der italienische Generali-Konzern über 30 Prozent zulegte, kam die Aktie der Münchener mit einem Plus von 3,5 Prozent kaum vom Fleck.
Einen Grund sehen Analysten in den ungelösten Problemen in den USA. Bei der Tochter AGI stehen immer noch mögliche Milliardenzahlungen im Zusammenhang mit fehlgeschlagenen Hedgefonds-Strategien im Raum. Sofern hier eine Lösung in Sicht ist – Huttner von Berenberg erwartet diese bei der Zahlenvorlage am 17. Februar –, könnte dies der Aktie neuen Rückenwind geben.
Über 70 Prozent der Analysten, die den Dax-Konzern laut Datenanbieter Bloomberg beobachten, raten daher zum Kauf der Aktie. Für Huttner zählt sie gar zu den Prime Picks im Sektor.
Zwei Analysten der Deutschen Bank haben simply ihr Kursziel für die Allianz-Aktie von 240 auf 250 Euro erhöht. 2022 werde zwar speziell wegen der erwarteten Zinswende und der damit verbundenen Inflationsdebatte zu einem volatilen Jahr für Versicherer. Steigende Anleiherenditen seien aber generell intestine für die Bilanzen der Branche. „Die Allianz gehört vor diesem Hintergrund als Substanzwert und in Erwartung mittelfristiger Kurstreiber zu den stärksten Empfehlungen“, bilanzieren sie.
Anleger setzen auch auf einen Anstieg der Dividende, die zuletzt bei 9,60 Euro je Aktie lag. Gemäß neuer Strategie will der Konzern die Dividende jährlich um mindestens fünf Prozent steigern. Die Ausschüttungsquote soll 50 Prozent des Gewinns betragen, bereinigt um außergewöhnliche und risky Elemente.
Huttner rechnet zudem mit einem weiteren Aktienrückkaufprogramm, das zwei Milliarden Euro umfassen könnte. Die bisher fünf Aktienrückkaufprogramme der vergangenen Jahre wirkten sich allesamt positiv auf die Kursentwicklung aus.
Spielraum dürfte der Konzern seiner Ansicht nach durch weitere Verkäufe oder Rückversicherungen von alten, hochverzinsten Lebensversicherungsbeständen erhalten. Ende vergangenen Jahres gab es Lösungen für Bestände in den USA und in der Schweiz.
Aviva-Aktie: Geplanter erfolgreicher Verkauf von Randbereichen
Als einen weiteren Prime Decide bezeichnet Huttner die Aktie des britischen Versicherungskonzerns Aviva. Insgesamt empfehlen 70 Prozent der Analysten die Aktie zum Kauf. Selbst die Experten, die nicht ganz so zuversichtlich sind, zollen den guten Aussichten Tribut. So hat Jefferies-Analyst Philipp Kett erst kürzlich trotz seiner Halte-Empfehlung sein Kursziel von 425 auf 435 Pence nach oben gesetzt. Auf diesem Niveau notiert der Kurs gegenwärtig.
Das Papier hat zwar 2021 bereits mehr als ein Viertel zugelegt und ist im langfristigen Schnitt auch nicht mehr günstig bewertet. Huttner glaubt jedoch, dass der Markt wahrscheinlich immer noch die Vorteile des angekündigten Rückkaufprogramms unterschätzt. Aviva will bis Juni 2022 insgesamt vier Milliarden Pfund an die Aktionäre zurückgeben – in Type von Aktienrückkäufen und Dividenden.
Aviva sitzt nach einer Reihe von Verkäufen von Randbereichen auf einer prall gefüllten Kasse. Im vergangenen Jahr hatte der Versicherer unter anderem seine Tochter in Polen und Teile seines Italiengeschäfts an die Allianz verkauft. Der Investor Cevian hatte daher ursprünglich gefordert, dass der Konzern fünf Milliarden Pfund an die Aktionäre zurückgibt.
Axa-Aktie: Aktienrückkäufe und Fokus auf Nachhaltigkeit
Die Franzosen zeichnen sich ebenfalls durch viele Kaufempfehlungen aus: Über vier Fünftel der Analysten raten zum Kauf. Die Axa-Aktie hat im Jahr 2021 bereits über ein Drittel zugelegt. Ein Analyst, Gregoire Hermann von Alphavalue, hat das Papier mittlerweile auf „verkaufen“ gesetzt.
