Dürfen Niederländer bald vor Borkum nach Gas bohren? Umweltschützer und Grüne machen gegen ein neues Erdgasfeld mobil. Doch die Sache ist kompliziert.
Bei den Grünen wächst der Widerstand gegen die Pläne, vor der ostfriesischen Urlaubsinsel Borkum nach Gas zu bohren. „Die Erschließung neuer Gasfelder ist im Angesicht der Klimakrise ein Fehler“, sagte Grünen-Klimapolitikerin Kathrin Henneberger t-online. Auch Lisa Badum, Vorsitzende des Unterausschusses Internationale Klima- und Energiepolitik im Bundestag, äußerte Bedenken: „Es bleibt zu überlegen, ob neue große Gasförderungen nötig sind, zumal wir die Gasmangellage überwunden haben.“
Der niederländische Energiekonzern One-Dyas will vor Borkum in den nächsten zehn bis 35 Jahren in großem Stil Erdgas fördern. Die Förderplattform steht inzwischen rund 23 Kilometer von der Ferieninsel entfernt auf niederländischem Hoheitsgebiet. Etwa die Hälfte des Gases befindet sich jedoch unter der deutschen Nordsee, in bis zu vier Kilometern Tiefe. Deshalb hat auch Deutschland bei dem Projekt mitzureden.
Umweltschützer machen seit Wochen mobil. Greenpeace blockierte im Juli mit einem Protestcamp aus Rettungsinseln vorübergehend die Installation der Bohrinsel. Für diesen Samstag lädt Fridays for Future zu einer großen Demonstration auf Borkum ein. In der deutschen Politik schieben sich Bund und Land gegenseitig die Verantwortung zu.
In einem offenen Brief appellierten die Klimaaktivisten in dieser Woche an die rot-grüne niedersächsische Landesregierung und die grünen Bundesminister Annalena Baerbock und Robert Habeck, den „Alptraum einer nahenden Gasförderung vor der Insel Borkum“ zu stoppen, wie Fridays for Future es formulierte.
Die Argumente sind die gleichen, die nun auch Grünen-Bundestagsabgeordnete wie Kathrin Henneberger anführen. „Auf der letzten Weltklimakonferenz hat die Weltgemeinschaft eine Abkehr von der Verbrennung fossiler Rohstoffe beschlossen“, sagte Henneberger. „Dies umzusetzen ist unser aller Verantwortung, von Politik genauso wie von Unternehmern.“
Sie erwarte von One-Dyas, das Projekt einzustellen, forderte Henneberger. „Leider existieren weltweit neue Vorhaben der Erschließung von Öl und Gasfeldern, dagegen müssen wir gemeinsam stehen.“ Stattdessen brauche es Investitionen in erneuerbare Energien.
Genehmigung liegt beim Land
Während die rechtskonservative Regierung in den Niederlanden keine Bedenken gegen die Pläne von One-Dyas zu haben scheint, ist die Gemengelage in Deutschland komplizierter. Zuständig sind sowohl die Bundes- als auch die Landesebene, und beide verweisen wechselseitig auf die Verantwortung des anderen.
Die Genehmigungen müsste das Land Niedersachsen erteilen. Der dortige Umweltminister Christian Meyer (Grüne) hat sich wiederholt gegen das Projekt ausgesprochen. „Aus Sicht der Umwelt, des Klimaschutzes und des Erhalts des Weltnaturerbes Wattenmeer“ sei es „derzeit nicht genehmigungsfähig“, sagte Meyer.

Für die Genehmigung der Gasförderung ist jedoch nicht sein Ministerium verantwortlich, sondern das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Das untersteht dem SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies. Und der scheint deutlich offener zu sein.
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet von einem Brief des One-Dyas-Chefs Chris de Ruyter van Steveninck an die Landesregierung, in dem er die Zusammenarbeit mit Lies und SPD-Ministerpräsident Stephan Weil lobt – und sich über die Naturschutzbehörde des Umweltministers beklagt.
Landesumweltminister hofft auf den Bund
Die Entscheidung des Bergbauamts über die Genehmigung wird in Kürze erwartet. Landesumweltminister Meyer verweist trotzdem schon mal an die Bundesebene. Die Ampelregierung habe im Koalitionsvertrag „klar vereinbart, keine neuen Genehmigungen zur Öl- und Gasförderung in der Nordsee mehr zu erteilen“. Er gehe davon aus, dass sich der Bund daran halte.
Der grüne Umweltminister spielt damit auf ein Abkommen an, das der Bund noch mit den Niederlanden schließen muss, weil das Gas eben auch unter deutschen Hoheitsgewässern lagert: ein sogenanntes völkerrechtliches Unitarisierungsabkommen. Federführend zuständig dafür ist ausgerechnet ein Parteifreund: Robert Habeck mit seinem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.