Düsseldorf, San Francisco Ab November macht der Softwareanbieter Adobe Bilder, die mithilfe seiner Künstlichen Intelligenz (KI) erzeugt werden, kostenpflichtig. Das Unternehmen führt sogenannte „Generative Credits“ für sein Angebot Firefly ein, die je nach Abomodell und Nutzung rein rechnerisch fünf Cent je KI-Bild kosten. In Zukunft müssen Werbeagenturen, Kreative oder Marketingexperten mit einer Preiserhöhung für Abos von rund zehn Prozent rechnen, gab Adobe jetzt bekannt.
Firefly ist ein KI-Programm, das mit bestehenden Adobe-Angeboten wie Photoshop oder Illustrator genutzt werden kann und unter anderem etwa Bilder mit KI ergänzen oder neu erstellen kann.
Es ist eine weitreichende Entscheidung, das bislang kostenfreie Firefly ist sehr beliebt. Seit der Markteinführung im vergangenen März wurden mit dem Programm mehr als zwei Milliarden Bilder erzeugt. Die Aktie von Adobe legte seitdem um rund die Hälfte zu und gewann 180 Milliarden Dollar an Börsenwert. Shantanu Narayen, CEO von Adobe, spricht von einer „großen Bedeutung“ der Technologie für das Unternehmen.
Die Kommerzialisierung von Firefly läutet eine neue Phase der KI ein. Zwar verlangen auch Bildgeneratoren wie Stable Diffusion oder Midjourney Geld für die Nutzung, aber Adobe verfügt über große Marktmacht: Photoshop, Creative Cloud oder Illustrator sind weitverbreitete Bildbearbeitungssoftware, die zusammengenommen laut Marktforscher Enlyft weltweit auf einen Marktanteil von 79 Prozent kommen.
Hinter der Ankündigung zu Firefly steckt auch eine Neuerfindung von Adobe. Das 41 Jahre alte Softwareunternehmen wächst seit vielen Jahren moderat, gilt im Silicon Valley als eher betulich und konservativ. Doch KI verändert das Geschäftsmodell nicht nur, es droht das Geschäft der Adobe-Kunden zu kannibalisieren – immerhin kann jetzt jeder in Sekundenschnelle Bilder erzeugen, an denen früher Illustratoren oder Grafiker Stunden gesessen hätten.
Adobe entschloss sich zu einem riskanten Schritt und entwickelt KI auf eigene Faust. „Unsere Entwicklungs- und Produktteams haben noch enger als sonst zusammengearbeitet“, sagt Ashley Still, Chefin von Digital Media bei Adobe. Zudem musste der Konzern viel Geld in Rechenkapazitäten und Infrastruktur investieren. „Anfangs sind nicht alle von dem Kurswechsel begeistert gewesen“, sagt Ely Greenfield, Technikchef von Digital Media.
Adobe setzt auf rechtliche Sicherheit
Adobe hat im Unterschied zu den Start-ups in der KI-Branche einen Vorteil: Die Firma pflegt seit Jahren gute Beziehungen zur Kreativbrache und kennt sich genau mit den rechtlichen Rahmenbedingungen aus. Während erste Künstler gegen Midjourney und Stable Diffusion klagen, verspricht Adobe, Urheberrechte zu respektieren und ihre Modelle nur auf Basis von Bildern und Videos zu trainieren, die rechtlich nutzbar seien. Jedem Bild sollen wie eine Art Label die Metadaten angefügt werden.
Auch verkündet Adobe Bonuszahlungen an Fotografen oder Illustratoren, die Bilder für Adobe Stock produzieren. Der jährliche Bonus richtet sich nach Anzahl und Nutzung der Bilder, über die Höhe wollte Adobe nichts sagen. „Er wird bedeutsam ausfallen“, verspricht Ashley Still.
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Weil damit Fotografen motiviert werden, Bilder an Adobe Stock zu liefern, erhöht Adobe so nicht nur das Angebot für die Kunden, sondern vergrößert auch die Datenbasis für sein KI-Modell – das damit wiederum durch gezielteres Training bessere Ergebnisse erbringen kann.
