Salvador Wer ihn auf einem der zahlreichen Parteitreffen der Peronisten, die Argentinien mit Unterbrechungen seit mehr als einem halben Jahrhundert regieren, reden hört, der wundert sich: Woher hat dieser unscheinbare junge Mann sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein?
Máximo Kirchner, 44 Jahre alt, ist der Kronprinz der mächtigsten Politikerdynastie, die Argentinien in den vergangenen 50 Jahren hervorgebracht hat.
Während Juan Domingo Perón die argentinische Politik von 1946 bis 1973 maßgeblich beeinflusste, sind die Kirchners seit dem Antritt von Néstor Kirchner als Präsident im Jahr 2003 die einflussreichste Familie des Landes. Auf Néstor Kirchner folgte seine Ehefrau Cristina Fernández de Kirchner für zwei Mandate (2007 bis 2015) im Präsidentenamt. Jetzt ist sie seit 2019 zwar nur Vizepräsidentin, sie lenkt aber weiterhin die Geschicke der Regierung.
Nun bereitet sich Sohn Máximo auf die nächste Machtübernahme des Clans vor. Die Ähnlichkeit mit seinem im Jahr 2010 an Herzversagen verstorbenen Vater Néstor Kirchner ist groß – und zweifellos hilfreich beim Begin der eigenen Karriere.
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Mit dem jetzigen Rücktritt als Fraktionschef der Peronisten im Abgeordnetenhaus sabotiert Máximo das Abkommen, welches die Regierung von Präsident Alberto Fernández gerade mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgehandelt hat.
Damit konnte Argentinien einen neuerlichen Zahlungsausfall auf seine Auslandsschuld in letzter Minute verhindern. Die Bedingungen sind unerwartet vorteilhaft für Argentinien ausgefallen. Die Regierung muss keine Sparmaßnahmen versprechen. Der Fonds streckt die Rückzahlungen über zwölf Jahre mit einer großzügigen Karenzzeit, sodass die Regierung sich bis ans Ende ihrer Amtszeit nicht um Tilgungen oder Zinszahlungen kümmern muss. Sie bekommt sogar noch einen Neukredit in Höhe von fünf Milliarden Greenback.
Ein Desaster für Argentiniens Präsidenten
Doch Máximo erklärte jetzt in einem offenen Temporary, dass er das Abkommen nicht unterstützen könne.
Für Präsident Fernández ist das ein Desaster: Denn im Kongress ist die Regierung seit den Zwischenwahlen im vergangenen November in der Minderheit. Nach Máximos Rücktritt werden weitere ihm treue Abgeordnete nicht für die Übereinkunft mit dem IWF stimmen – und die Opposition sowieso nicht.
Es ist offensichtlich, dass Máximo seine eigene politische Agenda verfolgt. Die plant er seit Langem – weitgehend im Schatten seiner Eltern. Máximo brach zunächst sein Studium ab, gründete schon im Jahr 2006 – wie sein Vorbild Perón – eine eigene Jugendorganisation der Partei namens „La Campora“.
Die besetzt aus ihren Reihen Schlüsselstellen in Staatskonzernen und an den Schalthebeln der Politik. Es ist eine cellular Einsatzgruppe und gleichzeitig die Finanzmaschine der Kirchners – eine der mächtigsten Fraktionen im bunten Universum der Peronisten, die politisch von sehr hyperlinks bis deutlich rechts reichen. Seit 2015 ist Máximo Abgeordneter, zunächst für Patagonien, wo die Familie ihren Sitz hat, inzwischen für die Provinz Buenos Aires.
Máximo fährt nun gemeinsam mit seiner Mutter eine Doppelstrategie: Er lehnt das Abkommen mit dem IWF ab, sie hält sich bedeckt. Indem er von der Übereinkunft mit dem IWF abrückt, lehnt er jede Verantwortung für die vereinbarte Stabilitätspolitik ab.
Die Regierung weiterhin unterstützen
Die absehbar anhaltende Wirtschaftskrise und das angespannte soziale Klima in den kommenden zwei Jahren wird er dann im Wahlkampf 2023 nutzen können, um sich als alternativer Kandidat der Peronisten zu präsentieren.
Gleichzeitig will Máximo nicht vollends mit der Regierung brechen. Er werde die Regierung weiterhin unterstützen, erklärte er treuherzig in seinem Temporary. Tatsächlich möchte Máximo im Kongress als Abgeordneter der Regierungspartei weiterhin die Privilegien seines Amtes nutzen, um seine politische Karriere ungestört von der Justiz vorbereiten zu können.
Wie seine Mutter ist auch er in mehrere Ermittlungen wegen Geldwäsche und illegaler Parteifinanzierungen verstrickt. Im südargentinischen Santa Cruz haben die Kirchners seit vielen Jahren ein Immobilienimperium aufgebaut. Dort verzeichneten die Inns der Kirchners immer wieder Rekordumsätze, obwohl es gar keine Gäste gab. Seine Tante Alicia Kirchner ist dort Gouverneurin.
Angeblich habe seine Mutter ihm abgeraten, den Fraktionsvorsitz abzugeben. Bisher hat sich Cristina Kirchner tatsächlich nicht zum Abkommen geäußert.
Aber Máximos Revolte hat auch Präsident Fernández dazu gebracht, sich neu zu positionieren. Beim Staatsbesuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte Fernández nun eilfertig, dass Argentinien die Abhängigkeit vom IWF und den USA reduzieren wolle. Besser könnte es für Máximo nicht laufen.
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