Ein Erfolg der deutschen Elf bei der EM wäre ein Signal gegen die AfD, meinen die Gäste bei Lanz. Doch die Experten schätzen die Chancen als nicht so rosig ein.
Wünschen sich Politiker und Anhänger der AfD, dass die deutsche Nationalmannschaft möglichst bald bei der Europameisterschaft scheitert? Davon waren am Dienstagabend die Gäste bei „Markus Lanz“ überzeugt. „Ich würde nur fast die Wette eingehen, dass die selbsternannten Patrioten fast täglich beten, damit die Nationalmannschaft rausfliegt“, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler. Der Grund: Der Migrationshintergrund vieler Spieler.
- Serap Güler, CDU-Politikerin
- Ewald Lienen, Fußballexperte
- Anna Kraft, Sportmoderatorin
- Hajo Schumacher, Journalist
Die Mehrheit in der AfD denke „Das ist keine deutsche Nationalmannschaft“, sagte Güler bei Lanz. Ein frühes Ausscheiden könne das Vorurteil bestärken. „Damit sie sagen können: Seht ihr, wir haben’s doch gesagt, das sind keine echten Deutschen, deshalb sind wir rausgeflogen“, sagte die CDU-Politikerin. Sie selbst sei für die AfD vermutlich auch nur eine „Passdeutsche“, vermutete die Tochter türkischer Einwanderer: „Das ist ein Teil der Realität dieses Landes.“
Dass Güler wohl nicht ganz falsch liegt, wurde in der Sendung ebenfalls deutlich. So wurden jüngste Aussagen diverser AfD-Politiker zur Nationalmannschaft zitiert, unter anderem vom AfD-Europakandidaten Maximilian Krah. Der hatte das DFB-Team in einem TikTok-Video als „politisch korrekte Söldnertruppe“ bezeichnet, die man ignorieren könne. Björn Höcke wiederum bekannte in einem Beitrag für die rechtskonservative Schweizer „Weltwoche“, die deutsche Nationalelf stehe für einen Fußball, „dem aus jeder Pore die Regenbogenideologie quillt und dessen Akteure, Funktionäre, Sponsoren oder Redakteure wie in einem selbstverstärkenden System täglich Phrasenmüll im Bekenntnisdelirium produzieren“.
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ erkannte darin eine weitere Radikalisierung der AfD, die ihre Spitzen gegen den Fußball nicht zufällig zum Zeitpunkt der EM setze. Die Partei werde „immer radikaler“, so das Blatt. „Und zwar so sehr, dass man nun während einer Heim-EM – und zwar in bemerkenswerter Abgrenzung zum fußballerischen Partypatriotismus der Stunde – die eigene Nationalmannschaft zum Gegner erklärt.“
„Das ist das moderne Deutschland“, unterstrich dagegen der Journalist Hajo Schumacher mit Blick auf die deutsche Nationalmannschaft. Hier gehe es nicht nach der Hautfarbe, sondern nach dem Können. Für den Kolumnisten der Funke Mediengruppe ist das Abschneiden der deutschen Elf bei der EM deshalb politisch besonders aufgeladen. „Wenn die Rechten finden, dass das eine ganz furchtbare, woke Multikultitruppe ist, dann kann ich nur sagen: Jeder Sieg zählt“, sagte Schumacher.
„Ich bin gestolpert über das Wort ‚Bekenntnisdelirium‘, weil ich dachte: Das ist ja die Kernkompetenz der AfD“, sagte Lanz in der Runde am Dienstagabend. Fußballexperte Ewald Lienen warnte allerdings vor unrealistischen Erwartungen an den Fußball „Wir werden nicht die AfD und rechte Gesinnungen in den Griff bekommen, wenn unsere Nationalmannschaft Europameister wird“, meinte der ehemalige Cheftrainer des FC St. Pauli.
Die bisherige Leistung reicht nach Ansicht von Lienen allerdings noch nicht aus, um Europameister zu werden. Deutschland stehe im Achtelfinale gegen Dänemark ein schwieriges Spiel bevor, prognostizierte er: „Es wird für uns nicht so einfach.“ Auch Sportmoderatorin Anna Kraft bezweifelte nach der Partie gegen die Schweiz, dass Deutschland es ins Halbfinale schafft. „Ich glaube, es wird ein ähnlich schwieriges Spiel wie gegen die Schweiz“, sagte die RTL-Kommentatorin über den dänischen Gegner.
Allerdings vermisste Lienen bei allen großen EM-Fußballnationen noch die ganz große Leidenschaft. Die machte er dafür bei den kleineren Ländern aus, für die jede Partie in der Vorrunde wie ein Finale sei. „Halb Rumänien sitzt in der Allianz-Arena“, sagte Lienen. Zum englischen Team meinte er hingegen: „Vielleicht ist die Zeit der Premier League vorbei. Irgendwas stimmt nicht mit denen.“
„Wollen wir mal über die ganz Großen reden – wollen wir mal über Österreich reden?“, fragte Lanz angesichts des Siegs der Österreicher in der „Todesgruppe“. Ralf Rangnick habe es binnen zwei Jahren geschafft, Fußballkultur zu etablieren, würdigte ihn Lienen. Österreich und auch die Schweiz würden zudem von einer seit langem sehr guten Nachwuchsarbeit profitieren. Hier sah der ehemalige St.-Pauli-Cheftrainer in Deutschland weiterhin Verbesserungsbedarf.
Am Ende der Talkshow sprach Lanz mit Kraft über ihre Erkrankung an Multipler Sklerose (MS). Die ehemalige Leichtathletin, die in jungen Jahren mit der Sprint-Staffel mehrfach deutsche Meisterin geworden war, hat ein Buch über ihre Diagnose geschrieben. Sie wolle mit Vorurteilen aufräumen – beispielsweise, dass MS-Erkrankte immer im Rollstuhl sitzen, sagte Kraft.
„Ich habe auch sehr schlechte Tage“, stellte die Sportmoderatorin jedoch klar. So habe sie stets eine Schreibhilfe dabei, falls sie den Stift nicht halten könne. Um die Autoimmunkrankheit in Schach zu halten, nimmt Kraft zudem starke Medikamente, die ihr Immunsystem ausschalten. „Ich bin immer krank“, sagte die Mutter zweier kleiner Kinder.