Chemchina hatte Syngenta 2015 für 43 Milliarden Dollar gekauft und das Unternehmen von der Börse genommen.
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Zürich Der Schritt soll einen der absehbar größten Börsengänge des Jahres zügig auf den Weg bringen: Die Börse Shanghai hat am Freitag den Antrag des Schweizer Agrarchemieriesen Syngenta für eine Notierung am Haupthandelsplatz angenommen, wie das Unternehmen bestätigte.
Die von chinesischen Eigentümern kontrollierte Syngenta will Finanzkreisen zufolge mit dem Börsengang am sogenannten „Main Board“ umgerechnet mehr als neun Milliarden Dollar einnehmen und peilt eine Bewertung von rund 60 Milliarden Dollar an. Läuft nun alles nach Plan, könnte die Börsennotierung demnach im Herbst 2023 erfolgen. Im aktuell schwachen Markt für Börsengänge (IPOs) wird es wahrscheinlich der Top-Deal des Jahres werden.
Zuvor hatte Syngenta seinen Antrag für eine Notierung an der Shanghaier Technologiebörse Star Market zurückgezogen. Hintergrund waren unerwartete Verzögerungen im Zulassungsprozess. Der Saatgut- und Pflanzenschutzkonzern hatte sich von der größten chinesischen Tech-Börse einen unbürokratischeren Prozess erhofft.
Ende März war eine Anhörung vor den Aufsehern der Star-Börse angesetzt. Unternehmensintern galt diese als Formsache, welche einen Börsengang noch im ersten Halbjahr 2023 ermöglicht. Doch die Aufseher sagten die Anhörung überraschend und ohne Angabe von Gründen ab.
Syngenta war es ohnehin schwergefallen, eine Notierung an diesem Handelsplatz zu rechtfertigen, da er auf kleinere Tech-Werte ausgelegt ist. Seit der Lancierung der Börsenpläne vor zwei Jahren hat Syngenta seinen Umsatz um rund zehn Milliarden Dollar auf mehr als 30 Milliarden gesteigert – und ist damit eigentlich zu groß für den Star Market.
Starke Marktposition in China
Inzwischen wurden die Bedingungen für eine Zulassung für den Haupthandelsplatz in Shanghai reformiert. Nach regulatorischen Änderungen in China zur klareren Unterscheidung der unterschiedlichen Aktiensegmente habe man beschlossen, den Schwerpunkt zu ändern, hieß es von Syngenta. Als führendes globales Agrartechnologieunternehmen passe eine Notierung im Main Board besser. „Diese Börsennotierung wird der Syngenta Group den Zugang zu diversifizierteren Investoren ermöglichen und sich positiv auf den langfristigen Wert des Unternehmens auswirken“, teilte der Konzern weiter mit.
Für den Produzenten von Pflanzenschutzmitteln wird es ein Comeback im Aktienmarkt. Der chinesische Staatskonzern Chemchina hatte die Baseler 2015 für 43 Milliarden Dollar übernommen und 2017 von der Börse genommen.
Chemchina gründete danach die Syngenta Group und hat unter ihrem Dach auch die eigenen Geschäfte mit Pflanzenschutzmitteln, Saatgut und Dünger eingebracht. Zu der Gruppe gehört zudem die israelische Adama, die auf Nachahmerprodukte patentfreier Pflanzenschutzmittel spezialisiert ist.
In dieser Konstellation ist Syngenta mit einem Umsatz von 33 Milliarden Dollar der größte Agrarzulieferer der Welt. Bayer kam 2022 im Agrargeschäft auf einen Erlös von umgerechnet 27 Milliarden Dollar. Allerdings zählen die Leverkusener ihr Düngemittelgeschäft nicht zur Agrarchemie.
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Der chinesische Eigner von Syngenta steht beim IPO unter Druck, eine Bewertung zu erzielen, die über dem 2015 gezahlten Kaufpreis liegt. Das Unternehmen sieht sich jedoch gut gerüstet für einen Börsengang. So konnte der Konzern 2022 Gewinn und Umsatz deutlich steigern.
Die Erlöse legten im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent auf 33,4 Milliarden Dollar zu. Der Vorsteuergewinn (Ebitda) kletterte um 20 Prozent auf 5,6 Milliarden Dollar. Das erste Quartal 2023 verlief ebenfalls vielversprechend für den Konzern, auch wenn Wechselkurseffekte einen Teil der Zugewinne zunichtemachten.
Weiteres Wachstum verspricht sich Syngenta von der starken Marktposition in China. Dort hat der Konzern über das sogenannte „Modern Agricultural Program“ (MAP) lokale Vertriebszentren aufgebaut, in denen Saatgut, Pestizide und Futtermittel an Kleinbauern verkauft, aber auch Schulungen und Finanzierungen angeboten werden.
Die Zahl dieser MAP-Zentren stieg im ersten Quartal 2023 um 124 auf landesweit 638. Mit diesen setzt Syngenta in China bereits 1,1 Milliarden Dollar um, das entspricht einem Wachstum von 62 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.
Die Modernisierung der heimischen Landwirtschaft und die Sicherung von Futtermitteln für die chinesische Fleischindustrie ist auch für die politische Führung des Landes von großer Bedeutung. Daher will der Staatskonzern Chemchina auch nach dem Börsengang einen großen Anteil an der Syngenta-Gruppe halten.
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