Hawaii, Südkorea und die Philippinen in acht Tagen: Boris Pistorius reist in den Indopazifik, um die deutsche Flagge zu zeigen und China ans Völkerrecht zu erinnern. Doch kann er erfüllen, was er verspricht?
Es war ein ungewöhnlicher Moment am Samstag im Camp Bonifas in Südkorea, nur wenige Kilometer von der militärischen Demarkationslinie entfernt, der De-facto-Grenze zu Nordkorea.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kommt gerade von dort zurück, nur 50 Meter sei er von nordkoreanischen Soldaten entfernt gewesen, erzählt er sichtlich bewegt in einem kurzen Pressestatement. Doch dann wird Pistorius von einer Krise in einem anderen Teil der Welt eingeholt. Nach der Tötung des Hamas-Führers Hanija im Iran durch Israel ist die Sorge vor einer Eskalation groß, die USA haben bereits Kriegsschiffe in die Region geschickt.
Sollte Deutschland Israel bei einem iranischen Angriff militärisch unterstützen, wird der Minister gefragt. Doch Pistorius weicht aus, er sei in aktuelle Gespräche in Berlin nicht involviert. Und ob Deutschland Israel „mit Material“ unterstützen könne, müsse man entscheiden, wenn es anstehe. Anfragen seitens der Israelis lägen ihm bislang nicht vor.
Ein bemerkenswertes Statement angesichts einer hochgefährlichen Lage, die schlimmstenfalls in einen neuen, einen weiteren Krieg münden könnte. Statt ein leidenschaftliches Plädoyer abzugeben, für Israels Sicherheit einzustehen, verweist Pistorius auf seine leere Inbox.
Vielleicht muss man etwas nachsichtig sein. Seit Tagen reist der SPD-Politiker durch den Pazifik. Hawaii, Seoul, gleich geht es weiter auf die Philippinen – eine achttägige Tour de Force durch die Zeitzonen und über die Datumsgrenze. Wenig Schlaf, viele Termine, ein Jetlag, der seit Tagen in den Knochen hängt. Eine Sonne, die bei jedem Stopp erbarmungsloser auf die Köpfe niederzubrennen scheint.
Dass Pistorius mal nicht die Klarheit findet, die er sonst an den Tag legt, hat also wohl eher einen banalen Grund: Der Minister scheint voll und ganz von seiner Reise eingenommen. Gerade sei er von nordkoreanischen Grenzern fotografiert worden, berichtet Pistorius von seinem Kurzbesuch an der Grenze. Insgesamt sei das Erlebnis für ihn „beklemmend und beeindruckend zugleich“ gewesen.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der seinen früheren Innenminister Pistorius einen guten Freund nennt, sagte neulich im t-online-Interview, Pistorius habe sich „seiner Sache immer ganz und gar verschrieben“.
So scheint es auch hier zu sein. Der Minister hat sich enorm viel vorgenommen für seine „militärpolitische Reise“, wie sie offiziell heißt: Er will Deutschland als Player im Indopazifik stärker etablieren, in einem geopolitischen Großraum, der sich von der Ostküste Afrikas bis in den Zentralpazifik erstreckt.
Durch die Meere des Indopazifiks verlaufen wichtige Seewege und Schifffahrtsrouten, über die der Großteil des globalen Handels abgewickelt wird. Es sind Lebensadern für eine Exportnation wie Deutschland.
Alles hängt mit allem zusammen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius
Um der wachsenden Bedeutung der Region gerecht zu werden, hatte der damalige Außenminister Heiko Maas die „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ verfassen lassen. Der deutsche Wohlstand, so heißt es da, hänge entscheidend von der Stabilität im Indopazifik ab. Deutschland habe daher ein hohes Interesse daran, dass die Seewege frei bleiben und die internationale Ordnung eingehalten werde. Die Bundesregierung werde, so heißt es in dem Papier von 2020, „ihr sicherheitspolitisches Engagement im Indo-Pazifik ausweiten“.
Seitdem ist nicht viel passiert. Umso höher ist die Erwartung, die mit Pistorius‘ Reise verbunden ist. Sie soll ein Türöffner sein, um Partnerschaften zu vertiefen, ein genaueres Bild der Region zu bekommen, am Tisch zu sitzen, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden. Kurzum: um den deutschen Einfluss zu vergrößern. Vor allem geht es Pistorius darum zu zeigen, dass Deutschland sich für die Länder in der Region interessiert und auch bereit ist, etwas dafür zu tun.