Trotzdem haben die beiden Deutschen-Bank-Analysten Hadley Cohen und Oliver Stelle gleich zu Jahresbeginn ihre Kaufempfehlung noch einmal leicht nach oben gesetzt, von 28 Euro auf 29,50.
Weiteres Kurspotenzial könnte auch hier durch die geplanten Aktienrückkäufe entstehen. Anfang November hatte Axa ein Rückkaufprogramm von 1,7 Milliarden Euro angekündigt. In diesem Jahr will der Konzern mit einem Programm in Höhe von bis zu 500 Millionen Euro nachlegen.
Ähnlich wie die Allianz versucht auch Axa Lösungen für alte, hochverzinste Lebensversicherungsbestände zu finden, um das darin gebundene Kapital freizusetzen und effizienter zu nutzen. Berenberg-Analyst Huttner rechnet mit weiteren Transaktionen in Belgien, der Schweiz und Italien.
Zugute könnte den Franzosen auch der eingeleitete Wandel der Finanzindustrie zu mehr Nachhaltigkeit in der Geldanlage kommen. Schon jetzt verfüge der Versicherungssektor über das beste Nachhaltigkeitsprofil unter den Branchen mit traditionell hoher Aktienrendite, so Claudia Gaspari.
Die Analystin der britischen Investmentbank Barclays geht davon aus, dass Versicherer künftig beim verantwortungsvollen Investieren eine Führungsrolle einnehmen. Unter anderem Axa sieht sie dabei an vorderster Stelle.
Authorized-&-Common-Aktie: Überzeugte Analysten
Die Aktie des britischen Versicherers legte 2021 11,5 Prozent zu. Dabei ist der Weg nach oben nach Ansicht von Philipp Kett von der US-Investmentbank Jefferies noch nicht zu Ende. Den fairen Wert der Aktie, die zuletzt bei rund 295 Pence gehandelt wurde, hat er schon im Herbst auf 340 Pence nach oben gesetzt. Den größten Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz sehen Experten in den deutlich geringeren Risiken im Anlageportfolio.
Dabei ist es vor allem der starke Umbau in Richtung Rendite, der die Experten zuversichtlich stimmt. „Das Administration hat konsistent eine Strategie in Richtung eines zweistelligen Gewinns je Aktie und eines starken Dividendenwachstums entwickelt“, lobt Andrew Baker von der Citi Financial institution. Gemäß den Bloomberg-Schätzungen können Anleger in diesem Jahr mit einer Dividendenrendite von rund sechs Prozent rechnen.
Sampo-Aktie: Interessanter Wandel
Die Aktie der finnischen Versicherungsgruppe hat im abgelaufenen Jahr 27,5 Prozent zugelegt. Drei Viertel der Analysten raten laut Datenanbieter Bloomberg dennoch weiterhin zum Kauf.
Interessant ist das Unternehmen auch deshalb, weil es sich von einem Finanzkonglomerat mehr und mehr zu einem reinen Versicherer wandelt. So trennt sich der Konzern schrittweise von seiner Beteiligung an der Nordea Financial institution. Überschüssiges Kapital aus dieser Transaktion soll auch an die Aktionäre gehen.
Zur Gruppe gehört unter anderem der schwedische Schaden- und Unfallversicherer If. Sampo gab vor Kurzem zudem bekannt, den britischen Digitalversicherer Hastings komplett zu übernehmen und hält rund 47 Prozent am dänischen Versicherer Topdanmark.
Sollte Sampo auch Topdanmark komplett übernehmen wollen, bliebe dem Versicherer weniger Geld für Ausschüttungen an die Aktionäre, heißt es in einer Berenberg-Analyse von Dezember. Dennoch rechnen die Experten auch weiterhin mit Aktienrückkäufen; seit Oktober läuft bereits ein Programm in Höhe von 750 Millionen Euro. Auf Foundation der Bloomberg-Schätzungen können Anleger zudem mit einer Dividendenrendite von über fünf Prozent rechnen.
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