„Große Sorgen“ bei Kreativen vor KI
David Wadhwani, Chief Business Officer von Adobe Digital Media, schwärmt angesichts der Möglichkeiten, mit KI kreativ zu arbeiten, von einer „neuen Ära kreativen Ausdrucks“ und „atemberaubenden Möglichkeiten“.
Andere sind weniger begeistert. Kreative Berufe stehen vor einem großen Umbruch. „Der Kulturbereich steht vor einer fundamentalen Veränderung“, sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, und spricht von „großen Sorgen“ bei der Mehrzahl seiner Mitglieder.
Diese Sorge teilen Beobachter von Adobe nicht – oder nicht mehr. Analyst Keith Weiss von Morgan Stanley kritisierte in einer Analyse zwar, dass Adobe den Trend zu Künstlicher Intelligenz anfangs verpasst habe. Mittlerweile habe das Unternehmen aber aufgeholt, und der Analyst geht davon aus, dass Adobe eher neue Kundenschichten erschließen könnte. Er rechnete vor, dass KI-Fähigkeiten Fachkräfte aus der Kreativbranche um 30 Prozent effizienter machen könnten. Das würde im Schnitt Kosten von rund 1500 Dollar im Monat pro Person einsparen.
Firefly war die Trendwende an der Börse
Adobe wird aber erst seit wenigen Monaten als KI-Größe wahrgenommen. 2022 beispielsweise verlor die Aktie rund 40 Prozent. Während KI-gestützte Bildgeneratoren von anderen Firmen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zogen, wurden die Adobe-Papiere kritisch gesehen.
CEO Narayen versuchte im vergangenen Februar den Befreiungsschlag, als er die 20 Milliarden Dollar teure Übernahme der Design-Plattform Figma bekannt gab. Der Schritt führte aber nicht zu mehr Zuversicht bei den Investoren, sondern schreckte sie ab. Prominente Analysten wie Michael Turrin von der US-Bank Wells Fargo, bezeichneten den Kaufpreis als schlicht zu hoch. Die Adobe-Aktie verlor an einem Tag 17 Prozent an Wert – der größte Absturz seit dem Jahr 2010.
Es machten schon erste Spekulationen die Runde, CEO Narayen könnte sich verhoben haben. Der Manager ist seit 25 Jahren bei Adobe, davon 15 Jahre als CEO. Doch anstatt zurückzurudern, verstärkte er seinen Fokus auf KI.
Die Trendwende kam mit Firefly. Das Pilotprojekt von Adobe war das Aushängeschild für die KI-Ambitionen. Es beherrscht mehr als hundert Sprachen. Erste Demonstrationen der Software begeisterten nicht nur Fachleute aus der Foto- und Videobranche. Sie führten auch zu einem Umdenken an der Börse. Adobe schien nun nicht länger abgehängt zu sein, sondern konnte aufholen.
Eine mühsame Neuorientierung war nötig
Der neuen Strategie war ein anstrengender interner Prozess vorausgegangen, verrät Digital-Media-Technikchef Ely Greenfield im Interview mit dem Handelsblatt. Er ist für Produkte wie Firefly verantwortlich. Zwar hatte er zwei Jahrzehnte bei Adobe gearbeitet, dann aber 2017 die Firma verlassen und war fünf Jahre später zurück.
„Ich bin zurückgekommen, weil Künstliche Intelligenz einen Umbruch bringt“, sagt Greenfield. „Adobe war es gewohnt, in gutes Personal zu investieren. Für unseren jüngsten Vorstoß mussten wir lernen, auch viel Geld in Infrastruktur zu stecken“, erklärt Greenfield.
Hinter den KI-Anwendungen wie Firefly steckten riesige KI-Modelle, die mit viel Rechenkapazität trainiert und angepasst werden müssen. „Es war eine gewaltige Investition in einer Art, wie es Adobe vorher nie gemacht hat“, sagt er. Zur Höhe der KI-Investitionen wollte er jedoch keine Angabe machen.