Berlin Der Einstieg in die Bundespolitik battle für Robert Habeck (Grüne) kein üblicher. Normalerweise starten neue Bundestagsabgeordnete als Hinterbänkler, die erste Rede im Parlament ist eine Artwork Feuertaufe, bei der sie zum ersten Mal in Erscheinung treten. Bei Habeck battle das anders.
Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister hatte schon ein Staff für seine ehrgeizigen Ziele um sich herum aufgebaut und die Vorbereitungen für ein ganzes Paket an Gesetzmaßnahmen gestartet, ehe er am Donnerstag zum ersten Mal das Wort am Rednerpult als Bundestagsabgeordneter ergriff.
Und gleich wurde er grundsätzlich. Habeck erklärte seinen Plan für die nächsten vier Jahre und machte deutlich, dass dies nicht bloß eine Zeit zum Verkünden von frohen Botschaften sein wird. Es brauche erheblich mehr Tempo beim Klimaschutz. Der Noch-Parteichef der Grünen machte aber deutlich: Trotz der ehrgeizigen Pläne will er der Wirtschaft die Hand reichen.
Aus einer konsequenten Klimaschutzpolitik könne ein Aufschwung für Industrie, Mittelstand und Handwerk erwachsen, sagte er. Allerdings könne nicht eine Partei oder eine Regierung allein Erfolg erzielen. Habeck will vielmehr alle Akteure für sein Projekt gewinnen: „Wir müssen kooperativ arbeiten.“
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Von der Opposition erntete er harsche Kritik. „Wo Wirtschaftsminister draufsteht, muss auch Wirtschaftsminister drin sein“, sagte Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Union. „Grüne Planwirtschaft“ werde nicht funktionieren.
„Weltweiter Starvation“ nach fossilen Energien
Doch ausgerechnet die Spitzenverbände der Wirtschaft kann Habeck erst einmal an seiner Seite wissen. „Der politische Handlungsdruck zum Erreichen der Klimaneutralität 2045 bei gleichzeitigem Erhalt einer wettbewerbsfähigen Industrie ist gewaltig“, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Habecks Bestandsaufnahme decke sich mit der Sicht der Industrie. „Die Unternehmen drücken beim Klimaschutz aufs Tempo“, sagte Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).
Doch während die Wirtschaft Habeck in seinen Zielen wie dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien oder dem Stopp der Energiepreisexplosion unterstützt, ist der Weg dorthin umstritten.
Das gilt zuvorderst für die Energiekosten. Seit Monaten hält die Rally bei fossilen Brennstoffen an, in der Folge haben auch die Strompreise noch weiter angezogen. Einigkeit herrscht dabei, dass die hohen Energiepreise auch durch die Abschaffung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gedämpft werden müssten.
Angesichts der steigenden Preise müsse Deutschland zudem aus Sicht von Habeck unabhängiger von Rohstoffimporten werden. Dafür müssten die erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne deutlich schneller ausgebaut werden. Habeck sprach von einem weltweiten „Starvation“ nach den fossilen Energien Gasoline, Öl und Kohle. Das treibe die Preise nach oben.
Auch die FDP stützt das. „Die anhaltend hohen Strompreise zeigen: Es ist richtig, uns unabhängig zu machen von Zulieferungen fossiler Energie aus dem Ausland“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP. Das muss das langfristige Ziel sein, so sieht es auch die Wirtschaft. Das jedoch sei die Zukunft, so BDI-Präsident Russwurm. In der Gegenwart sei das keine Hilfe. „Deutschland ist und bleibt ein Importland für Energie“, sagte er. Klimapolitik sei nur worldwide erfolgreich.
Robert Habeck will Tempo beim Ausbau von erneuerbaren Energien
Russwurm forderte daher die Bundesregierung auf, sich bei der vor wenigen Tagen gestarteten deutschen G7-Präsidentschaft für mehr internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen, etwa durch die Gründung von Klimaclubs.
Differenzen bei Gaskraftwerken
Zu 80 Prozent aus Erneuerbaren will Habeck den Stromverbrauch bis 2030 decken. Es steht die Frage im Raum, wie das gelingen kann und wie der Weg dorthin aussehen muss. Die Auseinandersetzung dreht sich dabei vor allem um den Energieträger Gasoline.
Der Zwist bricht sich derzeit in der Diskussion um die EU-Taxonomie Bahn: Die EU-Kommission will Gaskraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig einstufen. Habeck hält davon nichts, weil aktuell vor allem fossiles Erdgas für jene Kraftwerke genutzt wird.
Russwurm sieht das anders. Wenn man am Atomstieg festhalten wolle, brauche es einen massiven Ausbau der Gaskraftwerke. „Es ist daher richtig, dass die EU-Kommission Gasoline in der Taxonomie anerkennen will“, sagte er. „De facto ist es eine Versicherungsprämie. Jedes Gaskraftwerk ist eine Versicherung dagegen, dass die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht.“
Inwieweit es die Gaskraftwerke brauchen wird, wird erheblich von Habecks geplanter Beschleunigung bei den erneuerbaren Energien abhängen. Derzeit betrage die durchschnittliche Genehmigungsdauer für Windkraftanlagen sechs bis acht Jahre. „So geht die Rechnung nicht auf“, sagte der Grünen-Politiker. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten daher beschleunigt werden. „Wir müssen besser, effizienter und produktiver werden“, sagte er.
Russwurm bekräftigte, bei den Erneuerbaren müsse man ab sofort nicht mehr in Jahren, sondern in Monaten denken. DIHK-Präsident Adrian spricht von einer „Schubumkehr: weniger Bürokratie und viel mehr Tempo bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren“.
Große Hoffnung in Klimaschutzverträge
Auf seine Seite gebracht hat Habeck die Wirtschaft vor allem mit einem bestimmten Plan: Der Vizekanzler hatte der Industrie bei Vorstellung seines Klimaschutz-Sofortprogramms am Dienstag in Aussicht gestellt, möglichst rasch die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Klimaschutzverträgen (Carbon Contracts for Distinction, kurz CCfD) als „zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation der Industrie“ zu schaffen.
Dabei verpflichtet sich die öffentliche Hand gegenüber Unternehmen, bei Investitionen in neue, klimaneutrale Verfahren die Mehrkosten gegenüber Investitionen in konventionelle Technik und die Mehrkosten des laufenden Betriebs zu übernehmen.
Habeck löst mit Sofortprogramm für mehr Klimaschutz Kritik aus
Auch die Vorgängerregierung hatte sich intensiv mit Differenzverträgen befasst. Allerdings sind sie bislang nur versuchsweise zum Einsatz gekommen. Unternehmen der Stahl- und Chemieindustrie pochen seit Monaten darauf, endlich ein konkretes Angebot von der Politik zu bekommen, damit sie in neue Anlagen investieren können.
Die Umsetzung müsse „unverzüglich“ erfolgen, sagte Russwurm. Sorgen von Kritikern, aus den Verträgen könnte eine Dauersubvention werden, kann der Verbandschef verstehen. Deshalb dürften sie nicht zum Dauerzustand werden. Bei den Verträgen müsse mit Vorsicht vorgegangen werden.
„Aber für Grundstoffindustrie etwa gibt es gar keine andere Probability, um worldwide wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Solange Wettbewerber im Ausland bei Klimaschutz nicht so weit seien, werde es die Klimaschutzverträge in Deutschland brauchen.
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